BRAO § 48 Abs. 2; ZPO §§ 121, 114, 118 Abs. 1 S. 2

Leitsatz

Wechselt eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, den Anwalt, besteht nicht ohne weiteres ein Anspruch auf Beiordnung des neuen Rechtsanwalts.

OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.8.2017 – 2 LA 484/17 

1 Sachverhalt

Der Senat hatte der Klägerin mit Beschl. v. 7.7.2017 Prozesskostenhilfe gem. §§ 114, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO bewilligt und Rechtsanwältin C., C.-Stadt beigeordnet. Später wurde von Rechtsanwalt B., B-Stadt im Namen der Klägerin das bestehende Mandatsverhältnis gekündigt. Zeitgleich meldete sich Rechtsanwalt B. als neuer Bevollmächtigter der Klägerin. Er beantragte, eine Umstellung in der PKH-Beiordnung vorzunehmen.

2 Aus den Gründen

Das Begehren hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1a. Zum besseren Verständnis wird zunächst darauf hingewiesen, dass ein etwaiger in dem Begehren enthaltener weiterer Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Rechtsschutzbedürfnisses erfolglos bleiben müsste, da der Klägerin mit Beschl. d. Senats v. 7.7.2017 bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die sich nach §§ 119 ZPO, 166 VwGO auf den gesamten zweitinstanzlichen Rechtszug erstreckt.

1b. Das in dem Antrag weiter enthaltene Begehren, die Beiordnung von Rechtsanwältin C. aufzuheben, hat dagegen Erfolg.

Dem Antrag steht nicht § 48 Abs. 2 BRAO entgegen, wonach (nur) der Rechtsanwalt die Aufhebung der Beiordnung beantragen kann, wenn er einen wichtigen Grund darlegt; denn diese Norm verhält sich nicht zu einem Antragsrecht der Partei und lässt auf dessen Bestehen oder Nichtbestehen keine Rückschlüsse zu. Wenn die Partei indes nach §§ 121 Abs. 1 ZPO, 166 VwGO einen Rechtsanwalt ihrer Wahl benennen darf, muss es ihr auch möglich sein, aus eigenem Recht die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen bzw. durch einen anderen Anwalt beantragen zu lassen; denn im Verfahren, in denen der Verfügungsgrundsatz Geltung beansprucht, steht der Partei grundsätzlich die Entscheidung frei, sich (nur) von einem bestimmten Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

Der Antrag ist auch begründet; denn die Partei kann die Aufhebung der Beiordnung verlangen, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsste. Hinzukommt, dass die Beiordnung von Rechtsanwältin D. ihren Sinn verloren hat; denn deren Prozessvollmacht erlosch gegenüber dem Senat nach der Anzeige der Kündigung i.V.m. der Erteilung einer Prozessvollmacht an Rechtsanwalt B. (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Hessischer VGH, Beschl. v. 16.5.2013 – 7 D 2046/12, juris; OLG Celle, Beschl. v. 5.2.2007 – 6 W 2/07, juris; LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003 – 4 Ta 470/02, juris; OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.1.2003 – 4 W 66/03, juris). Die Beiordnung war daher mit Wirkung v. 13.7.2017 (Eingang der neuen Prozessvollmacht) aufzuheben.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Beiordnung ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten besteht nicht.

Ein gewillkürter Anwaltswechsel der Partei bedeutet nicht, dass ihr der neue Prozessbevollmächtigte automatisch beigeordnet wird. Ein Anspruch auf Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten besteht grundsätzlich nur, wenn entweder der Staatskasse dadurch keine höheren Ausgaben entstehen oder der zunächst beigeordnete Prozessbevollmächtigte die Partei ohne deren Zutun aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vertreten kann oder er der Partei Veranlassung gegeben hat, das Mandatsverhältnis aus einem Grund zu beenden, der auch eine vermögende Partei veranlasst hätte, sich von dem Wahlanwalt zu trennen (Senat, Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Hessischer VGH, Beschl. v. 16.5.2013, a.a.O.; BFH, Beschl. v. 19.3.2013 – XI S 2/13 (PKH), juris). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Klägerin Umstände vorgetragen, die auch einen vermögenden Kläger veranlasst hätten, sich von seinem Wahlanwalt zu trennen, noch ist davon auszugehen, dass der Staatskasse durch die Beiordnung des neuen Anwalts keine höheren Ausgaben entstehen. Wechselt nämlich die mittellose Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, den Prozessbevollmächtigten, so darf eine Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten gem. § 121 ZPO im Allgemeinen nicht mit der Beschränkung seines Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse in Form des Abzugs der Gebühren, die schon der zuerst beigeordnete Rechtsanwalt erhält, verbunden werden (Senat, Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 2014, § 121 Rn 22 m.w.N.; LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003, a.a.O.). In Betracht käme daher allenfalls die Möglichkeit, dass der nachfolgende Anwalt auf bereits auf Seiten des ersten Anwalts entstandene Gebühren ausdrücklich verzichtet (Sen., Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003, a.a.O.; OLG Celle, Beschl. v. 5.2.2007, a.a.O.). Eine derartige Verzichtserklärung ist nicht abgegeben worden. Rechtsanwältin C. hat ihre Vergütung bereits abgerechnet.

AGS 12/2017, S. 581 - 582

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