In Zeiten von Corona ... wie oft mussten wir in den letzten Monaten schon Sätze hören, die mit diesen Worten begonnen haben?! Aber so leidig das Thema auch ist, "es nützt ja nix" – um mal mit einem zweiten, noch viel älteren Spruch zu kontern. Es ist so, wie es ist (oder wie es in meiner Geburtsstadt Köln heißt: "Et kütt wie et kütt"), und da müssen wir jetzt alle gemeinsam durch. Keine Angst, ich habe nicht vor, diese Kolumne allein mit Sinnsprüchen und Allgemeinplätzen zu bestreiten. Aber in jeder noch so alten Weisheit steckt häufig ein wahrer Kern. Wir leben nun einmal in Zeiten einer weltweiten Pandemie, die alle Menschen vor große Herausforderungen stellt. Wie in jeder Krise gibt es auch aktuell Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern gehören unzweifelhaft Softwarehersteller, die Tools für Videokonferenzen, Online-Meetings etc. im Angebot haben. Alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, nimmt deutlich an Fahrt auf.

Wer diesem Thema bislang skeptisch gegenüberstand, der dürfte spätestens seit dem deutschen Lockdown erkannt haben, dass er kaum eine andere Möglichkeit hat, auf die aktuelle Situation adäquat zu reagieren. Im Unterschied zu den Zeiten der Spanischen Grippe (1918–1920) haben wir rund 100 Jahre später allerdings den’Vorteil, dass wir mithilfe moderner Technologie viele Dinge vielleicht nicht 1:1 ersetzen, aber zumindest ganz gut kompensieren können. Auf einmal sind solche Dinge wie Homeoffice, mobiles Arbeiten oder Telearbeit nicht nur eine Option, die man ausnahmsweise dem einen oder anderen Mitarbeiter zugesteht, sondern ein tragfähiges Konzept. Frei nach dem Motto: "In der Krise eine Chance sehen" versuchen gerade viele, das Beste aus der Situation zu machen. Das klappt natürlich nicht in allen Branchen und Berufen gleichermaßen, denn beispielsweise das produzierende Gewerbe hat kaum die Möglichkeit, die Waren in Heimarbeit herstellen zu lassen. Aber zumindest die allermeisten Bürojobs lassen sich ganz gut per Laptop und Internetzugang von anderen Räumlichkeiten als dem angestammten Büro aus erledigen – und sei es auch nur vorübergehend.

Auch die Anwaltschaft, die klassischerweise vormittags bei Gericht und nachmittags in Besprechungen (also eigentlich nie erreichbar) ist, war gezwungen, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Dank moderner Spracherkennung, digitaler Diktiergeräte, Anwaltssoftware in der Cloud und anderer Tools lässt sich ein Großteil anwaltlicher Tätigkeit auch von zu Hause oder von unterwegs aus erledigen. Und auch für die Verhandlung vor Gericht gibt es bereits Werkzeuge, die für eine solche Situation wie geschaffen’erscheinen. Hand aufs Herz: Wer kannte die Vorschrift des § 128a ZPO schon vor Corona? Ich muss gestehen, ich kannte sie bis vor Kurzem nicht. Das mag an meiner persönlichen Arbeitsweise liegen, die es mir erlaubt, nur vergleichsweise selten gerichtlich tätig zu werden. Aber dem Vernehmen nach gab (oder gibt?) es auch den einen oder anderen Kollegen, dem diese immerhin schon seit Ende 2013 (!) im Gesetz verankerte Norm noch nicht bekannt war. Irgendwann habe ich aber mit Verwunderung und Freude gleichermaßen zur Kenntnis genommen, dass § 128a Abs. 2 S. 1, 2 ZPO Folgendes regelt: "Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen."

Man sieht also: Die Digitalisierung macht auch vor der Justiz nicht Halt. Und wenn der Anwaltschaft jetzt noch ein zuverlässig funktionierendes elektronisches Postfach zur Verfügung stehen würde ... man denke nur einmal an die vielen technischen Möglichkeiten! Aber ich will hier kein "beA-Bashing" betreiben, es hat mitunter ja auch seine guten Eigenschaften und vielleicht entwickelt es sich unter dem neuen Dienstleister ja sogar zu einem benutzerfreundlichen Hilfsmittel. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt. Aber im Ernst: Je mehr eine Kanzlei auf das Arbeiten mit digitalen Dokumenten setzt, je besser der digitale Workflow funktioniert, desto besser lassen sich auch die Herausforderungen von heute und morgen meistern. Und das gilt nicht nur für Corona.

Es muss übrigens nicht immer der "ganz große Wurf" sein, wenn man einen Schritt weiter in Richtung Digitalisierung vorangehen will. Bisweilen machen auch schon kleine Dinge einen Unterschied. Beispielsweise kann ein vernünftiger Dokumentenscanner maßgeblich dazu beitragen, den tagtäglichen Papierwust in ordentlich abgelegte, verschlagwortete und durchsuchbare Dokumente zu verwandeln. Mein Tipp (aus eigenen, leidvollen Erfahrungen): Sparen Sie hier nicht am falschen Ende, investieren Sie in vernünftige Hilfsmittel, sonst wird der Weg zur Digitalisierung sehr steinig. Allerdings ist der Schritt, den regelmäßigen Posteingang in Dateien umzuwandeln, nur einer von mehreren. Neben der reibungslosen Überführung der verschiedenen Eingänge (Faxe, Scans, E-Mails, beA-Nachrichten) in die Anw...

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