Rz. 50

Um die eheliche Gemeinschaft, die Persönlichkeit des einzelnen Ehegatten und das Kindswohl beim Auftreten von Paar- und Familienkonflikten zu schützen, gewährleistet das ZGB in Art. 171 ff. den Zugang zu Beratungsstellen und die Anrufung des Gerichts. Diese sog. Eheschutzmaßnahmen zielen nach der Intention des Gesetzgebers auf Aussöhnung und wollen bestehende Schwierigkeiten beheben bzw. künftige vermeiden.[85] In der Praxis dient ein Eheschutzverfahren aber häufig der Vorbereitung der Scheidung.

 

Rz. 51

Voraussetzung für das Tätigwerden des Eheschutzrichters ist der Antrag eines oder beider Ehegatten sowie die Nichterfüllung familiärer Pflichten oder die Uneinigkeit der Ehegatten in einer für die eheliche Gemeinschaft wichtigen Angelegenheit (Art. 172 Abs. 1 ZGB). Dem Zweck des Eheschutzes entsprechend werden Eheschutzmaßnahmen in einem flexiblen und schnellen summarischen Verfahren angeordnet (vgl. Art. 271 ff. ZPO).[86] Der Eheschutzrichter kann die Ehegatten ermahnen, zwischen ihnen vermitteln und mit ihrem Einverständnis Sachverständige beiziehen oder sie an eine Beratungsstelle verweisen (Art. 172 Abs. 2 ZGB). Bleiben diese nicht autoritativen Maßnahmen ohne Ergebnis oder erweisen sie sich von vornherein als ungeeignet, trifft der Eheschutzrichter im Rahmen der gestellten Anträge[87] die vom Gesetz abschließend vorgesehenen, autoritativen Maßnahmen (Art. 172 Abs. 3 S. 1 ZGB), wobei die Bestimmung des Art. 28b ZGB über den Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen sinngemäß anwendbar ist (Art. 172 Abs. 3 S. 2 ZGB).

 

Rz. 52

Autoritative Eheschutzmaßnahmen sind insbesondere in Art. 173178 ZGB verankert und sehen Folgendes vor:

Festsetzung von Geldleistungen während des Zusammenlebens (Art. 173 ZGB);
Entzug der Vertretungsbefugnis eines Ehegatten (Art. 174 ZGB);
Regelung des Getrenntlebens bei begründeter Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Art. 175 f. ZGB);
Anweisungen an die Schuldner eines Ehegatten (Art. 177 ZGB); und
Beschränkung der Verfügungsbefugnis eines Ehegatten (Art. 178 ZGB).
 

Rz. 53

Das Gesetz statuiert aber auch etwa in Art. 166 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB (Ermächtigung eines Ehegatten zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft), Art. 169 Abs. 2 ZGB (Ermächtigung eines Ehegatten, über die Familienwohnung zu verfügen) und Art. 170 ZGB (Verpflichtung eines Ehegatten oder Dritter zur Auskunftserteilung gegenüber dem anderen Ehegatten) richterliche Eheschutzmaßnahmen.

[85] BGE 116 II, 21, 28.
[86] Bähler in: Spühler/Tenchio/Infanger, Basler Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 271 ZPO Rn 1 ff.
[87] Wird der gemeinsame Haushalt aufgehoben (Art. 175 f. ZGB) und sind davon minderjährige Kinder betroffen, trifft das Eheschutzgericht von Amtes wegen die erforderlichen Maßnahmen (Art. 176 Abs. 3 ZGB). Insofern entfällt die Bindung an die Anträge des/der Ehegatten. Vgl. Schwander in: Geiser/Fountoulakis, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1456 ZGB, Art. 176 ZGB Rn 11.

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