Alexander C. Blankenstein
1.4.1 Grundsätze
Nach § 20 Abs. 4 WEG dürfen bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden. Der Wortlaut verdeutlicht, dass ein Beschluss über eine Maßnahme der baulichen Veränderung, die zu einer grundlegenden Umgestaltung führen oder einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligen würde, lediglich anfechtbar wäre, nicht aber nichtig. Dies bringt das Wort "dürfen" zum Ausdruck. Im Übrigen ist zu beachten, dass ein Beschluss über eine Maßnahme der baulichen Veränderung wie jeder andere Beschluss anfechtbar ist, wenn
- er an formellen Mängeln leidet,
- inhaltlich nicht ausreichend bestimmt ist oder
- ihm (gerade mit Blick auf gemeinschaftliche Maßnahmen, die eine Kostenverteilung unter allen Wohnungseigentümern zur Folge haben) keine ausreichende Grundlage für eine Ermessensentscheidung z. B. durch Vorlage von Vergleichsangeboten zugrunde liegt.
1.4.2 Grundlegende Umgestaltung
Die Frage, ob eine bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet, bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
Bezugspunkt ist zunächst die Wohnanlage in ihrem Gesamtbestand. Maßgeblich ist, dass lediglich optische Beeinträchtigungen nicht ausreichen, um von einer grundlegenden Umgestaltung ausgehen zu können. Zu prüfen ist daher, wie sehr sich die bauliche Veränderung im konkreten Einzelfall angesichts der Größe und Gestaltung der Wohnanlage auf diese auswirkt. So können zwar
- zusätzliche Stockwerke,
- größere Anbauten oder
- der Abriss ganzer Gebäudeteile
als grundlegende Umgestaltung i. S. d. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG angesehen werden. Allerdings hängt die Beurteilung dieser Frage erheblich von der Größe und Gestaltung der gesamten Wohnanlage ab, da diese der Bezugspunkt nach § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG ist.
Auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks kann im Einzelfall so erheblich sein, dass eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zu bejahen ist. Dabei ist aber wiederum der Charakter des § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG als Ausnahmeregelung zu berücksichtigen. Bloße Disharmonien und die optische Veränderung als solche reichen dafür nicht. Entscheidend ist, ob der Eingriff in die äußere Gestalt der Wohnanlage so "krass" ist, dass er das Gesicht bzw. das charakteristische Aussehen der Wohnanlage als Ganzes verändert.
Charakteristisches Aussehen eines Gebäudes
Maßgeblich ist daher, ob durch eine bauliche Veränderung das charakteristische Aussehen einer Wohnungseigentumsanlage maßgeblich umgestaltet wird, das sich von benachbarten Gebäuden abhebt.
Charakteristisches Aussehen
Das charakteristische Aussehen eines Gebäudes kann darin bestehen, dass das Gebäude z. B. ein Jugendstilhaus oder Haus im Bauhausstil ist oder das Gebäude als Plattenbau errichtet worden ist etc.
Zweifellos zu einer grundlegenden Umgestaltung würde es führen, wenn das im Villenstil errichtete Gebäude zu einem Bauhausobjekt umgestaltet oder der parkähnlich angelegte Außenbereich Kfz-Stellplätzen weichen würde.
Keine grundlegende Umgestaltung
Von einer grundlegenden Umgestaltung ist andererseits dann nicht auszugehen, wenn der optische Gesamteindruck nachteilig verändert wird oder ein uneinheitlicher Gesamteindruck entsteht.
Das ist der Fall, wenn beispielsweise nur einzelne Balkone an der Front eines Hauses, nicht aber alle verglast werden oder beim Bau von Dachgauben in einer vorhandenen Dachgeschosswohnung die Symmetrie des Hauses nicht eingehalten wird. Insbesondere hinsichtlich des Anbaus von Balkonen dürfte nicht entscheidend sein, dass es zu einem uneinheitlichen Erscheinungsbild kommt. Werden also lediglich an einigen Wohnungen Balkone angebaut, liegt noch keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage vor.
Zweifellos führen etwa Markisen, Klimageräte oder Katzennetze niemals zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage. Unzweifelhaft stellt auch die Beseitigung eines Sichtschutzelements zwischen 2 Balkonabschnitten nach Zusammenlegung zweier Wohnungen keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar.
Entsprechendes gilt unzweifelhaft auch für die Installation eines Rauchabzugs für einen kleinen Holzofen im Wohnzimmer einer Sondereigentumseinheit. Auch eine Aufstockung um eine Etage führt nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung, wenn das Gebäude bereits über mehrere Geschosse verfügt. Entsprechendes gilt für untergeordnete Anbauten wie Wintergärten oder Garagen.
Auch eine Terrassenüberdachung und ein Sichtschutzzaun führen nicht zu einer "Umgestaltung" der Wohnanlage.
Grundlegende Umgestaltung bei privilegierten Maßnahmen
Eine grundlegende Umgestaltung wird also nur ausnahmsweise und bei Vorliegen einer der in § 20 Abs. 2 WEG aufgeführten privilegierten Maßnahmen typischerweise gar nicht anzunehmen sein. Hat die beschlossene Maßnahme der baulichen Veränderung also Maßnahmen
- der Barrierefreiheit,
- des Ladens von E-M...