Immer wieder erschüttern schlimme Einzelfälle von schwerem sexuellen Missbrauch die Öffentlichkeit, wie jüngst im südbadischen Staufen, Breisgau-Hochschwarzwald.[1] Ein neun Jahre alter Junge wurde von seiner leiblichen Mutter und ihrem Partner, einem verurteilten Sexualstraftäter, vergewaltigt und weiteren Männern zur sexuellen Ausbeutung angeboten. Die Empörung ist groß – wie meist nach solchen Kinderschutzskandalen: Wie konnte so etwas passieren, obwohl ein Kontaktverbot mit dem Stiefvater gerichtlich ausgesprochen wurde? Wie konnte es dazu kommen, dass das betroffene Kind im familiengerichtlichen Verfahren nie angehört wurde? Eine staatsanwaltschaftliche Vernehmung hatte es gegeben und auch mit der Kriminalpolizei hatte der Junge gesprochen, er war also vernehmungsfähig. Wie konnte ein Familiengericht eine Inobhutnahme, die das Jugendamt zum Schutz des Kindes vorgenommen hatte, rückgängig machen und das Kind zurück in diese Situation bringen, allein im Vertrauen auf die Kooperationsbereitschaft der Kindesmutter? Wie konnte ein Oberlandesgericht auf die Beschwerde der Mutter hin auch noch Therapie- und Hilfeauflagen des Familiengerichts aufheben? Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs äußerte dazu:

Zitat

"Der Fall zeigt, dass das Kindeswohl auch bei Kenntnis einer grundsätzlichen Gefährdungslage und Einbeziehung von Jugendamt und Familiengericht nicht immer gut geschützt ist. Hier ist das Kindeswohl auf eine Weise unter die Räder gekommen, wie man es sich schlimmer kaum vorstellen kann."

Unter anderem leitet er daraus eine schon länger vorgetragene Forderung zur verpflichtenden Richterfortbildung[2] ab, stellt zugleich einen konkreten Vorschlag für eine gesetzliche Formulierung vor und betont, "dass Qualitätsverbesserungen in der Begutachtung durch Sachverständige nur dann ausreichend Wirkung zeigen können, wenn auch die Qualifikationsanforderungen an die Familienrichterinnen und -richter erhöht werden".[3]

Bislang haben drei Bundesländer gesetzliche Fortbildungsverpflichtungen für Richterinnen und Richter in ihre Landesrichtergesetze aufgenommen. Baden-Württemberg,[4] Nordrhein-Westfalen[5] und Sachsen-Anhalt.[6] Hierbei handelt es sich jedoch um generelle Verpflichtungen zur Fortbildung für alle Richterinnen und Richter – "Die Richter sind verpflichtet, sich fortzubilden." (§ 8a LRiStaG) – ohne weitere Konkretisierung in Bezug auf z.B. Inhalt, Regelmäßigkeit oder Konsequenzen bei Nichtwahrnehmung.

In einer Anfrage aus Januar 2018 machte die SPD-Fraktion des Landtages Baden-Württemberg[7] so auch die Richterfortbildung in Bezug auf Missbrauch von und Gewalt an Kindern und Jugendlichen zum Thema. Es wurde u.a. nach dem Umfang angebotener Fortbildungen für Familienrichterinnen und Familienrichter im Hinblick auf das Thema Missbrauch von und Gewalt an Kindern und Jugendlichen gefragt und wie oft diese Angebote angenommen werden, ob und welche Fortbildungsangebote für Familienrichterinnen und Familienrichter im Hinblick auf diese spezielle Thematik verpflichtend sind bzw. mit welcher Begründung es sich dabei lediglich um freiwillig wahrzunehmende Fortbildungsangebote handelt und welche Gründe ggf. dagegen sprechen, solche Fortbildungen verpflichtend einzuführen. Begründet wurde die parlamentarische Anfrage u.a. mit dem Vorschlag der damaligen Bundesfamilienministerin und heutigen Justizministerin Dr. Katarina Barley, im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall im Breisgau-Hochschwarzwald verpflichtende Fortbildungen für Richterinnen und Richter einzuführen, die sich konkret auf das Thema Missbrauch von und Gewalt an Kindern und Jugendlichen beziehen. Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf hat diesen Vorschlag mit Bezug auf die gesetzlichen Regelungen in Baden-Württemberg abgelehnt und betont, im Land würden schon jetzt regelmäßig entsprechende Fortbildungsprogramme angeboten. In seiner Antwort an die Landtagspräsidentin vom 19.2.2018 verweist der Landesjustizminister Wolf darauf, dass das Justizministerium zahlreiche zentrale Fortbildungsveranstaltungen für Familienrichterinnen und Familienrichter anbiete, die auch das Thema des Missbrauchs von und der Gewalt an Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand haben. Es gebe z.B. Einführungstage für Dezernatswechsler oder Dezernatsanfänger im Familienrecht. Es wird auf gemeinsame Veranstaltungen mit dem Sozialministerium wie die Kinderschutztage und die Fortbildungen zum Thema Elternkonsens verwiesen und auch die generellen Angebote der Deutschen Richterakademie werden u.a. aufgeführt. Auf die konkrete Frage nach der Teilnahme erfährt man, dass die Veranstaltungen von Familienrichterinnen und Familienrichtern "rege besucht und von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern positiv bewertet" würden. Als Grund dafür, dass keine inhaltlichen Vorgaben für die Richterfortbildung gemacht werden, wird angeführt, dass der Landtag von Baden-Württemberg sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2013 bewusst gegen eine konkrete inhaltliche,...

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