Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis für fingierten Unfall

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beweis für einen fingierten Unfall ist geführt, wenn sich der "Unfall" als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können.

 

Normenkette

VVG § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 16.03.2006; Aktenzeichen 2 O 287/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Offenburg vom 16.3.2006 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist nicht zum Ersatz des Kaskoschadens verpflichtet. Zum einen hat der Kläger den Schaden nach Überzeugung des Senats vorsätzlich herbeigeführt, § 61 VVG (1.). Zum anderen ist die Beklagte wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gem. § 7 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 3, Abs. 5 Ziff. 1 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei (2.).

1. Wendet der Kaskoversicherer ein, der geschädigte Versicherungsnehmer habe den Unfall, aus dem Versicherungsleistungen gefordert werden, fingiert, so trägt er die volle Beweislast dafür, dass der Unfall auf einer mit der Einwilligung zur Beschädigung verbundenen Absprache der Beteiligten oder einer Provokation des Geschädigten beruht. Allerdings setzt die Überzeugungsbildung des Gerichts keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus; vielmehr kann eine Häufung von Beweisanzeichen, die auf eine Manipulation hindeuten, ausreichen (vgl. nur OLG Karlsruhe, VersR 1988, 1287; OLG Koblenz, NJW-RR 2006, 95; OLG Köln, VersR 1999, 121; RuS 1990, 414; OLG Frankfurt, VersR 1988, 275; BGH, VersR 1978, 862). Als Indiz geeignet ist in diesem Zusammenhang ein Umstand, für den es bei Annahme eines echten Unfalls entweder keine Erklärung gibt oder wenn er bei einem gestellten Unfall signifikant häufiger vorkommt als bei einem echten (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 37 Rz. 38). Es kommt nicht darauf an, ob in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, bei denen aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (vgl. OLG Koblenz a.a.O m.w.N.).

Diese Maßgaben hat das LG bei seiner Beweiswürdigung verkannt. Denn es hat sich darauf beschränkt, die beklagtenseits vorgetragenen, unstreitigen Indizien zusammenhanglos zu würdigen. Demgegenüber führt eine Gesamtwürdigung des streitgegenständlichen Unfalls sowie der Vorgeschichte des Klägers zu dem Ergebnis, dass der Kläger den Unfall fingiert hat.

a) Bereits der streitgegenständliche Auffahrunfall vom 16.11.2004 weist eine Reihe von Merkmalen auf, die zur Annahme eines manipulierten Unfalls passen. So handelte es sich bei beiden Unfallfahrzeugen um hochklassige Personenkraftwagen - einen Mercedes-Benz E 200 und einen BMW 530 D Touring - und beide Unfallbeteiligte rechneten ihren Schaden auf Gutachtenbasis fiktiv ab. Der Kläger veräußerte seinen Wagen kurz nach dem Unfall unrepariert weiter; einen vorhandenen Vorschaden hatte er der Beklagten zuvor in der Schadensmeldung vom 3.12.2004 verschwiegen (vgl. zu Indizwirkung dieser Merkmale OLG Koblenz a.a.O. m.w.N.). Des Weiteren meldeten beide Unfallbeteiligte der Beklagten nach dem Unfall übereinstimmend, es sei "aus Unachtsamkeit" des Klägers zum Auffahrunfall gekommen (vgl. Anlage B 1). Der Unfallgegner T. ließ sich anschließend zunächst von einem Anwalt vertreten, der zuvor in mehreren Haftpflichtprozessen für den Kläger aufgetreten war; auch legte er das Gutachten eines Sachverständigen vor, der in der Vergangenheit mehrfach Unfallschadensgutachten für den Kläger oder dessen Unfallgegner erstellt hatte. Die polizeiliche Aufnahme des Unfalls spricht entgegen der Auffassung des Erstrichters ebenso wenig gegen eine Manipulation wie die Tatsache, dass sich der Unfall während des Berufsverkehrs auf einer stark befahrenen Straße abspielte. Beide Umstände können ebenso gut - als bewusst inszeniert - zulasten des Klägers wie zu seinen Gunsten bewertet werden.

b) Allerdings reichen die vorstehenden Indizien für sich allein noch nicht zum Nachweis eines gestellten Unfalls aus. Es kommt jedoch hinzu, dass der Kläger in der Vergangenheit auffallend häufig in Zusammenhang mit Schadensfällen an einer Reihe von Fahrzeugen Versicherungsleistungen in Anspruch genommen hat. Insbesondere war er in den Jahren 1999, 2000 und 2003 an weiteren Unfällen beteiligt, die signifikante Gemeinsamkeiten untereinander und mit dem jetz...

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