Leitsatz

Der Versicherer hat sich die Kenntnis eines Angestellten oder Vermittlungsagenten, die dieser in Ausübung der Stellvertretung bei der Entgegennahme des Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags erlangt, zurechnen zu lassen (so genannte Auge-und-Ohr-Rechtsprechung).

Es bleibt offen, ob in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung des BGH in Ausnahmefällen auch das Wissen eines Maklers dem Versicherer zuzurechnen ist. Eine solche Ausnahme käme jedenfalls nur dann in Betracht, wenn Tatsachen vorliegen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine Wissenszurechnung rechtfertigen können.

 

Normenkette

§ 44 VVG

 

Sachverhalt

Der Kl. war Konkursverwalter über das Vermögen der S. GmbH, die ihre Geschäftsräume in dem in ihrem Eigentum stehenden Gebäude in R. hatte. Die Gemeinschuldnerin betrieb ein Immobilienbüro und Vermögensverwaltung. Der Kl. führte den Geschäftsbetrieb nach Konkurseröffnung nicht weiter, sondern war mit der Abwicklung des Unternehmens befasst. Am 19.11.1996 beantragte er für die S. GmbH, vertreten durch ihn - ohne Hinweis auf seine Konkursverwalterstellung -, für das Risiko Einbruchdiebstahl bei der Bekl. den Abschluss einer Geschäftsversicherung. Der Vertrag wurde durch die Fa. B. Assekuranzmakler, die seinerzeit ihre Geschäftsräume im Obergeschoss des Gebäudes der Gemeinschuldnerin hatte, vermittelt. Der Mitinhaber des Maklerunternehmens, der Zeuge W., unterzeichnete den Antrag als Vermittler und leitete ihn an die Bekl. weiter. Auf dem am 16.12.1996 ausgestellten Versicherungsschein war darauf hingewiesen, dass die Fa. B. den Vertrag betreue.

Der Kl. verlangte mit der Klage aus einem behaupteten Einbruchdiebstahl Entschädigung für entwendete Gegenstände in Höhe von rd. 74.000 DM nebst Zinsen. Die Bekl. bestritt den Einbruchdiebstahl und berief sich im Übrigen auf die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten. Sie vertrat die Ansicht, der Kl. hätte als gefahrerheblichen Umstand angeben müssen, dass die S. GmbH in Konkurs geraten und der Geschäftsbetrieb eingestellt sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (BG) hat die Bekl. unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung von 60.100 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Revision der Bekl. hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

 

Entscheidung

  1. Das BG hatte die Tatsache für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls als vom Kl. bewiesen angesehen. Die Ausführungen des BG dazu enthalten nach der Entscheidung des BGH keine Rechtsfehler und würden von der Revision auch nicht aufgegriffen. Ebenso seien die Ausführungen des BG rechtsfehlerfrei, die sich mit der Feststellung befassten, die entwendeten Gegenstände würden von der Geschäftsversicherung umfasst.
  2. Die Revision wende sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des BG, das Wissen des Zeugen W. über etwa gefahrerhebliche Umstände bei Vertragsabschluss sei hier dem Versicherer zuzurechnen, auch wenn es sich bei der Fa. B. um einen Makler handele.

    1. Das BG habe - so der BGH - dahinstehen lassen, ob der Kl. als gefahrerheblich im Antrag hätte angeben müssen, dass er als Konkursverwalter handele und dass der Betrieb der Gemeinschuldnerin eingestellt war. Es habe die Auffassung vertreten, die Bekl. sei schon deshalb nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten, weil der Zeuge W. diese Umstände kannte. Der Zeuge sei zwar nicht Agent der Bekl. Er betreibe vielmehr zusammen mit seinem Partner ein selbstständiges Maklerbüro. Dennoch stehe sein Wissen hier dem Agenten der Bekl. gleich. Deshalb sei sein Wissen der Bekl. zuzurechnen (wird ausgeführt).
    2. Hierzu führte der BGH aus, nach der Rechtsprechung des BGH habe sich der Versicherer die Kenntnis eines Angestellten oder Vermittlungsagenten, die dieser in Ausübung der Stellvertretung bei der Entgegennahme des Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags erlangt, zurechnen zu lassen (so genannte Auge-und-Ohr-Rechtsprechung, BGHZ 102, 194 = VersR 88, 234, und ständig). Nach den Feststellungen des BG sei der Zeuge W. aber weder Angestellter noch Vermittlungsagent der Bekl. gewesen. Vielmehr habe er zusammen mit einem Partner unter der Fa. "B. Assekuranzmakler" ein selbstständiges Maklerbüro betrieben. Damit seien die Grundsätze zur Wissenszurechnung, wie sie sich aus der oben genannten Rechtsprechung des BGH ergäben, auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden.
    3. Für die Entscheidung des vorliegenden Falls könne offen bleiben, ob in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung des BGH in Ausnahmefällen auch das Wissen eines Maklers dem Versicherer zuzurechnen sei. Eine solche Annahme würde jedenfalls nur in Betracht kommen, wenn Tatsachen vorlägen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit eine Wissenszurechnung rechtfertigen könnten. Solche Tatsachen lägen auch nach den Feststellungen des BG nicht vor.

Das BG stelle bei seiner Beurteilung, der Zeuge W. sei in die Vertriebsorganisation der Bekl. eingebunden gewesen, darauf ab, dass die Bekl. dem Zeugen Antragsformulare zur Verfügung gestellt habe. Diese Tatsache - so der BGH - sei indessen kein ausr...

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