Der Weg des Pflichtteilsberechtigten zu einer belastbaren und vollständigen Auskunft des Erben über den Nachlassbestand ist allzu oft steinig und neblig. Es ist daher gut nachvollziehbar, dass der Auskunftsberechtigte darüber nachdenkt, ob ihm andere Wege zur Verfügung stehen, die ihn kurzfristig zum Ziel einer vollständigen und belastbaren Auskunft führen. Naheliegend ist dabei der Versuch, eine Abkürzung zu nehmen und unmittelbar auf den mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notars einzuwirken. Der notariellen Praxis nicht unbekannt sind insoweit Versuche, durch einen "Blick über die Schulter des Notars" Informationen zu erlangen, auf die materiell-rechtlich kein Anspruch besteht. Im vorliegenden Fall hat der Pflichtteilsberechtigte Untätigkeitsbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO gegen den Notar erhoben, nachdem der Erbe bereits im Juli 2019 die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses beim Notar in Auftrag gegeben hatte und dies auch vier Jahre später und nach zwischenzeitlicher Titulierung des Auskunftsanspruchs immer noch nicht erstellt war. Für eine gewisse Ungeduld des Pflichtteilsberechtigten in Anbetracht dieses zeitlichen Ablaufs besteht großes Verständnis.

Der BGH hat aber klargestellt, dass der Weg der Untätigkeitsbeschwerde den Pflichtteilsberechtigten keine Abkürzung zum Ziel bietet. Ihr Weg zum notariellen Nachlassverzeichnis führt zwingend über den Erben. In der Begründung hat der BGH die’gegenseitigen Rechtsbeziehungen im Verhältnis von Erben, Pflichtteilsberechtigten und Notar klargestellt.

Die Zulässigkeit der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO setzt u.a. die Beschwerdeberechtigung voraus. Erforderlich ist insoweit eine unmittelbare Beeinträchtigung von Rechten des Beschwerdeführers, wohingegen die bloße Beeinträchtigung wirtschaftlicher oder rechtlicher Interessen nicht ausreicht. Der BGH stellt hierzu fest, dass dem Pflichtteilsberechtigten keine Rechte gegen den Notar zustehen, die dieser durch Verweigerung der Urkundstätigkeit verletzen könnte.

Zumindest missverständlich ist aber der Hinweis des BGH, dass der Auftrag nur vom Erben erteilt wurde und daher das entsprechende schuldrechtliche Verhältnis auch nur zwischen diesem und dem Notar besteht. Was wäre nämlich, wenn der Pflichtteilsberechtigte einen eigenständigen Auftrag zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses erteilt oder dem Auftrag des Erben beitritt?

Dann stellt sich die Frage, ob der Notar (auch) dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber nach § 15 Abs. 1 BNotO zum Tätigwerden verpflichtet ist, wenn dieser mit einem entsprechenden Auftrag an ihn herantritt. Dies ist aber gerade nicht der Fall; ein entsprechendes subjektives öffentliches Recht steht ihm nicht zu.

Die sachliche Zuständigkeit des Notars für die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ergibt sich aus § 20 Abs. 1 S. 2 BNotO. Mit Blick auf das besondere berechtigte Interesse der Beteiligten an einem einheitlichen und vollständigen Nachlassverzeichnisses ist gem. § 10a BNotO die örtliche Zuständigkeit des Notars begründet, in dessen Amtsbereich sich die meisten Nachlassgegenstände befinden und in dem die für die Aufnahme des Verzeichnisses relevanten Wahrnehmungen erfolgen. Der örtlich zuständige Notar darf wegen der Amtsgewährungspflicht nach § 15 Abs. 1 BNotO die Aufnahme eines solchen Verzeichnisses grundsätzlich nicht verweigern.

Dies gilt aber nur, wenn der Auftrag durch den Erben erteilt wird. Dritten (auch dem Pflichtteilsberechtigten) gegenüber besteht insoweit gerade keine entsprechende Verpflichtung, tätig zu werden. Dies wird zwar soweit ersichtlich auch nicht bestritten, stets aber nur (als selbstverständlich) vorausgesetzt und nicht begründet. Der Wortlaut der Vorschriften des notariellen Berufsrechtes (insb. der §§ 15 Abs. 1, 10a Abs. 2, 20 Abs. 1 S. 2 BNotO) ist insoweit unergiebig; eine Einschränkung des Personenkreises, dem gegenüber die Verpflichtung zur Amtstätigkeit besteht, lässt sich diesen Vorschriften nicht unmittelbar entnehmen. Diese Einschränkung ergibt sich aber im Wege der teleologischen Reduktion aus Sinn und Zweck der Verpflichtung aus § 15 Abs. 1 BNotO. Der Rechtssuchende soll überall dort Unterstützung durch einen Notar erhalten, wo das Gesetz es materiell-rechtlich von ihm verlangt bzw. entsprechende Formvorgaben existieren. Spiegelbildlich soll der Notar aber zugleich vor darüberhinausgehenden Verpflichtungen geschützt werden, um seine Einsatzbereitschaft nicht zu beeinträchtigen. Die Amtsgewährungspflicht besteht im Zusammenhang mit der Erstellung von Vermögensverzeichnissen also nur in dem Umfang, in dem das materielle Recht den Auftraggeber entsprechend verpflichtet (z.B. §§ 1035, 2121, 2215 BGB und vor allem § 2314 BGB) oder ausschließlich eigenes Vermögen des Auftraggebers betroffen ist (vgl. § 1377 BGB). Hinzu kommt als materiell-rechtliches Argument, dass die Entscheidungshoheit des Erben nicht unterlaufen werden darf, ein erstelltes Verzeichnis durch Vorlage an den Pflichtteilsberechtigten auch zu verwenden o...

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