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BFH Urteil vom 21.12.1982 - VIII R 48/82

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Leitsatz (amtlich)

Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung oder der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus entfallen, sind keine nachträglichen Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, §§ 21, 21a

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1977 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Sie erwarben 1973 je zur Hälfte ein Sechs-Familien-Haus mit gewerblichen Räumen. Der Kaufpreis wurde nahezu in voller Höhe fremdfinanziert.

Der gewerblich tätige Kläger gedachte, in dem Gebäude eine Werkstatt einzurichten, und behandelte seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück als Betriebsvermögen. Er wies diesen sowie die Hälfte der mit der Anschaffung dieses Anteils zusammenhängenden Schulden in seinen Bilanzen aus. Die Klägerin hielt ihren Anteil im Privatvermögen und erklärte hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Mit Vertrag vom 26. Mai 1976 veräußerten die Kläger das Grundstück wegen mangelnder Bentabilität unter Inkaufnahme eines erheblichen Verlustes für 280 000 DM. Der Veräußerungserlös reichte zur Tilgung der auf dem Grundstück ruhenden Verbindlichkeiten nicht aus. Deshalb blieben die Kläger mit einem beachtlichen Teil der Schulden belastet, die im Veranlagungszeitraum 1977 auf den Anteil der Klägerin entfallende Zinsen von insgesamt 11 523 DM auslösten. Die Klägerin machte diese Zinsen im Rahmen nachstehender Überschußermittlung für den veräußerten Ein-Halb-An-teil als Werbungskosten geltend:

DM

Vereinnahmte Mieten für frühere Jahre 147

./. Schuldzinsen 11523

./. Kosten für eine vorzeitige Ablösung des

Darlehens einer Versicherungsgesellschaft

und Löschung der Grundschuld 3 560

./. Grundsteuer-Nachzahlung 76

Verlust 15012

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte im Einkommensteuerbescheid 1977 den Ansatz des Verlustes mit der Begründung ab, bei den Zinsen handle es sich nicht mehr um Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung, weil sie nicht zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bestimmt gewesen seien. Der Verlust sei in der privaten Sphäre entstanden.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 408 veröffentlicht ist, den nachträglichen Verlust von 15 012 DM anerkannt und die Einkommensteuer 1977 entsprechend herabgesetzt.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung beantragt wird.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Die Schuldzinsen von 11 523 DM und die Kosten von 3 560 DM für die vorzeitige Ablösung des Darlehens einer Versicherungsgesellschaft und Löschung der Grundschuld sind keine nachträglichen Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung (§§ 9, 21 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --). Die Vorentscheidung, die das verkannt hat, ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Schuldzinsen sind Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Sie können Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bereits sein, bevor die Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) oder die Nutzung der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2, § 21 a EStG) begonnen hat. Voraussetzung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist, daß sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Steuerpflichtige den Entschluß, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, endgültig gefaßt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470). Unter dieser Voraussetzung können Schuldzinsen auch dann Werbungskosten sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung kommt, der wirtschaftliche Zusammenhang mit den erstrebten Einnahmen kann genügen (BFH-Urteil vom 9. September 1980 VIII R 44/78, BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418). Danach können Zinsen für eine Schuld, welche der Steuerpflichtige aufgenommen hat, um ein Grundstück zu erwerben oder ein Gebäude zu errichten, bereits Werbungskosten sein, bevor das Gebäude fertiggestellt ist und durch Vermietung und Verpachtung oder durch Nutzung der Wohnung im eigenen Haus Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden.

2. Auch für nachträgliche Werbungskosten ist Voraussetzung, daß die Aufwendungen mit einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis i. S. einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 24 Nr. 2 EStG). Nachträgliche Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können z. B. die Kosten eines Räumungsprozesses, der gegen Mieter geführt wird, sein, sowie Abstandszahlungen an weichende Mieter (BFH-Urteil vom 6. März 1979 VIII R 110/74, BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551, m. w. N.).

Danach können auch Schuldzinsen nachträgliche Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Vorpachtung sein. Sie sind es, wenn rückständige Schuldzinsen, soweit sie auf die Zeit der Vermietung und Verpachtung oder der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus entfallen, nach Ablauf dieser Zeit bezahlt werden. Soweit sie dagegen, wie im Streitfall, auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung oder der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus entfallen, sind sie keine nachträglichen Werbungskosten. Diese Einschränkung gegenüber der rechtlichen Möglichkeit des Abzugs nachträglicher Schuldzinsen als Betriebsausgaben (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1980 I R 119/78, BFHE 133, 22, BStBl II 1981, 460, und vom 19. Januar 1982 VIII R 150/79, BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321) ist durch die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geboten (§ 2 Abs. 2 EStG). Schuldzinsen sind Betriebsausgaben, wenn sie für eine Schuld zu zahlen sind, die (negatives) Betriebsvermögen ist. Daher sind nach den Entscheidungen in BFHE 133, 22, BStBl II 1981, 460 und in BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321 Schuldzinsen, welche nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs bezahlt werden, keine nachträglichen Betriebsausgaben, soweit es der Steuerpflichtige unterläßt, die zugrunde liegende Schuld mit Mitteln abzudecken, die er aus der Verwertung der Wirtschaftsgüter oder als Veräußerungspreis erlangt hat. Denn dadurch hat er zu erkennen gegeben, daß die Schuld nicht mehr eine Betriebsschuld, sondern eine Privatschuld sein soll. Soweit dagegen die Schuld durch Verwertung der Wirtschaftsgüter oder durch den Veräußerungspreis nicht abgedeckt werden kann, bleibt sie Betriebsschuld, die Zinsen sind daher nachträgliche Betriebsausgaben.

Bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist für diese Erwägungen kein Raum. Hier gibt es kein Betriebsvermögen, die den Schuldzinsen zugrunde liegende Schuld ist keine Betriebsschuld. Die Schuldzinsen sind Werbungskosten, weil sie mit angestrebten oder zugeflossenen Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG). Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) oder die Nutzung der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2, § 21 a EStG) beendet ist. Aus dem gleichen Grund hat der Senat eine Absetzung für außerordentliche Abnutzung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG abgelehnt, wenn ein noch nicht verbrauchtes Gebäude abgerissen wird, um das Grundstück als unbebautes Grundstück veräußern zu können (BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551). Nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung oder der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus bezahlte Schuldzinsen stehen, soweit sie auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung oder der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus entfallen, nicht mehr in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Denn sie sind die Gegenleistung für die Überlassung eines Kapitals, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient.

3. Aus den gleichen Gründen sind auch die Kosten für die vorzeitige Ablösung des Darlehens einer Versicherungsgesellschaft und Löschung der Grundschuld keine nachträglichen Werbungskosten. Denn sie entfallen ebenfalls auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung und stehen deshalb nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser Einkunftsart.

4. Die Grundsteuer-Nachzahlung von 76 DM gehört zwar zu den nachträglichen Werbungskosten. Sie ist von den nachträglichen Mieteinnahmen von 147 DM abzuziehen. Der verbleibende Betrag von 71 DM bleibt wegen des Verböserungsverbots (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) außer Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74599

BStBl II 1983, 373

BFHE 1983, 47

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