Stiefvater Unterhalt für im Haushalt lebendes Stiefkind

Ein Stiefkind hat keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen, wenn der Stiefvater ein ausreichend hohes Einkommen erzielt. Das BSG entschied, dass ein Stiefvater für den Unterhalt eines im Haushalt lebenden Stiefkindes aufkommen muss.

Die 1994 geborene Klägerin lebte mit ihrer Mutter und deren Ehemann in der fraglichen Zeit vom 1. bis 31.7.2007 in einem gemeinsamen Haushalt. Im Juli 2007 erzielte der Ehemann ein Nettoeinkommen von 2.351,98 EUR. Am 12.7.2007 erhielt er zudem eine Einkommenssteuererstattung von 3.312,68 EUR.

Die Mutter bezog Kindergeld (154 EUR) und ein eigenes Nettoeinkommen von 303,28 EUR. Der Ehemann überwies seinem nicht im gemeinsamen Haushalt wohnenden Sohn den monatlichen Unterhalt (200 EUR) und der Klägerin ein Taschengeld (50 EUR). Die Kosten für Unterkunft und Heizung trug er allein. Der zur Unterhaltszahlung von 337 EUR monatlich verpflichtete leibliche Vater der Klägerin war nicht leistungsfähig.

Durch Einkommens des Stiefvaters keine Hilfebedürftigkeit

Die Klägerin beantragte SGB II-Leistungen, die vom Jobcenter abgelehnt wurden. Das Sozialgericht wies die Klage ab, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung ebenfalls. Das LSG begründete die Entscheidung damit, dass die Klägerin angesichts des Einkommens des Stiefvaters nicht hilfebedürftig sei. Der grundsicherungsrechtliche Leistungsbedarf nach dem SGB II sei ausgeschlossen. Bei "faktischen Stiefkindern" geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Elternteil innerhalb der Bedarfsgemeinschaft der elterlichen Sorge in erster Linie durch Gewährung von Naturalunterhalt nachkomme. Denn er entscheide gleichberechtigt mit dem Partner über die Ausgaben.

Fehlende Normenklarheit bei Sicherung des Existenzminimums gegen den Stiefvater

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass sie durch die Zusammenfassung mit ihrem Stiefvater in einer Bedarfsgemeinschaft und Anrechnung dessen Einkommens in ihren Grundrechten (Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt werde. Die erforderliche Normenklarheit fehle. Denn § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II räume dem Kind keinen durchgreifenden, existenzminimumsichernden Anspruch gegen den Stiefvater ein. Die Aufnahme in seinen Haushalt sei keine „automatische“ vertragliche Vereinbarung zur Unterhaltszahlung.

Leiblicher Vater und Stiefvater werden ungleich behandelt

Widersprüchlich sei, dass der originär Unterhaltsverpflichtete sein Einkommen um berufsbedingte Aufwendungen u.ä. bereinigen könne. Er müsse Unterhalt nur aus dem verbleibenden Einkommen mit Rücksicht auf einen deutlich höheren Selbstbehalts zahlen.

Bei dem Stiefvater dagegen würden nur titulierte Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt. Auch nach Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II könne die Vorschrift verfassungskonform nur so ausgelegt werden, dass die unwiderlegbare Unterstützungsvermutung erst bei einem, den (höheren) Freibetrag des § 9 Abs. 5 SGB II übersteigenden Einkommen einsetze.

Einstehen in den Not-und Wechselfällen des Lebens bei minderjährige Stiefkindern und Stiefelternteil

Das Bundessozialgericht (BSG) wies die Revision der Klägerin zurück (BSG, Urteil v. 23.05.2013, B 4 AS 67/11 R). Für den streitigen Monat Juli 2007 kann die Klägerin keine SGB II-Leistungen beanspruchen. Sie war nicht hilfebedürftig, weil davon auszugehen ist, dass sie den nach Anrechnung des Kindergeldes noch verbleibenden Bedarf aus dem Einkommen des Stiefvaters decken konnte. Insofern durfte der Gesetzgeber bei minderjährigen Stiefkindern wegen des rechtlichen Bandes zwischen dem Stiefkind und seinem leiblichen Elternteil sowie der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Stiefelternteil ein Einstehen in den Not-und Wechselfällen des Lebens annehmen. Die von der Klägerin gerügte mangelnde Normenklarheit liege zudem nicht vor.

Schlagworte zum Thema:  Unterhalt, Grundsicherung, Bedarfsgemeinschaft