Leitsatz

Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilten Frage auseinandergesetzt, ob in Fällen konkreter Bedarfsberechnung der Abzug eines Erwerbstätigenbonus aufseiten des Unterhaltsberechtigten zulässig ist.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Jahre 1982 geheiratet und lebten seit August 2003 getrennt. Aus ihrer Ehe waren zwei in den Jahren 1985 und 1987 geborene Kinder hervorgegangen. Das Verbundurteil hinsichtlich des Scheidungsausspruchs war seit dem 23.8.2008 rechtskräftig.

Der Antragsteller war Laborarzt in einer Gemeinschaftspraxis. Die Antragsgegnerin war ausgebildete medizinisch-technische Assistentin und in der Praxis des Antragstellers angestellt. Tatsächlich arbeitete sie dort nicht, bezog jedoch ein Nettoeinkommen von ca. 1.000,00 EUR monatlich.

Die Antragsgegnerin machte nachehelichen Unterhalt geltend und berechnete ihren Bedarf konkret. Der Antragsteller hat seine Leistungsfähigkeit nicht in Frage gestellt, die Höhe des Bedarfs jedoch bestritten und eine Unterhaltsbegrenzung geltend gemacht.

Erstinstanzlich wurde der Antragsteller zur Zahlung von Elementarunterhalt und Altersvorsorgeunterhalt verurteilt und der Unterhalt bis zum 31.08.2013 befristet.

Das OLG hat den Elementarunterhalt sowie den Altersvorsorgeunterhalt herabgesetzt und den Unterhalt für die Folgezeit bis September 2018 stufenweise herabgesetzt und schließlich befristet bis zum 31.8.2023.

Hiergegen richtete sich die Revision des Antragstellers, der eine Befristung des Unterhalts bis zum 31.8.2018 begehrte.

Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Entscheidung

Der BGH vertrat die Auffassung, das OLG habe den Anspruch der Antragsgegnerin zu Unrecht in vollem Umfang auf § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) gestützt. Tatsächlich beruhe der Anspruch zum Teil auf § 1573 Abs. 1 BGB (Erwerbslosigkeit), da die Antragsgegnerin nur über eine geringfügige Beschäftigung einen beruflichen Wiedereinstieg erreichen könne. Im Übrigen habe sie keine Erwerbsobliegenheit.

Einer exakten Festlegung der auf die Anspruchsgrundlagen entfallende Anteile des Unterhalts bedürfe es im vorliegenden Verfahren allerdings nicht. Für ein eventuelles späteres Abänderungsverfahren genüge die Klarstellung, dass der Unterhaltsanspruch zum entsprechenden Teil auf § 1573 Abs. 1 BGB beruhe. Damit sei gleichzeitig im Hinblick auf § 1573 Abs. 4 BGB ausreichend verdeutlicht, dass es sich bei dem Scheinarbeitsverhältnis nicht um eine (nachhaltige angemessene) Erwerbstätigkeit handele, die den Antragsteller im Hinblick auf das künftige Arbeitsplatzrisiko teilweise entlasten könnte.

Bei der konkreten Bedarfsberechnung müsse die Qualifikation der Zahlungen des Antragstellers an die Antragsgegnerin aus dem Scheinarbeitsverhältnis nicht geklärt werden, da unabhängig von seiner Beurteilung eine Anrechnung auf den konkreten Bedarf erfolgen müsse.

Anders als in seiner bisherigen Rechtsprechung (BGH v. 11.9.2010 - XII ZR 102/09 in FamRB 2010, 328 ff.) hielt der BGH den Abzug eines Erwerbstätigenbonus aufseiten der unterhaltsberechtigten Ehefrau im Rahmen der konkreten Bedarfsberechnung für nicht angebracht. Der Abzug eines Erwerbsanreizes komme schon deshalb nicht in Betracht, weil aufgrund des Scheinarbeitsverhältnisses eine Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt werde. Aber auch unabhängig davon, ob eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde oder - wie im vorliegenden Fall - ausgeübt werden müsste, sei der Abzug eines Erwerbsanreizes nicht angezeigt. Anders als nach der Bedarfsbemessung nach Quoten, bei der auf beiden Seiten ein Erwerbsanreiz abgezogen werde, sei dergleichen bei der konkreten Unterhaltsbemessung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf die unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung bedürfe es grundsätzlich keiner besonderen Vergünstigung, um den Unterhaltsberechtigten zur Deckung seines Lebensbedarfs durch eigene Erwerbstätigkeit zu motivieren.

Zur isolierten Erfassung eines nicht bezifferbaren und nicht durch den Werbungskostenabzug abgedeckten berufsbedingten Mehrbedarfs bestehe jedenfalls bei einer konkreten Bedarfsbemessung, die auf weitgehend pauschalen Schätzungen beruhe und dem Unterhaltsberechtigten nicht unbeträchtliche Spielräume eröffne, regelmäßig keine Veranlassung.

 

Hinweis

Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung bezüglich der Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus bei Einkünften des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der konkreten Bedarfsberechnung geändert.

Während er früher einen Erwerbstätigenbonus abgesetzt hat, geht er in dieser Entscheidung nunmehr davon aus, dass das Einkommen des Unterhaltsberechtigten auch dann, wenn es aus Erwerbstätigkeit stamme, in voller Höhe anzurechnen sei.

Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als bei Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus aufseiten des Unterhaltsberechtigten ihm letztendlich mehr zur Verfügung stehen würde, als er na...

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