Nach dem Tode eines Ehegatten ist hingegen die Testierfreiheit des Überlebenden zum Schutze des zuerst Versterbenden beschränkt (§ 2271 Abs. 2 BGB). Insoweit entfaltet das gemeinschaftliche Testament ähnliche Bindungswirkung wie ein Erbvertrag. Der Überlebende kann seine Verfügungen danach grundsätzlich nicht mehr widerrufen, es sei denn er schlägt das ihm vom Vorverstorbenen Zugewendete aus (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder es liegt eine schwere Verfehlung des vom Überlebenden Bedachten vor (§ 2271 Abs. 2 Satz 2, §§ 2294, 2336 BGB).

 

Formulierungsbeispiel

Bindungswirkung beim gemeinschaftlichen Testament

Sämtliche von uns vorstehend getroffene Verfügungen sind, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich.

Der Notar hat uns darüber belehrt, dass wir gemeinsam dieses Testament insgesamt aufheben oder auch in einzelnen Punkten ändern können und ein jeder von uns berechtigt ist, zu Lebzeiten des anderen einseitig seine letztwilligen Verfügungen zu widerrufen. Der Widerruf bedarf der notariellen Beurkundung und führt zur Unwirksamkeit des Testaments insgesamt. Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode desjenigen von uns, der zuerst verstirbt.

Die Bindungswirkung kann allerdings gegenständlich beschränkt werden, etwa auf die Vermögensbestandteile, die bis zum Tod des zuerst Versterbenden erworben werden, sowie auf deren Surrogate. Dazu muss anlässlich des Erbfalls und auch bei Austausch wesentlicher Vermögenswerte ein Vermögensverzeichnis errichtet bzw. aktualisiert werden.[1]

Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments gemäß Art. 390 ff. ZGB der DDR bleibt nach Art. 235 § 2 Satz 2 EGBGB bestehen.[2] Eheleute sind bis zum Widerruf bzw. bis zur Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments an ihre sämtlichen darin enthaltenen Verfügungen gebunden (§ 390 Abs. 1 Satz 1 ZGB-DDR). Dagegen war gem. § 390 Abs. 1 Satz 2 ZGB-DDR eine Ermächtigung möglich, aufgrund derer abweichende Verfügungen von Todes wegen getroffen werden konnten.[3] Anders als nach § 2077 BGB wird das gemeinschaftliche Testament nach ZGB-DDR erst mit Rechtskraft des Scheidungsurteils unwirksam, vgl. Art. 392 Abs. 3 ZGB-DDR. Der überlebende Ehegatte konnte seine Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tode des anderen Ehegatten gem. § 393 ZGB-DDR aufheben ohne ausschlagen zu müssen und damit die Erbenstellung nach dem zuerst Versterbenden zu verlieren[4]. Er musste dann jedoch das aus der Erbschaft Erlangte, soweit es seinen gesetzlichen Erbteil überstieg, an die im Testament genannten Erben oder deren Rechtsnachfolger herausgeben, sofern jene nicht auf die Herausgabe verzichteten. § 393 ZGB-DDR bleibt auf ein vor der Wiedervereinigung nach ZGB-DDR errichtetes gemeinschaftliches Testament weiterhin gemäß Art. 235 EGBGB § 2 Satz 2 anwendbar.[5]

Die Bindung kann zudem durch den Verzicht auf Anfechtung gem. §§ 2078, 2079 BGB gesichert werden. Der Vorausverzicht ist nach allgemeiner Ansicht[6] zulässig, was aus §§ 2078 Abs. 1, 2079 Satz 1 BGB abgeleitet wird. Wird der Anfechtungsverzicht für den gesamten Bereich der §§ 2078, 2079 BGB erklärt, so wird er einschränkend dahin ausgelegt, dass die Anfechtung nur wegen solcher Tatsachen ausgeschlossen sein soll, mit denen der Testierende vernünftigerweise rechnen konnte.[7]

 

Formulierungsbeispiel

Umfassender Selbstanfechtungsverzicht

Der Überlebende von uns ist an diese Bestimmungen gebunden. Daher verzichtet ein jeder von uns hiermit auf sein Anfechtungsrecht wegen Irrtums und wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten.

[1] Vgl. Muster 3 (Berliner Testament mit Befreiung für künftigen Vermögenserwerb) bei Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 5. Kapitel Rn. 217.
[2] Vgl. Märker, ZEV 1999 S. 245.
[3] Vgl. hierzu Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19.6.1975, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985, § 389, Nr. 1.
[4] Die Möglichkeit der Loslösung durch Ausschlagung nach dem Tod des Erstversterbenden und Beschränkung auf den Pflichtteil ergibt sich aus Art. 392 Abs. 4 ZGB-DDR.
[5] Vgl. dazu Leipold in MüKo, Ergänzungsband 2. Aufl., Einigungsvertrag, Rn. 713.
[6] Vgl. Musielak in MüKo, § 2281 Rn. 16.
[7] Vgl. Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 5. Kapitel Rn. 127.

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