Der Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde in Familiensachen durch § 26 Nr. 9 EGZPO a.F. wird maßgeblich damit begründet, einer Überlastung des Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegerichts entgegenzuwirken und eine Gleichbehandlung aller Familiensachen zu gewährleisten.[18] Beide Argumente werden indes nicht näher rechtstatsächlich oder rechtsystematisch untermauert. Gleichwohl ist die bestehende Regelung in § 70 FamFG und die damit verbundene Begrenzung auf eine Zulassungsbeschwerde in der Sache aus den Besonderheiten der familienrechtlichen Regelungsgegenstände einerseits sowie durch die spezifische Situation der Verfahrensbeteiligten in einer familiären Auseinandersetzung andererseits gerechtfertigt. Dabei kann es hier dahinstehen, ob die Ausgangsthese zutreffend ist, seitens der Oberlandesgerichte werde die Rechtsbeschwerde in zu geringem Umfang zugelassen.[19] Zweifel können hieran bereits mit Blick auf die Verfahren zum Versorgungsausgleich bestehen, für die in einer Vielzahl von Fallgestaltungen kontinuierlich Entscheidungen des BGH ergehen, die ebenfalls eine entsprechende Zulassung erfordern. Dieser Befund bestätigt sich in den vergangenen Jahren auch in Personenstandssachen, für die nach § 51 Abs. 1 PStG die Vorschriften des FamFG Anwendung finden. Schließlich hat der BGH die mit den familienrechtlichen Reformen verbundenen zentralen Fragestellungen in einem angemessenen Zeitraum einer Klärung zugeführt. Demgegenüber wird ein Bedürfnis für die Nichtzulassungsbeschwerde in Kindschaftsverfahren weitaus seltener im gerichtlichen Verfahren artikuliert, aber auch in den vorgenannten Stellungnahmen nicht formuliert.

Die Begrenzung der Rechtsmittel in Familiensachen bzw. der Ausschluss einer Nichtzulassungsbeschwerde ist durch die Charakteristika der familienrechtlichen Verfahrensgegenstände sachlich bedingt. Im Gegensatz zu den Verfahren in Zivilsachen, die überwiegend auf einen abgeschlossenen und in der Vergangenheit liegenden (statischen) Sachverhalt gerichtet sind, ist den Familiensachen ein dynamischer Verlauf immanent, der fortlaufenden Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen unterliegt. Dies gilt erkennbar nicht nur für Unterhaltsverfahren, die eine künftige Zahlungsverpflichtung betreffen, sondern noch in weit größerem Umfang für Kindschaftsverfahren, die mit Blick auf das Kindeswohl einer stets geänderten Beurteilung unterliegen können. Gerade für diese Verfahren wurde mit dem FamFG das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in § 155 FamFG eingeführt, um dem Zeitaspekt, insbesondere aus Sicht der betroffenen Kinder, im gerichtlichen Verfahren Geltung zu verschaffen. Klarheit über die Betreuungsverhältnisse und Entscheidungskompetenzen sind nicht nur in Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB für Eltern und Kinder von zentraler Bedeutung, sondern wirken sich in der stark zunehmenden Zahl von Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB in zweiter Instanz auf die Entwicklung betroffener Kinder aus, weil dort i.d.R. erst nach einer rechtskräftigen familiengerichtlichen Entscheidung der Übergang von einer Bereitschaftspflege zu einer dauerhaften Pflegefamilie erfolgt. Dass eine fortbestehende Unklarheit durch ein nicht abgeschlossenes Verfahren gerade für das Wohl der betroffenen Kinder mit erheblichen Nachteilen verbunden ist und zu einer faktischen Präjudizierung führt, bedarf keiner näheren Erklärung und wurde vielfach mit Blick auf deren Zeitempfinden betont.[20] Dieser tatsächlichen Notwendigkeit und gesetzlichen Vorgabe nach einer zeitnahen Entscheidung liefe eine Nichtzulassungsbeschwerde zuwider, weil der Abschluss des Verfahrens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung erheblich hinausgeschoben würde.

Eine solche streitige Entscheidung steht in zweiter Instanz in Familiensachen im Allgemeinen und in Kindschaftssachen im Besonderen nicht im Mittelpunkt. Vielmehr sind die Beschwerdesenate bemüht, in der mündlichen Verhandlung bzw. in der Anhörung der Beteiligten auf eine einvernehmliche Regelung der Beteiligten hinzuwirken, wie dies in den §§ 155, 156 FamFG ausdrücklich hervorgehoben ist. Die hohe Quote an Einigungen oder Vergleichen führt zu einer erhöhten Akzeptanz der gefundenen Regelungen. Zugleich verschafft sie den Beteiligten zeitnah Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Einvernehmliche Regelungen im Beschwerdeverfahren erzielen zu können, ist umso wichtiger, als gerade in Kindschaftssachen häufig besonders emotional und nicht selten verbittert um die eigene Position gekämpft wird.[21] Die hohe Einigungs- und Vergleichsquote wäre im Beschwerdeverfahren nicht mehr zu erzielen, wenn Ehegatten oder Eltern auf die Möglichkeit einer vermeintlich erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde spekulieren könnten.[22]

Auch die Interessen betroffener Elternteile in Kindschaftssachen, aber auch der Beteiligten in anderen Familiensachen zielen nicht notwendigerweise auf eine Nichtzulassungsbeschwerde. Vielmehr dürfte ihre Erwartung darauf gerichtet sein, dass die Beurteilung durch das OLG einer weiteren vollstän...

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