Rz. 157

Die Neuregelung des § 712a BGB hat folgenden Wortlaut:

 

(1) Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht zum Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über.

(2) In Bezug auf die Rechte und Pflichten des vorletzten Gesellschafters sind anlässlich seines Ausscheidens die §§ 728 bis 728b entsprechend anzuwenden“.

 

Rz. 158

Mit der Neuregelung des § 712a BGB erfolgt auf Anregung aus der Literatur[313] mit der Intention einer Beseitigung von Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen eines Vermögensübergangs die ausdrückliche Kodifikation der auch bislang schon geltenden Auffassung, "dass mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters die GbR ohne Abwicklung erlischt und das vorhandene Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter übergeht".[314] Dabei handelt es sich wegen des Rechtsträgerwechsels nicht um einen Fall der Anwachsung (§ 712 BGB), was § 712a BGB klarstellt.[315] Praktisch bedeutsam kann dies infolge der Umwandlung der personenbezogenen Auflösungsgründe in Ausscheidensgründe im Fall der Beendigung infolge Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters werden.[316]

 

Beachte:

§ 712a BGB gelangt über § 105 Abs. 3 HGB auf die OHG und über § 1 Abs. 4 PartGG auch auf die Partnerschaftsgesellschaft entsprechend zur Anwendung. Den Fall, dass der einzige Komplementär einer KG ausscheidet, hat der Gesetzgeber wegen der Vielgestaltigkeit denkbarer Fallkonstellationen[317] nicht gesondert geregelt und der Rechtsprechung die Entscheidung überantwortet,[318] "ob und inwieweit § 712a BGB hier fruchtbar gemacht werden kann".[319]

[313] Vgl. Bachmann, NZG 2020, 612, 618; Nazar-Khanachayi, WM 2020, 2061.
[314] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 146 unter Bezugnahme auf MüKo-BGB/Schäfer, § 730 Rn 68 ff. Dies entsprach auch schon der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, NZG 2008, 704.
[315] Schäfer/Noack, § 9 Rn 34 unter Bezugnahme auf RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 147: "Indirekt wird damit die Mehrgliedrigkeit als Strukturmerkmal von Personengesellschaften bestätigt".
[316] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 146.
[317] Dazu näher Jacoby/Bork, ZGR 2005, 611; MüKo-HGB/K. Schmidt, § 131 Rn 46 und 55.
[319] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 146.

a) Erlöschen der Gesellschaft

 

Rz. 159

Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft nach § 712a Abs. 1 S. 1 BGB ohne Liquidation.

Voraussetzung des Erlöschens ist, dass der vorletzte Gesellschafter aus einer noch nicht vollbeendeten Gesellschaft vorausscheidet (ohne dass es auf den Grund ankommt),[320] wobei der Ausscheidensgrund unerheblich ist.[321] Im Falle einer Mehr-Personen-Gesellschaft – aus der alle bis auf den letzten Gesellschafter ausscheiden – können die Ausscheidensgründe verschieden sein.[322]

 

Rz. 160

Das Gesellschaftsvermögen i.S.v. § 713 BGB (mithin das Aktiv- und das Passivvermögen) geht zum Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters nach § 712a Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ipso jure auf den verbleibenden Gesellschafter über.

 

Rz. 161

Das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters zeitigt somit zwei Folgen:

Die Gesellschaft erlischt gemäß § 712a Abs. 1 S. 1 BGB ohne Abwicklung (d.h. ohne Liquidation nach den §§ 735 ff. BGB – arg.: Eine GbR bedarf, wie schon bei ihrer Gründung, grundsätzlich der Beteiligung von mindestens zwei Gesellschaftern),[323] weil Auflösung und Vollbeendigung der Gesellschaft zusammenfallen;[324] und
das Gesellschaftsvermögen (d.h. das Aktiv- wie das Passivvermögen i.S.v. § 713 BGB) geht nach § 712a Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. Dabei handelt es sich nicht um eine Anwachsung i.S.v. § 712 Abs. 1 BGB, "da die Gesellschaft als solche nicht mehr besteht und Träger des in ihr gebundenen Vermögens der verbleibende Gesellschafter wird".[325]
 

Rz. 162

§ 712a Abs. 1 BGB stellt den Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters (Eintritt des diesen betreffenden Ausscheidensgrundes nach § 723 Abs. 3 BGB) klar, d.h., wann der Vermögensübergang bewirkt wird.[326]

 

Rz. 163

Die gesetzliche Anerkennung des Übernahmerechts nach § 712a Abs. 1 S. 2 BGB erfordert – entgegen einer ursprünglich im Regierungsentwurf noch vorgesehenen Regelung – keine gesonderte Ausübung durch formlose Gestaltungserklärung bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens (Übernahmeerklärung), um den verbleibenden (vorletzten) Gesellschafter (bzw. seinen Erben) vor den Folgen eines sich sonst automatisch vollziehenden Übergangs des Gesellschaftsvermögens (vor allem auch vor der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung nach § 712a Abs. 2 i.V.m. § 728 Abs. 1 BGB) zu schützen.[327] Der Gesetzgeber hat letztlich von diesem noch in § 712a Abs. 1 letzter Hs. BGB-E vorgesehenen Erfo...

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