Dieses Modell wird "Fulfillment by Merchant (FBM)" genannt. Der Verkäufer behält die vollständige Kontrolle über den Verkauf, da er die Themen Lagerung, Versand, Kundenservice etc. selbst abbildet. Die Ware wird dementsprechend bei dem Unternehmen selbst, also in Deutschland, gelagert. Die umsatzsteuerliche Würdigung dieses Falls hängt von der Art der Empfängergruppe sowie vom Sitz des Empfängers ab. Aus diesem Fall lassen sich 4 typische Fallbeispiele konstruieren:

  1. Der Leistungsempfänger ist eine Privatperson oder ein Unternehmer in Deutschland

     
    Praxis-Beispiel

    Verkauf an Leistungsempfänger im Inland

    Der Onlinehändler O verkauft aus seinem Warenlager in Berlin Fahrräder an einen Privatkunden oder einen Unternehmer aus Köln.

    Da sich die Lieferung ausschließlich im Inland abspielt unterliegt sie der deutschen Regelbesteuerung mit 19 % Umsatzsteuer.

  2. Der Leistungsempfänger ist eine Privatperson im EU-Ausland

    In diesem Fall gibt es, je nach Ausgangssituation des deutschen Unternehmers, mehrere Optionen.

    Variante 1: Die OSS-Lieferschwelle i.H.v. 10.000 EUR wurde noch nicht überschritten

     
    Praxis-Beispiel

    Lieferschwelle wird unterschritten

    Der Onlinehändler O verkauft im Jahr 2023 aus seinem Warenlager in Berlin Fahrräder i. H. v. 2.000 EUR netto nach Spanien und Fahrräder i.H.v. 3.000 EUR netto nach Italien.

    Die Höhe der Lieferungen ins EU-Ausland beträgt 5.000 EUR. Damit ist die Lieferschwelle, die das OSS-Verfahren vorschreibt (10.000 EUR) unterschritten. Soweit der Onlinehändler sich nicht freiwillig für die Teilnahme am OSS-Verfahren registriert hat, sind die Lieferungen der deutschen Umsatzsteuer zu unterwerfen.

    Variante 2: Die OSS-Lieferschwelle i.H.v. 10.000 EUR wurde im Laufe des Jahres zum ersten Mal überschritten

     
    Praxis-Beispiel

    Lieferschwelle wird überschritten

    Der Onlinehändler O verkauft im Jahr 2023 aus seinem Warenlager in Berlin Fahrräder i.H.v. 12.000 EUR netto nach Spanien und Fahrräder i.H.v. 13.000 EUR netto nach Italien.

    Die Lieferungen verteilten sich über das Jahr wie folgt:

     
    Q1 Spanien: 3.000 EUR Italien 2.000 EUR
    Q2 Spanien: 4.000 EUR Italien: 1.000 EUR
    Q3 Spanien: 3.000 EUR Italien: 5.000 EUR
    Q4 Spanien: 2.000 EUR Italien: 5.000 EUR

    Die Höhe der Lieferungen ins EU-Ausland beträgt 25.000 EUR. Damit ist die Lieferschwelle, die das OSS-Verfahren vorschreibt (10.000 EUR) überschritten. Die Lieferungen für das erste und zweite Quartal überschreiten die Lieferschwelle noch nicht. Soweit der Onlinehändler sich nicht freiwillig für die Teilnahme am OSS-Verfahren registriert hat, sind diese Lieferungen noch mit 19 % der deutschen Umsatzsteuer zu unterwerfen.

    Ab dem dritten Quartal kann sich der Onlinehändler zur Teilnahme am OSS-Verfahren registrieren lassen. Der spanische Regelsteuersatz beträgt 21 %. Der italienische Regelsteuersatz beträgt 22 %. Dadurch ergeben sich für die OSS-Meldungen die folgenden Melde- und Zahlungsdaten:

     
    Quartal Q3 Q4
    Bemessungsgrundlage ES 3.000 EUR 2.000 EUR
    Steuer ES (Steuersatz 21 %) 630 EUR 420 EUR
    Bemessungsgrundlage IT 5.000 EUR 5.000 EUR
    Steuer IT (Steuersatz 22 %) 1.100 EUR 1.100 EUR
    Gesamte Steuerzahllast 1.730 EUR 1.520 EUR

    Für das 3. Quartal 2023 müssen die Bemessungsgrundlagen und Steuerbeträge der einzelnen Länder bis zum 31.10.2023 an das BZSt gemeldet sein. Zudem muss bis zu diesem Zeitpunkt die Zahlung i.H.v. 1.730 EUR auf dem Bankkonto des BZSt eingegangen sein. Die Steuerzahlungen werden dann an die Finanzbehörden nach Spanien und Italien weitergeleitet. Dasselbe gilt für die Meldungen und Zahlungen für das 4. Quartal 2023. Diese müssen bis zum 31.1.2024 vorgenommen werden.[1]

    Falls der Onlinehändler nicht an dem OSS-Verfahren teilnehmen möchte, muss er sich sowohl in Spanien als auch in Italien steuerlich registrieren lassen und die Meldungen und Zahlungen direkt in den entsprechenden Ländern vornehmen.

  3. Der Leistungsempfänger ist ein Unternehmer im EU-Ausland

     
    Praxis-Beispiel

    Innergemeinschaftliche Lieferung

    Der Onlinehändler O verkauft Fahrräder aus seinem Warenlager in Berlin i. H. v. 3.000 EUR an den Unternehmer U in Frankreich. Bei der Rechnungsstellung beachtet er, dass die verpflichtenden Angaben für die innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind. Dazu zählt:

    - Kein Umsatzsteuerausweis auf der Rechnung

    - Hinweis auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1b UStG

    - Angabe der USt-IDs des Leistenden und des Leistungsempfängers

    Die Lieferung ist in Deutschland zwar steuerbar aber als innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 4 Nr. 1b UStG steuerfrei.

    Der französische Unternehmer muss die Umsatzsteuer für den Kauf in Frankreich abführen und darf im Gegenzug die Vorsteuer wieder geltend machen (innergemeinschaftlicher Erwerb).

  4. Der Leistungsempfänger ist eine Privatperson oder ein Unternehmer im Drittland
 
Praxis-Beispiel

Ausfuhr ins Drittland

Der Onlinehändler O verkauft Fährräder aus seinem Warenlager in Berlin an einen chinesischen Privatkunden oder Unternehmer.

Die Lieferung ist in Deutschland steuerbar aber als Ausfuhr gem. § 4 Nr. 1a UStG steuerfrei.

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