Es stellt sich zunächst die Frage, ob eine außergerichtliche Unfallschadenregulierung überhaupt von dem Gesetz erfasst wird, d.h. als Rechtsdienstleistung anzusehen ist. Maßgebliche Bestimmung ist hier die neu eingeführte Legaldefinition des § 2 Abs. 1 RDG. Hiernach ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Fehlt es nämlich bereits an der Erbringung einer Rechtsdienstleistung im Sinne dieser Vorschrift, dann kommt das RDG gar nicht zur Anwendung. Gerade die Bestimmung des § 2 Abs. 1 RDG hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen erfahren. In dem ursprünglichen Regierungsentwurf[6] hieß es insoweit noch, dass eine Rechtsdienstleistung "… eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert …". In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wird darauf abgestellt, dass mit der Streichung des Wortes "besondere" vermieden werden soll, dass an das Erfordernis der rechtlichen Prüfung zu hohe Maßstäbe angelegt werden.[7] Im Übrigen ergibt sich aber auch schon aus der Begründung des Regierungsentwurfes, dass § 2 Abs. 1 RDG jede rechtliche Tätigkeit erfassen soll, die über die bloße Anwendung von Rechtsnormen auf einen Sachverhalt hinausgeht, ohne dass es einer besonderen Prüfungstiefe bedarf. Der Bundesrat hielt es für angezeigt, den Anwendungsbereich des RDG auf alle Tätigkeiten auszudehnen, die ihrem Gehalt nach über eine einfache Rechtsauskunft hinausgehen.[8]

Bevor man in die Prüfung eintritt, ob eine außergerichtliche Unfallschadenregulierung vom Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1 RDG erfasst wird, muss man sich klar machen, um welche Tätigkeiten es sich bei einer Schadensregulierung handelt. Nur beispielsweise seien erwähnt:

  • Datensammlung:

    • Fragebogen für Anspruchsteller
  • Sonderprobleme bei Passivlegitimation:

    • Schaden mit Auslandsberührung
    • Haftungsbegrenzungen
    • Staatshaftung
    • Verkehrsopferhilfe
  • Einschätzung der Haftungsverteilung:

    • Betriebsgefahr/Beweislast
  • Hinweise an Mandanten:

    • Auswahl des Sachverständigen
    • Auswahl der Werkstatt
    • Mietwagenproblematik/Nutzungsausfall
    • Verhältnis Haftpflicht/Vollkasko (Quotenvorrecht)
  • Anmeldung der Ansprüche beim gegnerischen Haftpflichtversicherer
  • Akteneinsicht, soweit Unfall polizeilich aufgenommen wurde
  • Erörterungen mit Mandant zur Schadenshöhe:

    • Kraftfahrzeugschaden/130 %-Regelung
    • sonstige Sachschäden (Mietwagen/Nutzungsausfall)
  • Personenschaden:

    • Schmerzensgeld
    • Erwerbsschaden
    • vermehrte Bedürfnisse
    • Heilbehandlungskosten
  • Prognose der Erfolgsaussichten gerichtlichen Vorgehens bei Ablehnung der Regulierung durch Versicherung

Hinzu kommt, dass bei dieser Tätigkeit die Aspekte weder des Strafrechts/Ordnungswidrigkeitenrechts noch des Versicherungsrechts aus dem Auge verloren werden dürfen.

Dabei ist natürlich richtig, dass nicht jeder Schadensfall diese Palette hergibt. Es gibt auch – gerade im Kaskobereich – Fälle, bei denen es nur um die Geltendmachung einer unstrittigen Reparaturrechnung gegenüber dem eigenen Kaskoversicherer geht. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle spielen aber Beweisprobleme und Haftungsquoten eine erhebliche Rolle, was zwangsläufig auch Auswirkungen auf eine sachgerechte Beratung zur Schadenshöhe haben wird (abstrakte oder konkrete Schadensberechnung/Mietwagen oder Nutzungsausfall).

In der Begründung zum Regierungsentwurf wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "… eine rechtliche Beurteilung der Schuldfrage, eine Abwägung der Verursachungsanteile oder gar die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises …" nicht Sache eines Kfz-Meisters, Sachverständigen oder Mietwagenunternehmers sein kann. Es heißt dort weiter: "… Die Prüfung der Haftungsanteile beim Verkehrsunfall ist rechtlich komplex und gehört daher ganz eindeutig zu den Rechtsdienstleistungen, die den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorbehalten sind und bleiben …".[9]

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass bei der Unfallschadenregulierung die Grenze von der allgemeinen (zulässigen) Dienstleistung zur Rechtsdienstleistung dann überschritten wird, wenn es um mehr als die allgemeine Auskunft geht, dass die Erstattungsfähigkeit des Schadens von der Haftungslage abhängt und auf Grund Mitverschuldens oder der von dem Fahrzeug des unfallbeteiligten Kunden ausgehenden Betriebsgefahr eingeschränkt sein kann. Sobald es um den Einzelfall und bestimmte Probleme zum Haftungsgrund oder auch zur Schadenshöhe geht, handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG.

Lediglich das Inkasso – bei unstrittigem Haftungsgrund – einer Reparaturkostenrechnung, der Rechnung einer Ersatzbeschaffung oder Mietwagenrechnung gehören als Geschäftsbesorgung, die keine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Verbotsgesetzes.

[6] BR-Drucks 623/06 S. 2.
[7] BT-Drucks 16/6634 S. 62.
[8] BR-Drucks 623/06 S. 69.
[9] BR-Drucks 623/06 S. 96.

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