I. Die gesetzliche Ausgangslage

Mit Einfügung des § 12c RVG, § 232 ZPO muss jede anfechtbare Entscheidung des Gerichts – ob durch den Richter oder Rechtspfleger oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – eine Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf sowie über das Gericht, bei dem dieser Rechtsbehelf einzulegen ist, über dessen Sitz und über die einzuhaltende Form und Frist enthalten. Dies betrifft etwa die Belehrung über Rechtsbehelfe im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG, im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO oder im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung nach § 55 RVG. Welche Folgen eine unterbliebene oder auch nur fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung im letztgenannten Verfahren hat, regelt § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 5 S. 2 RVG. Die Auswirkungen einer Verletzung der Belehrungspflichten des Gerichts im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG und im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO sind demgegenüber inhaltsgleich im Verfahrensrecht der jeweiligen Verfahrensordnung, etwa in § 233 S. 2 ZPO, geregelt.

Danach wird bei einem befristeten Rechtsbehelf ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn die gebotene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. In diesen Fällen hat im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung der Rechtsanwalt dann gem. § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 5 S. 1 RVG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen, hier also die unterbliebene oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung, vorzutragen und glaubhaft zu machen. Letzteres ist in der Praxis meist entbehrlich, da das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung sich aus den Gerichtsakten ergeben müsste.

II. Praktische Folgen

Angesichts dieser Regelung könnte der Eindruck entstehen, dass einem Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung einer Beschwerde oder einer weiteren Beschwerde versäumt, bei einer völlig fehlenden oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung gewissermaßen automatisch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden muss, weil ja nach der gesetzlichen Regelung ein fehlendes Verschulden vermutet wird. Dieser Eindruck täuscht jedoch: Die Rspr. versagt nämlich im Regelfall einem anwaltlich vertretenen Beteiligten und erst recht einem in eigener Sache selbst auftretenden Rechtsanwalt die Rechtswohltat des § 33 Abs. 5 S. 2 RVG bzw. der entsprechenden Regelungen in anderen Verfahrensvorschriften. Der BGH[1] begründet dies damit, von einem Anwalt müsse erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kenne. Deshalb könne er das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht uneingeschränkt in Anspruch nehmen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nach der Rspr. des BGH bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten deshalb nur dann in Betracht, wenn die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bei einem Rechtsanwalt einen entschuldbaren Rechtsirrtum über das statthafte Rechtsmittel hervorgerufen hat.

[1] S. AnwBl. 2012, 927 = NJW-RR 2012, 1025; NJW 2013, 1308; NJW 2017, 113 mit Anm. Heinemann.

III. Auswirkungen auf Rechtsbehelfe bei Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung

Für das Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH- Anwaltsvergütung liegen die Obergerichte auf derselben Linie. So hat bspw. das LSG NRW[2] die Auffassung vertreten, die Vermutung des § 33 Abs. 5 S. 2 RVG sei jedenfalls dann widerlegt, wenn es sich bei dem die Frist versäumenden Beschwerdeführer um einen Rechtsanwalt handele, der in Kostenangelegenheiten äußerst versiert sei und als Beschwerdeführer eine Vielzahl von Beschwerden im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung betrieben habe. Da im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH- Anwaltsvergütung fast regelmäßig derart sachkundige Beschwerdeführer – sei es auf der einen Seite der Rechtsanwalt oder auf der anderen Seite der Vertreter der Staatskasse – tätig sind, kommt die Regelung in § 33 Abs. 3 S. 2 RVG praktisch nie zur Anwendung. Allenfalls ein Neuling, der sein erstes Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung nebst Rechtsbehelfsverfahren betreibt, könnte sich dann auf eine unrichtige oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung berufen, wenn er die Beschwerdefrist versäumt. Einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag muss er jedoch gem. § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 1 RVG gleichwohl stellen.

[2] RVGreport 2017, 454 [Hansens].

IV. Kritische Würdigung

Ich halte diese einschränkende Auffassung gerade im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung nicht für zutreffend. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung die Beteiligten, nämlich der den Festsetzungsantrag stellende Rechtsanwalt einerseits und der Vertreter der Staatskasse andererseits die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem der §§ 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG kennen müssen. Gleichwohl hat er durch die Verweisung auf § 33 Abs. 5 S. 2 RVG die Regelung getroffen, dass bei einer fehle...

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