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BGH Beschluss vom 24.11.2004 - 1 StR 493/04

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Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 19.07.2004)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Tatbestand

Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die Voll- streckung der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Umfang der Beschlußformel Erfolg.

I.

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat zur Anlaßtat festgestellt, der Beschuldigte habe zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. Mai 1997 und Mitte September 1997 im Schulgarten einer Volksschule zwei noch nicht 14 Jahre alten Jungen eine pornographische Karte, auf der eine nackte Frau mit gespreizten Beinen abgebildet war, für den Fall angeboten, daß sie sich vor ihm entblößen würden. Die beiden Kinder hätten ihre Hose und Unterhose heruntergezogen, so daß der Beschuldigte für einige Sekunden ihr Geschlechtsteil habe sehen können. Im Anschluß daran habe der Beschuldigte seine Hose heruntergezogen und den Kindern sein Geschlechtsteil gezeigt. Er habe sie aufgefordert, seinen Penis anzufassen. Eines der beiden Kinder sei der Aufforderung gefolgt und habe den Penis des Beschuldigten kurz angefaßt, der dabei keine Erektion gehabt habe. Er habe daraufhin den Kindern die Pornokarte übergeben.

2. Der Beschuldigte habe für diese rechtswidrige Tat jedoch nicht bestraft werden können, weil er an einer seit 1997 chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie leide. Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat erheblich eingeschränkt gewesen; sie hat selbst die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen können. Das Landgericht hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil der Beschuldigte nicht krankheits- und behandlungseinsichtig sei und die erforderlichen Medikamente eigenmächtig absetze. Auch wenn sich aggressive Verhaltensweisen in der Vergangenheit weitgehend auf verbale Ausbrüche beschränkt hätten, zeigten diese Vorfälle das hohe Aggressionspotential des Beschuldigten. Ohne gezielte Behandlung seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten. Die Maßregel könne aber gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da der Zweck der Maßregel, die medikamentöse Behandlung des Beschuldigten zur Verhinderung weiterer erheblicher Straftaten sicherzustellen, auch durch eine Unterbringung nach § 1906 BGB gewährleistet werden könne.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist eine den Betroffenen außerordentlich beschwerende Maßnahme. Nur Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen, rechtfertigen eine Unterbringung gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 279, 312; BGHSt 27, 246, 248; BGH NJW 1989, 2959; st. Rspr.). Auch muß aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, daß der schuldunfähige Täter infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

1. Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich, ohne daß weitere Darlegungen erforderlich wären, aus dem Anlaßdelikt selbst ergeben, z. B. bei Verbrechenstatbeständen; auch bei Vergehen mag, ohne daß dies hier einer abschließenden Entscheidung bedürfte, eine solche Annahme vielfach naheliegen. Ergibt sich die Erheblichkeit der drohenden Taten nicht ohne weiteres aus dem Deliktscharakter als solchem, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 15).

Die Kammer hat ihre Gefährlichkeitsprognose – was hier geboten war – nicht auf die Anlaßtat gestützt, sondern sich im wesentlichen auf die „überzeugende Einschätzung der Sachverständigen K. von der Gefährlichkeit des Beschuldigten” berufen, der sie sich vollumfänglich angeschlossen hat. Die Sachverständige, die den Beschuldigten im Rahmen der Beobachtung nach § 81 StPO exploriert hat, stützt ihre Erkenntnisse auf die Krankenunterlagen sowie auf ihre Eindrücke während der Beobachtung des Beschuldigten. Eine gutachterliche Äußerung dieser Sachverständigen zu der Anlaßtat ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

Die Krankheit sei beim Beschuldigten im Jahre 1991 ausgebrochen; erstmals sei er 1993 aggressiv geworden. Während eines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus Landshut mußte er wegen fremdaggressiven Verhaltens auf eine andere Station verlegt werden. Im Zeitraum von Januar bis März 2002 habe der Beschuldigte stationär untergebracht werden müssen, weil er seine 72jährige Mutter die Treppe hinunter gestoßen habe, wodurch sich diese eine Schulterverletzung zugezogen habe. Im Mai 2002 sei er von Sanitätern zur stationären Behandlung gebracht worden, die bis August 2002 gedauert habe. Dabei habe er erneut aggressive Verhaltensweisen gezeigt, und er habe weibliches Personal mit anzüglichen Bemerkungen bedrängt.

2. Die Strafkammer hat die Anlaßtat aus dem Jahr 1997 als minder schweren Fall des sexuellen Mißbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 5 Nr. 3 StGB a. F. gewertet. Es ist nicht erörtert, ob zwischen der Anlaßtat und der von der Sachverständigen festgestellten Steigerung fremdaggressiven Verhaltens ein symptomatischer Zusammenhang besteht (vgl. BGH NStZ 1991, 528; 1985, 309; Stree in Schönke/Schröder aaO Rdn. 17 m. w. Nachw.). Auch das Verhalten des Beschuldigten gegenüber dem Pflegepersonal während seiner früheren Klinikaufenthalte reicht jedenfalls für sich nicht für die Erwartung aus, der Beschuldigte werde in Freiheit, also ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit erhebliche, für die Allgemeinheit gefährliche Gewaltstraftaten begehen. Hinweise auf eine sich steigernde Aggressivität und eine Gefährlichkeit im Sinne von § 63 StGB könnten sich allerdings aus den Umständen ergeben, unter denen der Beschuldigte im Jahre 2002 seine 72jährige Mutter die Treppe hinuntergestoßen haben soll. Nähere Einzelheiten zu dem Vorfall teilen die Urteilsgründe nicht mit.

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war deshalb aufzuheben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, die Gefährlichkeitsprognose unter besonderer Berücksichtigung gerade der aktuellen Vorfälle neu zu bewerten.

 

Unterschriften

Nack, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Graf

 

Fundstellen

Haufe-Index 2556131

NJW 2005, 1591

NStZ-RR 2005, 72

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