Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Urteil vom 19.07.2005 - 4 StR 184/05

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 29.12.2004)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. Dezember 2004, soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Das Rechtsmittel hat Erfolg; zugleich führt es zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung ist schon deshalb unwirksam (vgl. dazu Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 12 m.w.N.), weil die Strafkammer im Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose einen Bezug zur Haftdauer hergestellt hat. Damit unterliegt der Rechtsfolgenausspruch insgesamt der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

I. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Nach den Urteilsfeststellungen liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vor.

Der 1957 geborene Angeklagte ist vor der hier abgeurteilten Tat bereits dreimal wegen einschlägiger Delikte verurteilt worden und hat wegen dieser Taten weit mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt. Wegen einer im Januar 1983 begangenen räuberischen Erpressung zum Nachteil der Deutschen Bahn verurteilte ihn das Landgericht Saarbrücken durch Urteil vom 8. Juni 1983 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, die er bis zum 20. September 1985 teilverbüßte. Im August 1990 wollten der Angeklagte und ein Mittäter sich durch einen Banküberfall Geld verschaffen. Sie stiegen nachts in eine Bankfiliale ein und bedrohten einen morgens eintreffenden Bankangestellten mit zwei geladenen und schußbereiten Revolvern. Ihr Vorhaben scheiterte jedoch, weil der Angestellte Alarm auslöste. Wegen dieser Tat wurde der Angeklagte vom Landgericht Saarbrücken im Dezember 1990 wegen versuchten schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, welche er bis zum 2. September 1994 teilverbüßte. Bereits im April 1995 beging der Angeklagte einen weiteren Raubüberfall, wobei er einen schußwaffenähnlichen Gegenstand als Drohmittel einsetzte. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte ihn deswegen im März 1996 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Während der Verbüßung dieser Strafe absolvierte der Angeklagte mit großem Erfolg eine Schreinerlehre und konnte deswegen als Freigänger die Meisterschule besuchen. Als sich anstaltsintern Schwierigkeiten wegen der für die Ausbildung erforderliche Computerbenutzung ergaben, fühlte sich der Angeklagte frustriert und verabredete mit dem Mitangeklagten, der sein Zellengenosse im Freigängerhaus war, den verfahrensgegenständlichen Banküberfall zu begehen. Am 2. Oktober 2003 betraten beide mit Wollmützen maskiert eine Sparkassenfiliale, bedrohten einen Angestellten und eine Kundin mit Schreckschußpistolen und erbeuteten insgesamt 6.980 Euro. Auf ihrer Flucht im Pkw des Angeklagten wurden sie von Polizeibeamten verfolgt und gestellt. Dem Angeklagten gelang es, zu Fuß zu flüchten, während sein Mittäter mit der Beute festgenommen wurde.

2. Das Landgericht geht, ohne dies allerdings im Urteil auszuführen, in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen davon aus, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Tat um eine Hangtat handelt. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß beim Angeklagten ein Hang besteht, in Konfliktsituationen schwerwiegende Straftaten zu begehen. Gleichwohl hat die Strafkammer von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil sie die materielle Voraussetzung einer Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB für nicht gegeben erachtet. Hiergegen wendet sich die Revisionsführerin zu Recht.

a) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose sind ausschließlich die Verhältnisse zur Zeit der Hauptverhandlung, nicht der Entlassung aus der sich anschließenden Strafhaft. Denkbare, aber nur erhoffte positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug bleiben der obligatorischen Prüfung vor dessen Ende, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 67 c Abs. 1 StGB), vorbehalten (vgl. Ullenbruch in MünchKomm StGB § 66 Rdn. 135 m.w.N.). Nur wenn in der Hauptverhandlung festgestellt wird, daß die unter den bisherigen Lebensverhältnissen an sich gegebene Gefährlichkeit nach dem Strafvollzug nicht mehr bestehen werde oder daß sie durch weniger einschneidende und sicher ausführbare Maßnahmen behoben werden kann, ist die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen. Diesen Maßstäben wird die Prognoseentscheidung des Landgerichts nicht gerecht.

b) Soweit die Strafkammer bei ihrer Gesamtwürdigung auf die „grundsätzlich günstigen kriminogenen Faktoren” – wie u.a. die Herkunft aus normalbürgerlichen Verhältnissen, die Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit, die affektive Zugänglichkeit und das ungewöhnlich hohe Potential der Selbstreflektion – abstellt, hat sie sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, daß der Angeklagte trotz dieser Faktoren innerhalb von etwa 20 Jahren schwerwiegende Straftaten begangen hat, derentwegen er zu insgesamt 18 Jahren Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist.

Aus demselben Grund trägt auch die Feststellung, daß seit der vorletzten Tat vom April 1995 eine „außerordentliche und ungewöhnlich positive Entwicklung des Angeklagten” eingetreten sei, zu der die Drogenentwöhnung und der erfolgreiche Lehrabschluß gehören, die Prognose des Landgerichts nicht, da es trotz dieser Entwicklung zu der verfahrensgegenständlichen Tat gekommen ist. Auch wenn hinsichtlich der Banküberfälle keine Steigerung der Gewaltintensität zu erkennen ist, vermag dies die günstige Prognose des Landgerichts ebenfalls nicht zu stützen, denn nach wie vor handelt es sich bei den vom Angeklagten begangenen Taten um solche, die der Schwerkriminalität zuzurechnen sind. Daß der Angeklagte über die intellektuellen und charakterlichen Fähigkeiten verfügt, trotz seiner langjährigen kriminellen Laufbahn zukünftig ein straffreies Leben zu führen, spricht nicht gegen seine Gefährlichkeit, da er diese Fähigkeiten auch bisher nicht in diesem Sinne genutzt hat. Der vom Landgericht besonders hervorgehobene Umstand, daß der Angeklagte erstmals mit therapeutischer Unterstützung die Ursachen seines strafbaren Verhaltens zu ergründen versucht, mag zwar ein erstes Zeichen von Umkehr sein; er ist aber entgegen der Ansicht des Landgerichts kein entscheidender Einwand gegen eine fortdauernde Gefährlichkeit. Dies ergibt sich bereits daraus, daß das Landgericht es für erforderlich hält, daß der Angeklagte den nunmehr folgenden langjährigen Freiheitsentzug für die Fortsetzung der therapeutisch zu unterstützenden Arbeit an den Ursachen seines Verhaltens nutzen wird.

