Zeitmanagement in Steuerkanzleien

Zeit ist ein knappes Gut in Steuerkanzleien. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, ist das Zeitmanagement. Doch geht das überhaupt – noch effizienter arbeiten? Oder gibt es vielleicht auch andere Lösungen?

In vielen Steuerkanzleien hat sich die Arbeitsbelastung dauerhaft auf einem hohen Niveau eingependelt. Und das nicht erst seit den coronabedingten Wirtschaftshilfen, die viele Steuerkanzleien an den Rand ihrer Belastbarkeit geführt haben.

Mehr Personal? Schön wär`s!

Eine mögliche Stellschraube, um den Druck zu mindern, wäre es natürlich, mehr Personal einzustellen. Der Konjunktiv ist hier ganz bewusst gewählt, denn Steuerfachangestellte und ‑beraterinnen sind heute bekanntermaßen nur schwer auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Die Hauptursache: Es fehlt an Nachwuchs.

Angesichts der hohen Durchfallquoten von teilweise 60 und mehr Prozent sind die Einstiegshürden zu hoch für viele junge Menschen. Zudem haben die Berufe rund um die Steuerberatung ein Imageproblem: zu trocken, zu konservativ, zu arbeitsintensiv. Hier sehen viele Berufsträger und Berufsträgerinnen die Kammern in der Pflicht. Stressbewältigung durch Anspruchsniveausenkung wäre eine Variante, mehr Unterstützung in Ausbildung oder Studium und mehr positives Marketing für den Beruf eine andere. Doch solche Vorhaben brauchen bekanntermaßen ihre Zeit und sind bisher, wenn überhaupt, nur in Ansätzen realisiert.

Beratung: kaum planbar

Eine andere Lösung muss also her. Die naheliegende Variante: mit dem bestehenden Team noch effizienter zu arbeiten. An Tools, um das Zeitmanagement zu optimieren, mangelt es nicht. Die Auswahl ist riesig. Man hat die Qual der Wahl zwischen klassischen Werkzeugen wie To-do-Listen, ABC-Priorisierung, Eisenhower-Matrix oder Pareto-Analyse und modernen Tools wie Kanban-Boards oder Zeitmanagement-Apps für das Smartphone oder auch Add-ons zur Kanzleisoftware.

Und natürlich gibt es auch klare Fristen und Termine, mit denen diese Hilfsmittel gefüllt werden können. So weit, so gut – wenn da nicht die unerwarteten Mandantenanfragen mit dringenden Anliegen wären. Sie lassen sich nur schwer an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen delegieren und wirbeln jeden noch so dezidiert ausgearbeiteten Zeitplan und jede sorgfältig geführte To-do-Liste durcheinander. „Planen kann man maximal 50 Prozent der Zeit. Der Rest wird bestimmt durch Mandanten-, aber auch Mitarbeiteranfragen“, schätzt Daniela Grashei, Steuerberaterin bei der EHB Steuerberatungsgesellschaft GmbH in München.

Neue digitale Anforderungen der Steuerverwaltung

Robert Zwirn, Gesellschafter bei Hecht & Kollegen GmbH, einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Berlin, bringt noch eine weitere Unwägbarkeit ins Spiel – die zunehmenden Anforderungen des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung an die Steuerpflichtigen. „Deren inhaltliche und technische Umsetzung wird auf die Steuerberatungskanzleien abgewälzt. Die Aufbereitung der zusätzlich geforderten Angaben und Unterlagen kostet eine Menge Zeit. Häufig müssen die digital geforderten Angaben im Nachhinein obendrein durch analoge Nachweise belegt werden.“

E-Mails: Zeiträuber und Stressoren

Auch die Kommunikation via E-Mail torpediert die verlässliche Zeitplanung in der Beratung und erhöht zugleich den Druck auf die Berater. „Mandanten erwarten heute Antworten auf ihre Mail-Anfragen sofort. Das heißt aber für uns, dass wir jedes Mal aus unserer aktuellen Arbeit herausgerissen werden“, stellt Steuerberaterin Grashei fest.

