Rz. 143

Bei vorzeitiger Erledigung sind in Nr. 3101 VV RVG drei verschiedene Gebührentatbestände geregelt:

 
Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG 0,8 Verfahrensgebühr vorzeitige Beendigung
  (z.B. Klage diktiert, aber noch nicht eingereicht, oder Auftrag entgegengenommen zur Klageeinreichung, aber der Mandant ruft an und wünscht keine weitere Tätigkeit)
Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG 0,8 Verfahrensgebühr
  Differenzverfahrensgebühr
  (Mehrvergleich)
Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG 0,8 Verfahrensgebühr
  Antragsgebühr in Familiensachen, die nur die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts zum Gegenstand hat, oder wenn in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen wird
  (z.B. Beantragung eines Erbscheins)
 

Rz. 144

Vorzeitige Beendigung Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG

Erledigt sich der Prozessauftrag des Rechtsanwalts, ohne dass er eine der oben unter Nr. 3100 VV RVG beschriebenen Tätigkeiten wahrgenommen hat, erhält er eine Verfahrensgebühr in Höhe von 0,8 nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG.

 

Beispiel: Bei teilweiser vorzeitiger Beendigung ist wie folgt zu rechnen:

Mandant Müller beauftragt Rechtsanwalt Pfandlhuber, Klage auf Zahlung von 5.000,00 EUR einzureichen. Bevor Rechtsanwalt Huber die Klage einreichen kann, ruft Mandant Müller an und teilt mit, dass der Gegner einen Teilbetrag von 4.200,00 EUR beglichen hat. Die Klage ist somit nur noch wegen 800,00 EUR einzureichen.

1,3 Verfahrensgebühr aus 800,00 EUR

Nr. 3100 VV RVG

0,8 Verfahrensgebühr aus 4.200,00 EUR

Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG

jedoch höchstens gem. § 15 Abs. 3 RVG:

1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000,00 EUR

 

Rz. 145

Vorzeitige Beendigung bei Mehrvergleich/Differenzverfahrensgebühr

Wird lediglich beantragt, eine Einigung der Parteien oder der Beteiligten oder eine Einigung mit Dritten über in diesem Verfahren (möglicherweise aber einem anderen Verfahren) nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder werden lediglich Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über solche Ansprüche geführt, erhält der Rechtsanwalt ebenfalls eine Verfahrensgebühr in Höhe von 0,8 gemäß Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG. Beachtlich ist hierbei, dass diese Gebühr mit dem RVG unter anderem ausgedehnt wurde auf die Verhandlung über nicht rechtshängige Ansprüche. Zu einem tatsächlichen Antrag auf Protokollierung einer derartigen Einigung muss es somit nach den Bestimmungen des RVG gar nicht mehr kommen. Die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG erhält der Rechtsanwalt aus dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche, über die verhandelt oder über die der Antrag gestellt wurde, eine Einigung zu Protokoll zu nehmen ("[…] soweit").

 

Rz. 146

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Wert der rechtshängigen Ansprüche und die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG aus dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche dürfen addiert nicht höher sein als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr. Es ist daher weiterhin zu prüfen, ob eine Kürzung vorgenommen werden muss. Dies bestimmt § 15 Abs. 3 RVG.

 

Rz. 147

In der Abrechnung reicht es aus, § 15 Abs. 3 RVG anzugeben, z.B.: "§ 15 Abs. 3 RVG geprüft", auch wenn keine Kürzung vorgenommen werden muss. In Abschlussprüfungen sollte eine vollständige Darstellung der Abgleichung erfolgen, auch wenn sich herausstellt, dass eine Kürzung nicht notwendig ist.

 

Rz. 148

 

Beispiel

Entstandene Gebühren: 1,3 Verfahrensgebühr aus 30.000,00 EUR zzgl. 0,8 Verfahrensgebühr aus nicht rechtshängigen Ansprüchen in Höhe von 20.000,00 EUR.

Darstellung 1:

Hier werden alle Gebühren rechts ausgeworfen. Bei einer Kürzung ist der zu kürzende Betrag abzuziehen.

 
1,3 Verfahrensgebühr, §§ 2 Abs. 1, 13 Abs. 1, Nr. 3100 VV RVG  
aus 30.000,00 EUR 1.121,90 EUR
0,8 Verfahrensgebühr, §§ 2 Abs. 1, 13 Abs. 1, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG  
aus 20.000,00 EUR 593,60 EUR
Summe 1.715,50 EUR
jedoch gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 Verfahrensgebühr aus 50.000,00 EUR  
= 1.511,90 EUR, somit hier Kürzung ./. 203,60 EUR
zzgl. weiterer Gebühren, Auslagen u. Umsatzsteuer 1.511,90 EUR

Darstellung 2:

Hier werden die zu kürzenden Gebühren mittig dargestellt und nur die tatsächlich in der Berechnung zu addierende Gebühr rechts ausgeworfen.

 
1,3 Verfahrensgebühr, §§ 2 Abs. 1, 13 Abs. 1, Nr. 3100 VV RVG  
aus 30.000,00 EUR 1.121,90 EUR
0,8 Verfahrensgebühr, §§ 2 Abs. 1, 13 Abs. 1, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG  
aus 20.000,00 EUR 593,60 EUR
Summe 1.715,50 EUR
jedoch gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 Verfahrensgebühr  
aus 50.000,00 EUR = 1.511,90 EUR
zzgl. weiterer Gebühren, Auslagen u. Umsatzsteuer  
 

Rz. 149

Wie die Kürzung in der Rechnung dargestellt wird, bleibt dem Abrechnenden überlassen. Hier sollten lediglich zwei Beispiele gegeben werden, wie die Darstellung aussehen kann. Wichtig für den Mandanten ist, dass er eine nachprüfbare Abrechnung erhält (§ 10 Abs. 2 RVG), und für den Auszubildenden, dass der Prüfer vollständig die Anwendung des § 15 Abs. 3 RVG nachvollziehen kann, um die höchstmögliche Punktzahl ge...

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