Soweit die Strafkammer schließlich – wenn auch nur flankierend (UA 18) – darauf abstellt, daß der Angeklagte die verhängte Freiheitsstrafe von 11 Jahren voraussichtlich erst im Alter von fast 60 Jahren verbüßt haben wird, trägt dies ebenfalls die Gefährlichkeitsprognose nicht. Der Tatrichter darf – zumal bei der Frage der obligatorischen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB – dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines jahrelangen Strafvollzugs allenfalls dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daß aufgrund dessen eine Gefährlichkeit des Täters bei Ende des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die Würdigung der Strafkammer, die bereits jetzt vorhandenen körperlichen Gebrechen des Angeklagten, der an Nierensteinen, Bandscheibenproblemen, Tinnitus und fortschreitender Schwerhörigkeit leidet, würden sich während des Strafvollzugs sicher nicht bessern und die Rückfallwahrscheinlichkeit mindern, belegt die geforderte Gewißheit künftigen Legalverhaltens jedenfalls nicht.

Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.

II. Der Senat hebt zugleich auch den Strafausspruch auf, da – zumal angesichts der Höhe der verhängten Strafe – nicht ausschließbar ist, daß diese bei Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (vgl. BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.; NStZ-RR 2005, 39, 40).

Zudem belegt das Urteil nicht, daß das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugrundegelegt hat. Zwar ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, daß die von dem Mittäter des Angeklagten zur Bedrohung eingesetzte Schreckschußpistole geladen war. Das Landgericht hat aber nicht festgestellt, daß der Angeklagte Kenntnis vom Ladezustand dieser Waffe hatte. Dazu wird die neu entscheidende Strafkammer ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

 

Unterschriften

Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 2556908

NStZ-RR 2005, 337

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen / 7.3 Begünstigte Aufwendungen
    1.033
  • § 57 Zivilprozessrecht / I. Muster: Anzeige der Verteidigungsbereitschaft
    735
  • Abgrenzung von Anschaffungskosten, Herstellungskosten un ... / 5 Anschaffungsnaher Aufwand
    627
  • § 20 Mahnverfahren / V. Verfahren nach Einspruch
    464
  • Eigentümerwechsel – Rechtsfolgen / 1.3.3 Betriebskostenabrechnung
    406
  • Verwalter muß Anträge auf Tagesordnung setzen
    348
  • § 37 Sozialrecht / I. Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren
    343
  • Die verbilligte Vermietung von Wohnungen
    342
  • Kündigung (außerordentliche) von Wohnraum / 8 Muster einer außerordentlichen fristlosen Kündigung
    340
  • Lebensalter / 1 Vollendung eines Lebensjahres
    335
  • § 4 Arbeitsrecht / 9. Muster: Anschreiben Urlaubsansprüche und deren drohender Verfall
    325
  • § 57 Zivilprozessrecht / II. Muster: Klageschriften
    321
  • § 2 Die Gebühren nach dem RVG / 1. Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003, 1004 VV RVG
    318
  • § 31 Miete und Pacht / 3. Muster: Aufhebungsvertrag
    310
  • Gewerblicher Grundstückshandel / 2.2 Erwerb und Veräußerung innerhalb von 5 Jahren
    304
  • § 57 Zivilprozessrecht / 2. Muster: Anerkenntnis
    303
  • § 57 Zivilprozessrecht / b) Muster: Antrag auf Kostenfestsetzung gegen die eigene Partei gem. § 11 RVG
    295
  • § 57 Zivilprozessrecht / 2. Muster: Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz
    286
  • Grundstück und Grundbuch / 11 Kosten in Grundbuchsachen
    286
  • § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG / 2. Anrechnung der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG
    276
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Mergers & Acquisitions
Mergers & Acquisitions
Bild: Haufe Shop

M&A-Aktivitäten umfassen ein breites Themenspektrum, zu dem Unternehmenskäufe und -verkäufe, Beteiligungen, Fusionen und Joint Ventures genauso gehören wie strategische Allianzen. Die Motive für M&A-Aktivitäten können vielfältig sein, sie reichen von Wachstum über Restrukturierungen bis zu Nachfolgeregelungen. Über 80 renommierte Autorinnen und Autoren aus Unternehmens- und Rechtsberatung und aus der Wissenschaft analysieren in diesem Praxisbuch den M&A-Markt aus der Markt-, Transaktions- und Rechtsperspektive. Neu ist die Berücksichtigung von Entwicklungen im Kontext Nachhaltigkeit.


BGH 1 StR 474/03
BGH 1 StR 474/03

  Verfahrensgang LG Stuttgart (Urteil vom 18.06.2003)   Tenor Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Recht Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Advolux
Haufe Onlinetraining
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware
Anwaltliches Fachwissen Software
Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen
Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren