Mögliche Besteuerungsbesonderheiten zu nachsteuerrelevanten Auswirkungen von Mehrabführungen im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden anhand folgenden Fallbeispiels skizziert:

 

Beispiel 3

A übertrug schenkweise seinen Kommanditanteil an der OT GmbH & Co. KG (Organträger) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge m.W. zum 1.2.2020. Im Wirtschaftsjahr 2021 haben sich Mehrabführungen i.H.v. insgesamt 5 Mio. EUR aus dem wahlweisen Ansatz eines selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens (= 2 Mio. EUR) und dem steuerlich ausgeübten Wahlrecht einer Rücklagenbildung gem. § 6b EStG (= 3 Mio. EUR) am Bilanzstichtag 31.12.2021 ergeben. Der daraus resultierende passive organschaftliche Ausgleichsposten wird zutreffend am Bilanzstichtag 31.12.2022 beim Organträger gem. § 34 Abs. 6e Satz 7–8 und Satz 13–14 KStG aufgelöst.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG i.d.F. des KöMoG ab 1.1.2022 sind Mehrabführungen einer Einlagerückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger gleichgestellt. Für Mehrabführungen nach dem 31.12.2021 ist der Mehrabführungsbetrag bis zum Buchwert der Organgesellschaftsbeteiligung aufwandswirksam innerhalb der Steuerbilanz des Organträgers zu erfassen (BMF v. 29.9.2022 – IV C 2 - S 2770/19/10004 :007, BStBl. I 2022, 1412 Rz. 8) und der übersteigende Mehrabführungsbetrag nach § 14 Abs. 4 Satz 5 KStG wie ein Veräußerungsgewinn aus der Organgesellschaftsbeteiligung unter Anwendung von §§ 8b Abs. 2, 8b Abs. 3 KStG bzw. dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40a EStG zu behandeln. Für den bisher nach der Ausgleichspostenmethode bis zum 31.12.2021 beim Organträger für Mehrabführungen gebildeten passiven organschaftlichen Ausgleichsposten gelten nach § 34 Abs. 6e Satz 7–8 und Satz 13–14 KStG dieselben Grundsätze zur Überleitung auf das "Einlagelösungsmodell" zum 31.12.2022, indem innerhalb der Steuerbilanz eine gewinnwirksame Buchwertverrechnung stattfindet und für den Mehrbetrag ein Beteiligungsertrag aus der Organbeteiligung als Veräußerungsgewinn "vorliegt" (BMF v. 29.9.2022 – IV C 2 - S 2770/19/10004 :007, BStBl. I 2022, 1412 Rz. 12: „Mit dem Wechsel von der Ausgleichspostenmethode zur Einlagelösung liegt [...] ein veräußerungsähnlicher Ertrag [...] vor, [...]” Hervorhebung durch Verf.).

Wegen des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels zur Behandlung von Mehrabführungen kommt aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht eine Nachsteuerrelevanz für Mehrabführungsbeträge oberhalb des Buchwerts in Betracht, die sich entweder als Behaltensregelungsverstoß gem. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG wegen einer Betriebsgrundlagenveräußerung auswirken kann oder andererseits die Mehrabführung in den Anwendungsbereich der Überentnahme- oder Übermaßausschüttung gem. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 ErbStG fallen könnte.

Für einen steuerschädlichen Behaltensregelungsverstoß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG spricht die vorgreifliche körperschaftsteuerliche Methodik eines Veräußerungsgewinns für Mehrabführungen oberhalb des Buchwerts. Gerade die Anlehnung des Nachsteuertatbestands an die ertragsteuerlich geprägten Begriffe "Veräußerung", "Aufgabe des Gewerbebetriebs" oder "wesentliche Betriebsgrundlage" bestärken eine solche Auslegung. Weil der Behaltensregelungsverstoß für Betriebsgrundlagenverfügungen sich bei vertikalen mehrstufigen Kapitalgesellschaftsbeteiligungsbesitz auf die 1. Ebene unterhalb der Spitzengesellschaft bezieht und beim Betriebsvermögenserwerb keine weiteren Nachsteuererfordernisse hinzutreten (Weber/Schwind, ZEV 2014, 408 [410]; Dorn, ZEV 2015, 690 ff.; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 118: "[...] von einer wesentlichen Betriebsgrundlage ist regelmäßig bei Beteiligungen an Organgesellschaften (§§ 14 ff. KStG) auszugehen."), kann die Mehrabführung damit die Brisanz definitiver steuerverschonungsschädlicher Wirkung besitzen, wenn sich keine guten Argumente für die Reinvestitionsklausel gem. § 13a Abs. 6 Satz 3–4 ErbStG finden lassen.

Gegen die Annahme eines solchen Behaltensregelungsverstoß kann demgegenüber die Sichtweise sprechen, dass der Nachsteuertatbestand eine reale Wirtschaftsgutverfügung oder eine die wesentliche Betriebsgrundlage betreffende tatsächliche Bewegung voraussetzt. Das Einlagelösungsmodell repräsentiert jedoch für Mehrabführungen eine systemische Veränderung zur Sofortbesteuerung von Mehrabführungen oberhalb des Buchwerts anstatt eines bisherigen Steuerstundungsmodells und folglich keinen derartigen tatsächlichen Geschehensablauf.

Bezüglich des Nachsteuertatbestands aus § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 ErbStG unterfällt die Mehrabführung der Organgesellschaft nicht unmittelbar der Ausschüttungsbegrenzung, da die Prüfung der Überentnahme oder Übermaßausschüttung sich bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen auf die Spitzeneinheit konzentriert, wo sich die Betriebsergebnisse aus Unterbeteiligungen im Steuerbilanzgewinn der Obergesellschaft als maßgebende Determinante auswirken (Claussen/Thonemann-Micker in BeckOK/ErbStG, § 13a Rz. 321; R E 13b.15 Satz...

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