Die erbvertragliche Bindung kann auf verschiedene Weise gelöst werden. In Betracht kommen

  • die einvernehmliche Aufhebung des Erbvertrags,
  • das mit Zustimmung des Vertragspartners errichtete Aufhebungstestament,
  • die Aufhebung des Ehegattenerbvertrags durch gemeinschaftliches Testament,
  • die letztwillige Verfügung zur Umgehung des pflichtteilsberechtigten Vertragspartners gem. § 2289 Abs. 2 BGB,
  • der Rücktritt vom Erbvertrag aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsvorbehalts oder aufgrund gesetzlichen Rücktrittsrechts,
  • die einseitige Abänderung aufgrund vertraglichen Abänderungsvorbehalts,
  • die Ausschlagung des Zugedachten bei zweiseitigen Erbverträgen,
  • die Auflösung von Ehe, Lebenspartnerschaft oder Verlöbnis bei Erbverträgen unter Ehe- oder Lebenspartnern oder Verlobten,
  • die Anfechtung des Erbvertrags und
  • die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung.

4.1 Vertragliche Aufhebung

Ein Erbvertrag sowie eine einzelne vertragsmäßige Verfügung können einvernehmlich von den Parteien des Erbvertrags zu Lebzeiten aufgehoben werden (§ 2290 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt auch, soweit in dem Erbvertrag nicht der Vertragspartner, sondern ein Dritter vertragsmäßig bedacht ist. Auf die Mitwirkung des Bedachten kommt es nicht an, da dieser aus der vertragsmäßigen Zuwendung zu Lebzeiten des Erblassers keine Rechte herleiten kann.[1] Die Aufhebung kann im Übrigen konkludent erfolgen, also etwa durch Errichtung eines neuen formwirksamen Erbvertrages mit abweichendem Inhalt.[2] Dass zusammen mit den erbvertraglich bindenden Verfügungen auch etwaige einseitige Verfügungen vertraglich aufgehoben werden können, ergibt sich aus § 2299 Abs. 2 Satz 2 BGB.

[1] Der erbvertraglich bedachte Dritte kann aber in einem Zuwendungsverzichtsvertrag auf seine Rechte verzichten, vgl. § 2352 Satz 2 BGB; vgl. dazu Abschnitt 4.10 m. w. N.
[2] Vgl. Raff in Staudinger, BGB (2022), § 2290 Rn. 4.

4.1.1 Formerfordernis

Der Aufhebungsvertrag bedarf der im § 2276 BGB für den Erbvertrag vorgeschriebenen Form (§ 2290 Abs. 4 BGB). Aus § 2290 Abs. 4 BGB lässt sich folgern, dass der Aufhebungsvertrag nicht ohne weiteres Erbvertrag ist, denn sonst wäre diese gesonderte Formvorschrift überflüssig. Wenn die Aufhebung eines Erbvertrags nicht ausnahmsweise durch einen neuen Erbvertrag erfolgt, dann hat der Notar den Aufhebungsvertrag nicht als solchen zu behandeln, diesen also insbesondere nicht besonders amtlich zu verwahren. Wenn erbvertraglich vereinbarte Vermächtnisse oder Auflagen oder Erbverträge zwischen Ehegatten aufgehoben werden sollen, bedarf es nicht zwingend der öffentlichen Beurkundung, vielmehr genügt in den Fällen der Aufhebung vertraglicher Vermächtnisse und Auflagen die Aufhebung durch Testament des Erblassers, wenn der Vertragspartner seine notariell zu beurkundende Zustimmung erteilt (§ 2291 BGB). Im Fall des Ehegattenerbvertrags kann die Aufhebung durch gemeinschaftliches Testament der Ehegatten erfolgen (§ 2292 BGB).

4.1.2 Handlungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und Vertretung

Der Erblasser muss beim Abschluss des Aufhebungsvertrags handlungsfähig und geschäftsfähig sein und darf sich beim Vertragsschluss nicht vertreten lassen (§ 2290 Abs. 2 BGB), sondern muss den Vertrag persönlich schließen. Aus der gesetzlichen Regelung folgt im Umkehrschluss, dass der andere Vertragsteil, der nicht selbst Erblasser ist, sich vertreten lassen kann.[1] Auch der andere Vertragsteil muss handlungsfähig, aber darüber hinaus geschäftsfähig sein. Soweit die Aufhebung vom Aufgabenkreis seines/ihres Betreuers erfasst wird, ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich (§ 2290 Abs. 3 BGB).

[1] So auch Vgl. Raff in Staudinger, BGB (2022), § 2290 Rn. 18.

4.1.3 Die Wirkung des Aufhebungsvertrags

Wenn der gesamte Erbvertrag durch Vertrag aufgehoben wird, so tritt regelmäßig die einseitige Verfügung außer Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, § 2299 Abs. 3 BGB. Die Aufhebung kann auch lediglich einen Teil der erbvertraglichen Verfügungen erfassen oder die Beseitigung der vertraglichen Bindung zum Gegenstand haben, sodass die Verfügung teilweise bzw. als einseitige bestehen bleibt.[1] Es empfiehlt sich folglich eine unmissverständliche Regelung bezüglich der von den Parteien gewünschten Wirkung des Aufhebungsvertrags.

Die Urschrift des aufgehobenen Vertrages wird grundsätzlich zusammen mit dem Aufhebungsvertrag weiter bei dem Notar verwahrt. Die Rückgabe erfolgt, anders als nach § 2300 Abs. 2 BGB, nicht automatisch.

[1] Vgl. Raff in Staudinger, BGB (2022), § 2290 Rn. 26 ff.

4.1.4 Die Anfechtung des Aufhebungsvertrags

Der Aufhebungsvertrag kann wiederum angefochten werden. Diesbezüglich ist jedoch im Schrifttum umstritten, ob insofern nur die allgemeinen Anfechtungsvorschriften gelten oder auch die §§ 2281, 2078 f. BGB. Die Autoren unterscheiden danach, ob der Erblasser bzw. ein Erbinteressent oder der Vertragsgegner anficht, der nicht zugleich als Erblasser verfügt hat. Erstere sollen nach §§ 2281, 2078 f. BGB anfechten können, letztere nur nach § 119 BGB.[1] Wenn der Erblasser nur nach § 119 BGB anfechten könnte, so würde das Anfechtungsrecht des Erbinteressenten nach dessen Tod gem. §§ 2080, 2078 f. BGB wesentlich weiter reichen als das des...

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