Rz. 1

Die derzeitigen Arbeitsverhältnisse und ihr Umfeld unterliegen einem viel größeren Wandel als noch vor einer Generation. Insbesondere mit der nahezu flächendeckenden Einführung des Computers und den damit verbundenen Technologien in die Betriebe hat sich die Struktur der Arbeit erheblich verändert. Die Digitalisierung schreitet immer mehr voran. Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert.[1] Nach Mitteilung des BMAS nutzen aktuell 83 % der Beschäftigten digitale Technologien am Arbeitsplatz.[2] Dabei ist nahezu jeder Arbeitsbereich von der Digitalisierung betroffen,[3] dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sogenannten "Industrie 4.0",[4] also der systematischen Digitalisierung und Vernetzung aller Schritte der industriellen Wertschöpfung, von der Produktionsidee über die Entwicklung und Fertigung bis hin zur Auslieferung und zum Recycling.[5] Mit der zunehmenden Digitalisierung verändern sich auch die Anforderungen an die Beschäftigten, wobei es in vielen Berufsfeldern zu einer Verlagerung von physischen zu überwiegend psychischen Anforderungen kommt.[6] Ein in diesem Zusammenhang besonders hervorzuhebender Aspekt ist der in den letzten Jahren zu verzeichnende erhebliche Anstieg von auf psychischen Gründen beruhenden Arbeitsunfähigkeitszeiten. Auch wenn die Gründe für diesen Anstieg freilich nicht allein in der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt zu finden sind, gibt es dennoch erhebliche Anhaltpunkte dafür, dass die Digitalisierung im Arbeitsumfeld einen erheblichen Stressfaktor darstellt.[7] Dieser Effekt hat gerade vor der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tablet-Computern in den letzten Jahren noch zugenommen. Die Rechenleistung dieser Geräte nimmt immer mehr zu. Im oberen Preissegment können diese mit üblichen Desktop-Computern problemlos mithalten.[8] Nicht zuletzt aus diesem Grund hat das Konzept "BYOD" ("Bring Your Own Device") ebenfalls an Bedeutung gewonnen (siehe zu BYOD § 6157 ff.). Hierbei erlaubt der Arbeitgeber den Beschäftigten die Nutzung eigener mobiler Endgeräte,[9] was für den Arbeitgeber den Vorteil bietet, dass diese nicht selbst angeschafft werden müssen und für die Arbeitnehmer die Möglichkeit bedeutet, auf ihre individuellen Bedürfnisse angepasste Geräte nutzen zu können, die sie häufig sowieso bei sich führen.[10]

 

Rz. 2

Die zunehmende Digitalisierung führt insgesamt zu einer Herausforderung für die Arbeitsgestaltung und den Arbeitsschutz, der sich wie folgt beschreiben lässt:

"Automatisierungsprozesse im Kontext der Digitalisierung der Arbeitswelt haben ein hohes Potential zur Reduzierung physischer Belastung durch individuelle ergonomische Arbeitsgestaltung, etwa durch neue Formen der Mensch-Roboter-Interaktion. Es besteht jedoch die Gefahr, dass dem Menschen sogenannte Restarbeiten in Automatisierungslücken übertragen werden, die in aller Regel durch einseitige körperliche Belastung und monotone und dequalifizierende Aufgaben gekennzeichnet sind. In weniger kapitalintensiven Branchen, wie im Handel oder im Gesundheitswesen, ist zudem davon auszugehen, dass ergonomisch unzureichende technische Lösungen auch zukünftig dominieren werden."[11]

 

Rz. 3

Zudem leitet der digitale Wandel den Abbau von Arbeitsplätzen ein, die sich im Wesentlichen durch körperliche Tätigkeit ausgezeichnet haben und dem parallelen Anstieg von Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich. In einer durch das Internet und andere moderne Informationstechnologien geprägten Arbeitswelt hat sich dieser Prozess weiter beschleunigt.

Der technische Wandel bringt zudem Änderungen im Bereich des Arbeitsschutzes mit sich. Einerseits führt die Einführung von computergesteuerten Abläufen in der Produktion regelmäßig zu mehr Sicherheit für die Arbeitnehmer, da die von Unfallgefahren geprägte Arbeit immer mehr von Maschinen übernommen und auch gesteuert wird, während die Arbeitnehmer dafür mehr Kontrollfunktionen wahrnehmen als früher.

Andererseits vollzieht sich die Arbeit mit Informationstechnologien regelmäßig an einem Arbeitstisch mit einem Bildschirm. Dass ein solcher Arbeitsplatz geringere Gesundheitsgefahren beinhaltet als ein Arbeitsplatz in der klassischen industriellen Fertigung, liegt auf der Hand. Trotzdem ergeben sich aus der gleichförmigen Büroarbeit andere Gesundheitsbeeinträchtigungen, die auf den ersten Blick nicht so offenkundig zu Tage treten wie zum Beispiel Arbeitsunfälle mit Brüchen, Verbrennungen oder Quetschungen an Gliedmaßen. Im Vordergrund stehen vielmehr schleichende Prozesse mit Verspannungen in der Schulter- und Nackenmuskulatur, Kreuz- und Kopfschmerzen sowie Augenbeschwerden. Der europäische Gesetzgeber hat dieser Entwicklung Rechnung getragen und die angehörigen EU-Mitgliedstaaten zur Einleitung von Arbeitsschutzmaßnahmen verpflichtet. In Umsetzung mehrerer europäischer Richtlinien wurde mit dem Arbeitsschutzgesetz ein Instrument geschaffen, das zusammen mit der Verabschiedung einer ganzen Reihe von Arbeitsschutzverordnungen das staatliche Arbeitsschutzrec...

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