BGB § 1606 Abs. 3 § 1610 § 1612 § 1612a § 1612b Abs. 1

Leitsatz

a) Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 236).

b) Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.

c) Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem – nur zwischen den Eltern bestehenden – familienrechtlichen Ausgleichsanspruch.

d) Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 45/15, FamRZ 2016, 1053).

BGH, Beschl. v. 17.1.2017 – XII ZB 565/15 (OLG Dresden, AG Grimma)

1 Gründe:

[1] I. Der Antragsgegner ist der Vater der im April 2001 und im Februar 2007 geborenen Antragsteller. Diese machen rückständigen und laufenden Kindesunterhalt für die Zeit ab September 2012 geltend.

[2] Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hatten, vereinbarten anlässlich ihrer Trennung für die Zeit ab August 2012 die Betreuung der Kinder im paritätischen Wechselmodell. Das Amtsgericht hat in einem anderen Verfahren die Entscheidungskompetenz zur Geltendmachung des Kindesunterhalts der Mutter übertragen, die die Antragsteller im vorliegenden Verfahren gesetzlich vertritt.

[3] Der Antragsgegner erzielt als leitender Angestellter ein monatliches Nettoeinkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit von 3.564,14 EUR und ist privat kranken- und pflegeversichert. Er wohnt im kreditfinanzierten Eigenheim.

[4] Die Mutter der Antragsteller ist als Optikermeisterin mit 30 Wochenstunden beschäftigt und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.211,82 EUR. Bis zur Trennung der Eltern übte sie zudem beim Arbeitgeber des Antragsgegners eine zusätzliche Geringverdienertätigkeit aus. Sie bezieht das Kindergeld für beide Antragsteller.

[5] Die Kindergartenbeiträge (bis 2013), Hortkosten, Beträge für Musikschule und Tanzkurse sowie Fahrtkosten für den Transport zum Kindergarten und zur Schule werden von den Eltern mit wechselnden Anteilen getragen.

[6] Die Beteiligten streiten über die Höhe der Unterhaltsbeteiligung des Antragsgegners. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner für die Zeit ab Juni 2015 zur Zahlung laufenden Unterhalts von jeweils monatlich 166 EUR für den Antragsteller zu 1 und 158 EUR für die Antragstellerin zu 2 sowie rückständigen Unterhalts verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht dessen Verpflichtung zu laufendem Unterhalt im Wesentlichen bestätigt und den rückständigen Unterhalt (für September 2012 bis Mai 2015) auf 1.633,50 EUR (Antragsteller zu 1) und 2.081,84 EUR (Antragstellerin zu 2) festgesetzt.

[7] Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit welcher er weiterhin die Abweisung der Unterhaltsanträge erstrebt.

[8] II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

[9] 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2016, 470 veröffentlicht ist, ist der Antragsgegner auch im Wechselmodell zum Kindesunterhalt verpflichtet und nicht nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB vom Unterhalt befreit. Die gesetzliche Regelung betreffe das sogenannte Residenzmodell und die damit verbundene herkömmliche Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Im Wechselmodell könne die Kinderbetreuung nicht zur (vollständigen) Befreiung von der Barunterhaltspflicht führen.

[10] Der Unterhaltsbedarf bemesse sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasse neben dem sich daraus ergebenden – erhöhten – Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells, so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liege als beim herkömmlichen Residenzmodell.

[11] Der Antragsgegner mache zu Recht geltend, dass nicht lediglich das Einkommen der Mutter aus einer Teilzeitstelle heranzuziehen sei. Allerdings sei der Mutter nach Vereinbarung des Wechselmodells im August 2012 eine Übergangszeit bis einschließlich Dezember 2012 zuzubilligen, um ihre Arbeitszeit auf die neue Situation einzustellen. Der Mutter sei zwar n...

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