Leitsatz (amtlich)
Steht der Masse eine (aufrechenbare) Gegenforderung gegen den Kläger einer Feststellungsklage nach § 146 KO zu, so ist der Streitwert der Feststellungsklage grundsätzlich nach dem Betrag festzusetzen, der bei einer Verteilung der um die Gegenforderung erhöhten Masse auf die Klageforderung entfiele.
Normenkette
KO § 148; InsO § 182; GesO § 11 Abs. 3; ZPO § 511a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. April 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verkaufte durch notariellen Vertrag vom 30. März 1992 an P. R. in M., Sachsen-Anhalt, (fortan: Schuldner) zwei noch fertigzustellende Gewerbeeinheiten in K. Der nach Baufortschritt fällige Kaufpreis betrug 1.180.187 DM brutto. Am 21. Mai 1992 zahlte der Schuldner auf die ersten Teilrechnungen insgesamt 684.508,46 DM. Mit Anwaltsschreiben vom 24. März 1993 machte die Klägerin den restlichen Kaufpreis von 495.678,54 DM geltend. Am 21. April 1993 setzte sie dem Schuldner eine letzte Frist zur Zahlung bis zum 5. Mai 1993 und kündigte an: „Nach fruchtlosem Ablauf der Frist werden wir vom Vertrag zurücktreten bzw. Schadensersatz verlangen (§ 326 BGB)”. Weil weitere Zahlungen ausblieben, erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 14. Juni 1993: „Aufgrund Ihrer Weigerung, Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, tritt unser Mandant vom Vertrag zurück und wird Schadensersatz verlangen. Dieser wird noch gesondert beziffert werden.” Mit Schreiben vom 11. August 1993 bezifferte die Klägerin ihren Schaden nebst Verzugszinsen und Kosten auf 679.744,42 DM. In Höhe dieses Betrages meldete die Klägerin in der am 1. November 1994 eröffneten Gesamtvollstreckung über das Vermögen des Schuldners eine Forderung zur Tabelle an. Die Forderung wurde vom Beklagten bestritten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Forderung als nicht bevorrechtigte Forderung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO zur Gesamtvollstreckungstabelle festzustellen. Sie hat geltend gemacht, bei einem Deckungsverkauf sei wegen einer dramatischen Senkung der Immobilienpreise nur noch ein Kaufpreis von 595.293 DM einschließlich 77.643 DM Mehrwertsteuer zu erzielen. Dies seien 584.924 DM weniger als der mit dem Schuldner vereinbarte Kaufpreis. Hinzu kämen weitere Schadenspositionen. Der Beklagte hat sich eines Anspruchs auf Rückzahlung der aus seiner Sicht von der Klägerin zu Unrecht vereinnahmten 684.508,46 DM berühmt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin vom Vertrag zurückgetreten sei und deshalb keinen Schadensersatz verlangen könne. Das Berufungsgericht hat den Streitwert sowie den Wert der Beschwer auf 600 DM festgesetzt und die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.500 DM nicht übersteige. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes sei auf die unterste Gebührenstufe festzusetzen und liege damit unterhalb der Berufungssumme des § 511 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil für nicht bevorrechtigte Gläubiger keine Aussicht auf eine quotenmäßige Befriedigung ihrer angemeldeten Forderungen bestehe. Ein Interesse der Klägerin, mit ihrer Forderung eine Gegenforderung des Beklagten im Wege der Aufrechnung oder Saldierung abzuwehren, sei bei der Bemessung des Streitwertes und des Wertes der Beschwer nicht zu berücksichtigen.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 GesO gegen den Bestreitenden zu erhebende Klage entspricht der Feststellungsklage des § 146 KO. Der Wert des Streitgegenstandes einer solchen Klage ist entsprechend § 148 KO oder § 182 InsO nach dem Verhältnis der Teilungs- zur Schuldenmasse festzusetzen. Es kommt mithin darauf an, welcher Betrag aufgrund der zu erwartenden Konkursquote voraussichtlich auf die von der Klägerin geltend gemachte Forderung entfallen wird. Ist keine Quote zu erwarten, sind Streitwert und Wert der Beschwer mit der niedrigsten Gebührenstufe, das heißt bis zu 600 DM, anzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 9. September 1999 – IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811 f).