„An Tagen, in denen sich die E-Mails mit Mandantenanfragen häufen, kann schon einmal der ganze schöne Terminplan durcheinanderkommen. Und solche Tage sind nicht selten“, sagt auch Susanne Gehling, Inhaberin der Münchener Kanzlei Gehling & Partner und verantwortlich für 20 Mitarbeiter. „Hier hilft es dann nur, ständig neu zu priorisieren und streng fristenorientiert auf das gerade wirklich Wichtige und Dringende zu fokussieren.“ Und weiter: „Beratung an sich ist nur schwer planbar, Assistenz dagegen schon eher. So haben wir jeden Freitag einen Jour-fixe, in dem wir die Aufgaben der nächsten Woche für die Mitarbeiter besprechen, priorisieren und verteilen.“

Wege aus dem Zeitdilemma

In einigen Steuerkanzleien finden mittlerweile Daily-Stand-ups statt, um noch flexibler auf Änderungen reagieren zu können. Diese täglichen kurzen Treffen im Stehen, in denen von jedem der Stand und der Plan für den Tag abgefragt wird, werden bereits seit vielen Jahren erfolgreich im agilen Projektmanagement eingesetzt. Ein aufschlussreiches Interview dazu finden Sie hier .

Andere Kolleginnen reservieren täglich Offline-Zeitblöcke für sich, Fokuszeiten, in denen sie – ungestört von Telefonanrufen und Mails – anfallende To-dos ganz gezielt abarbeiten.

So manche Kanzlei verfolgt mittlerweile einen radikalen Ansatz, um Zeit zu sparen: Sie trennt sich von beratungsintensiven, aber wenig lukrativen Mandaten.

Wieder andere reduzieren den Beratungsaufwand ein wenig, indem sie für Mandantinnen-Gruppen schriftliche Hand-outs mit komprimierten Infos erstellen.

Digitalisierung und Automatisierung als Chance

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Optimierung von Arbeitsabläufen. Hier eröffnen die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung etliche Chancen. Viele davon haben Steuerkanzleien natürlich bereits wahrgenommen, so im Bereich der digitalen Aktenführung, der Buchhaltung, mit Berechnungstools, Recherche- und Zeiterfassungsprogrammen.

Jetzt geht es um den Feinschliff. Am Anfang steht eine Analyse, die ans Licht bringt, wo es noch Schnittstellenprobleme gibt, wo Mitarbeiter und Beraterinnen noch um ein Tool herum- oder an ihm vorbeiarbeiten, wo es zu Doppeleingaben kommt etc.

Das kostet doch aber auch nur wieder viel Zeit, könnte man jetzt denken. Ein Trugschluss, wie die folgende Geschichte von Stephen Covey, dem Altmeister der Effektivität, verdeutlicht: Ein Waldarbeiter zerkleinert mit einer Säge mühsam einen riesigen Stapel Holz. Er kommt dabei nur sehr langsam voran. Ein Spaziergänger beobachtet ihn eine Weile dabei. Ihm fällt auf, dass die Säge stumpf ist. Er fragt den Holzfäller, warum er diese denn nicht schärfe. Der Holzarbeiter schüttelt den Kopf und meint: „Ich habe keine Zeit zum Schärfen – ich muss noch alle Bäume hier sägen!“

Welche digitalen Werkzeuge könnten in Ihrer Kanzlei geschärft werden, um noch effizienter, also zeitsparender, arbeiten zu können? Oft ergibt die Analyse, dass bereits optimale Tools zur Verfügung stehen, diese aber nicht hinreichend genutzt werden. Dann können Schulungen helfen.

Manchmal stellt man aber auch gemeinsam im Team fest, dass die Säge ausgewechselt werden muss, es also eine neue digitale Lösung braucht. So zum Beispiel, wenn eine Software mehr Zeit bindet, als sie Zeit spart.


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