Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB-Kontrolle Gratifikation. Freiwilligkeitsvorbehalt. Zulässigkeit der Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der AGB – Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB eines vertraglich vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehaltes genügt es für die Zulässigkeit der Berufung im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO, dass sich der Berufungskläger mit dem aus seiner Sicht maßgeblichen Argument, das für einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt spricht, auseinandersetzt. Es muss nicht alle Argumente der erstinstanzlichen Entscheidung, die gegen einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt sprechen, angreifen.

Wird die Zahlung eines Weihnachtsgeldes gestaffelt in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit gewährt und im Arbeitsvertrag im Kontext mit anderen Rechtsansprüchen aufgelistet, entsteht der Eindruck eines Rechtsanspruches auf das Weihnachtsgeld und ein nachfolgender Freiwilligkeitsvorbehalt ist dazu widersprüchlich und nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

 

Normenkette

BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 30.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 104/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.02.2013; Aktenzeichen 10 AZR 177/12)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 30.08.2011, Az. 2 Ca 104/11 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung darüber, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes hat oder ob es sich dabei um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.08.2004 beschäftigt. Er verdient seit dem Jahr 2009 monatlich 2.450,00 EUR brutto.

Unter § 5 des von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten und gestellten Arbeitsvertrags der Parteien vom 29./31.07.2004 (Anlage B1, AS 31 ff) heißt es:

§ 5 Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

… (Abs. 1 bis Abs. 4 befasst sich mit dem Urlaubsanspruch)

Abs. 5:

„Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt.

  • Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 EUR pro Urlaubstag.
  • Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40% eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10% bis zu 100% eines Monatsgehaltes.
  • Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 EUR pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.”

In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger jeweils Weihnachtsgeld in der im Vertrag angegebenen Höhe mit der Vergütungsabrechnung für den Monat November. Anlässlich der Zahlung erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem die Höhe der Zahlung erläutert wird (AS 37 ff). Es heißt dort weiter:

„Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann. (…)

Wird das Arbeitsverhältnis durch Sie gekündigt oder erfolgt die Kündigung durch uns aus Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, oder aber endet das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertragsbruch, so ist die Zuwendung zurückzuzahlen, wenn sie mehr als EUR 100,00 beträgt und das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des Folgejahres beendet wird. Die Zahlung gilt insoweit als Vorschuss und kann bei der Endabrechnung verrechnet werden.

Durch die Entgegennahme der Zuwendung wird das Einverständnis mit den vorstehenden Bedingungen bekundet.”

Im Jahr 2009 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht bezahlt werden könne.

Im Dezember 2010 erhielt der Kläger ebenso wie andere Kollegen von der Beklagten folgendes Schreiben (AS 4):

„Sehr geehrter Herr K.,

der Vorstand der N. AG hat auf der Vorstandssitzung vom 20. Dezember 2010 beschlossen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Weihnachtsgeldanspruch der H.-Gruppe eine Sonderzahlung zukommen zu lassen.

Diese Sonderzahlung soll die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen und ist eine einmalige freiwillige Leistung, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht.

Die Sonderzahlung erfolgt unter bestimmten Vorgaben der N. AG:

  1. Beschäftigungsgrad
  2. Gesamtfehltage des Jahres 2010

Wir freuen uns Ihnen hiermit einen Betrag in Höhe von 880,00 EURO mit der Dezemberabrechnung auszahlen zu können. …”

Dementsprechend zahlte die Beklagte 880,00 EUR.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 in Höhe von 90 % (= 2.205,00 EUR) bzw. 100 % (= 2.450,00 EUR) der Monatsvergütung geltend.

Vor dem Arbeitsgereicht hat er vorgetragen, der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise

formuliert werden, sei es widersprüchlich, diese zugleich an ei...

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