2. Im Streitfall hat das Berufungsgericht angenommen, eine quotenmäßige Befriedigung der Forderung der Klägerin sei nicht zu erwarten. Dabei hat es jedoch nicht berücksichtigt, daß der Beklagte sich gegenüber der Klägerin einer Forderung in Höhe von 684.508,46 DM berühmt. Die Vernachlässigung dieser Forderung hat es damit begründet, das Interesse der Klägerin, gegen diese Forderung aufzurechnen, habe bei der Streitwertbemessung ebenso unberücksichtigt zu bleiben wie das Bestehen einer Bürgschaft oder etwaiger Absonderungsrechte, aus denen ein Insolvenzgläubiger sich befriedigen könne (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 19. Februar 1964 – Ib ZR 155/62, NJW 1964, 1229 f; Beschl. v. 12. November 1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50, 51). Maßgeblich sei allein der Inhalt des Klagebegehrens, das sich ausschließlich auf Feststellung der Teilnahme am Konkurs richte. Ob eine andere Streitwertbemessung angebracht wäre, wenn die Klägerin die Aufrechnung nur im Wege der Konkursfeststellungsklage geltend machen könnte, bedürfe keiner Entscheidung; denn diese Voraussetzung liege nicht vor, weil die Aufrechnung außergerichtlich erklärt und sodann auf Feststellung geklagt werden könne, daß die Rückzahlungsforderung des Beklagten nicht (mehr) bestehe. Daß der Aufrechnung mit der Klageforderung jetzt unter Umständen die nicht anfechtbare Abweisung der Klage durch das Landgericht entgegenstehe, könne bei der Streitwertbemessung ebensowenig berücksichtigt werden wie Auswirkungen auf Sicherheiten oder Ansprüche gegen Dritte.
3. Dem Berufungsgericht ist insoweit zu folgen, als eine Gegenforderung der Masse mit Rücksicht auf eine Möglichkeit des Feststellungsklägers zur Aufrechnung oder Verrechnung nicht dazu führen kann, den Streitwert der Feststellungsklage oder den Wert der Beschwer in einer Höhe anzusetzen, die zumindest der Gegenforderung entspricht, unter Umständen also mit dem vollen Nennwert der Klageforderung. Damit würde die Bemessungsgrundlage der §§ 148 KO, 182 InsO verlassen, wonach sich der Streitwert dieser Klagen nach dem Verhältnis von Teilungs- und Schuldenmasse bemißt. Insbesondere bestünde die Gefahr, daß die Masse mit unnötig hohen Prozeßkosten belastet wird. Dem soll mit diesen Vorschriften vorgebeugt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28. Januar 1953 – VI ZR 49/52, LM § 148 KO Nr. 1; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 148 Anm. 1 Nr. I vor Nr. 1).
Dies bedeutet indessen nicht, daß die Gegenforderung der Masse streitwertmäßig gänzlich außer acht zu bleiben hätte. Vielmehr ist sie insoweit zu berücksichtigen, als sie bei einer Verwirklichung die Teilungsmasse erhöhen würde. Diese Sichtweise entspricht dem Gebot der §§ 148 KO, 182 InsO, den Streitwert mit Rücksicht auf das Verhältnis von Teilungs- zur Schuldenmasse zu bemessen. Der Streitwert der Feststellungsklage und der Wert der Beschwer ist deshalb nach dem Betrag festzusetzen, der bei einer Verteilung der um die Gegenforderung erhöhten Masse für die Forderung zu erwarten ist.
4. Im vorliegenden Fall führt dies gleichwohl nicht zu einem Streitwert von mehr als 600 DM. Dem insoweit maßgeblichen Vortrag der Klägerin ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß dem Beklagten ein die Teilungsmasse vermehrender Gegenanspruch gegen die Klägerin zusteht.
a) Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB geltend. Diesen leitet sie aus den Anwaltsschreiben vom 21. April und 14. Juni 1993 ab. Der objektive Erklärungswert dieser Schreiben spricht dafür, daß der Klägerin ein solcher Anspruch grundsätzlich zusteht. In den Schreiben wird nicht ausschließlich ein Rücktritt vom Vertrag angekündigt oder ausgesprochen. Vielmehr wird in dem ersten Schreiben erklärt, die Klägerin werde nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist „vom Vertrag zurücktreten bzw. Schadensersatz verlangen”; in dem späteren Schreiben heißt es:„… tritt unser Mandat vom Vertrag zurück und wird Schadensersatz verlangen”. Derartige Formulierungen sind regelmäßig dahin zu verstehen, der Gläubiger wolle Schadensersatz beanspruchen (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1963 – VIII ZR 63/62, LM § 326 (Ea) BGB Nr. 5; v. 10. Februar 1982 – VIII ZR 27/81, NJW 1982, 1279 f; v. 11. Mai 1988 – VIII ZR 138/87, WM 1988, 1171, 1172; v. 24. Juni 1988 – V ZR 49/87, WM 1988, 1599, 1600; v. 6. Juli 1988 – VIII ZR 256/87, WM 1988, 1564, 1566; auch v. 17. Januar 1997 – V ZR 285/95, NJW 1997, 1231). Besondere Umstände, die dem entgegenstehen konnten, sind nicht ersichtlich. Daß die Worte „tritt … zurück” im Schreiben vom 14. Juni 1993 durch Fettdruck hervorgehoben sind, läßt wegen des übrigen Inhalts des Schreibens nicht den Schluß zu, der Klägerin sei es ausschließlich um Rücktritt gegangen. Dies kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Klägerin nicht sogleich einen bestimmten Schadensersatzanspruch geltend gemacht, sondern erklärt hat, sie werde Schadensersatz verlangen. Entgegen der Annahme des Landgerichts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin habe ausschließlich den Vertrag beendigen und unter Abstandnahme von der im Schreiben vom 21. April 1993 vorbehaltenen und im Schreiben vom 14. Juni 1993 ausdrücklich angekündigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vom Vertrag zurücktreten wollen und mithin ihr Wahlrecht verbraucht. Vielmehr spricht alles dafür, daß ihr grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB zusteht.
b) Ein solcher Schadensersatzanspruch bemißt sich nach der Wertdifferenz zwischen der Vermögenslage, die sich bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung ergeben hätte, und derjenigen, die sich infolge des haftungsbegründenden Ereignisses tatsächlich ergeben hat. Dabei wird das Vertragsverhältnis in der Weise umgestaltet, daß an die Stelle der beiderseitigen Leistungspflichten ein einseitiges – am Erfüllungsinteresse ausgerichtetes – Abrechnungsverhältnis tritt, innerhalb dessen die gegenseitigen Ansprüche nur noch unselbständige Rechnungsposten sind (vgl. RGZ 141, 259, 261 f; BGHZ 126, 131, 134, 136; 136, 52, 54; BGH, Urt. v. 27. Mai 1998 – VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901, 2902; v. 24. September 1999 – V ZR 71/99, Umdruck S. 5, z.V.b.). Danach steht der Masse ein Anspruch auf Rückzahlung der von dem Schuldner gezahlten Summe von 684.508,46 DM gegen die Klägerin nicht zu. Vielmehr ist dieser Betrag bei der Schadensberechnung der Klägerin als unselbständiger Rechnungsposten anzusetzen. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, daß bei der gebotenen Abrechnung ein Guthaben zugunsten der Masse verbliebe (vgl. in diesem Zusammenhang RGZ 149, 135, 137). Er spricht eher dafür, daß in diesem Fall die Klägerin selbst keine in der Gesamtvollstreckung zu berücksichtigende Forderung hätte.
c) Demzufolge ist nicht dargetan, daß der Masse eine Gegenforderung gegen die Klägerin zusteht, welche eine Erhöhung der Teilungsmasse bewirken könnte. Es bleibt mithin bei der Feststellung des Berufungsgerichts, daß auf nicht bevorrechtigte Gläubiger und damit auf die Klägerin eine Quote nicht entfällt.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.12.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 275 |
NJW-RR 2000, 778 |
EWiR 2001, 29 |
KTS 2000, 132 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 211 |
WuB 2000, 495 |
WuB 2000, 497 |
ZIP 2000, 237 |
MDR 2000, 351 |
NZI 2000, 115 |
NZI 2001, 17 |
NZI 2001, 50 |
VersR 2001, 735 |
ZInsO 2000, 99 |