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BFH Urteil vom 01.12.1992 - IX R 189/85

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Entscheidungsstichwort (Thema)

AfaA als Werbungskosten und Versicherungsentschädigungen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. AfaA eines Mietwohnhauses sind grundsätzlich im Veranlagungszeitraum des Schadenseintritts, spätestens aber im Veranlagungszeitraum der Entdeckung des Schadens als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

2. AfaA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines durch Brand zerstörten Gebäudes dürfen im Veranlagungszeitraum des Schadenseintritts nicht im Hinblick auf eine für einen späteren Veranlagungszeitraum zu erwartende Versicherungsentschädigung versagt werden, um die AfaA mit der Entschädigung im Veranlagungszeitraum des späteren Zuflusses zu verrechnen.

 

Orientierungssatz

Eine zustehende Versicherungsentschädigung kann allerdings im Zeitpunkt des Zuflusses zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören. Dies ist insoweit zu bejahen, als die Versicherungsentschädigung dazu dienen soll, Werbungskosten zu ersetzen (vgl. BFH-Beschluß vom 4.9.1990 IX B 10/90).

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 S. 4, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 2, 7, § 21 Abs. 1; HGB § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 11

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete mit Herstellungskosten von 591 758 DM ein Einfamilienhaus, das im Jahre 1979 bezugsfertig wurde. Das vermietete Gebäude brannte im Streitjahr 1980 ab. Sein Restwert betrug vor der Zerstörung 574 498 DM. Eine gesetzliche Feuerversicherungspflicht bestand für das Gebäude nicht. Die Klägerin unterhielt jedoch eine private Feuerversicherung des Gebäudes zum gleitenden Neuwert. Die Feuerversicherung zahlte ihr als Entschädigung im Jahre 1980 150 000 DM, im Jahre 1981 300 000 DM und später noch einen weiteren Teilbetrag.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte der Klägerin begehrte Absetzungen für außergewöhnliche technische Abnutzung (AfaA) für das zerstörte Gebäude in der unstreitigen Höhe von 500 000 DM. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die AfaA müßten mit dem Entschädigungsanspruch der Klägerin gegen die Versicherung verrechnet werden.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er vertritt die Auffassung, die AfaA seien als Werbungskosten ohne Rücksicht auf eine zu erwartende Versicherungsentschädigung abziehbar. Die Versicherungsentschädigung sei im Jahre ihres Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Sie könne nicht der Vermögenssphäre zugerechnet werden. Denn die Feuerversicherungsprämien seien als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.2 EStG abziehbar gewesen. Eine Saldierung von AfaA und Versicherungsentschädigung finde keine Stütze im Gesetz.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klagstattgabe.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die geltend gemachten AfaA von 500 000 DM im Streitjahr nicht als Werbungskosten abgezogen hat.

a) Nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.1 Satz 4 EStG sind AfaA zulässig. Eine AfaA eines Wirtschaftsgutes ist gegeben, wenn dieses --wie im vorliegenden Fall das Einfamilienhaus der Klägerin-- durch einen Brand zerstört worden ist. Die AfaA sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der gesetzliche Tatbestand von § 7 Abs.1 Satz 4 EStG infolge der AfaA erfüllt ist --wie im vorliegenden Fall mit der Zerstörung des Hauses der Klägerin im Streitjahr--, spätestens aber in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Steuerpflichtige die AfaA entdeckt hat. Schon der Reichsfinanzhof (RFH) hatte in seinem Urteil vom 12.März 1930 VI A 1039/29 (RStBl 1930, 270) AfaA grundsätzlich dem Veranlagungszeitraum zugerechnet, in dem die Entwertung eines Wirtschaftsguts eingetreten war. Eine spätere Geltendmachung hatte er nur dann zugelassen, wenn die Entwertung --anders als im Streitfall-- erst in einem späteren Veranlagungszeitraum entdeckt worden war, so daß dem Steuerpflichtigen eine frühere Inanspruchnahme der AfaA nicht möglich war.

b) Den Abzug der der Klägerin im Streitjahr als dem Jahr des Schadenseintritts zustehenden AfaA durfte das FG nicht mit der Begründung versagen, die AfaA müßten mit der teils zugeflossenen und teils noch zu erwartenden Entschädigung des Feuerversicherers verrechnet werden.

Diese Rechtsauffassung, die das FG im Anschluß an die Verfügung der Oberfinanzdirektionen Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart vom 5.Januar 1984 (Deutsches Steuerrecht 1984, 686) vertreten hat, ist --wie der BMF in seiner Stellungnahme mit Recht hervorhebt-- mit dem Gesetz nicht vereinbar.

Eine Verrechnung der AfaA mit einem Anspruch auf eine Versicherungsentschädigung verbietet sich bereits deswegen, weil § 7 Abs.1 EStG für die Absetzungen auf die Abnutzung des einzelnen Wirtschaftsguts abstellt. Der Anspruch auf die Versicherungsentschädigung bildet demgegenüber ein gesondertes Wirtschaftsgut. Jedes Wirtschaftsgut ist im betrieblichen Bereich nach dem Gesamtbild der Einzelbewertung für sich anzusetzen (§ 246 Abs.1, § 252 Abs.1 Nr.3 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Für die Absetzungen bei den Überschußeinkünften kann nichts anderes gelten. Denn die AfaA sind für den Bereich der Überschußeinkünfte nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen, wie sie für die Gewinneinkünfte gelten. § 7 EStG unterscheidet nicht nach Einkunftsarten (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, zu C. III. 1. c. dd).

Zudem dienen die AfaA ebenso wie die Absetzungen für Abnutzung (AfA) dem Zweck, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts zu verteilen. AfaA werden in § 7 Abs.1 Satz 4 EStG zugelassen, wenn infolge einer außergewöhnlichen Abnutzung eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach dem bisherigen Verfahren nicht mehr gerechtfertigt ist. Eine zu erwartende oder zugeflossene Versicherungsentschädigung hat --wie der BMF mit Recht in seiner Stellungnahme ausführt-- hierauf keinen Einfluß. Die Versicherungsentschädigung mindert --mangels eines Veranlassungszusammenhangs mit dem Vorgang der Anschaffung oder Herstellung-- nicht nachträglich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

2. Kann demnach die Klägerin die begehrten AfaA in der zwischen den Beteiligten unstreitigen Höhe von 500 000 DM als Werbungskosten abziehen, so kann allerdings demgegenüber die ihr zustehende Versicherungsentschädigung im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 11 Abs.1 EStG) zu ihren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehören. Dies ist insoweit zu bejahen, als die Versicherungsentschädigung dazu dienen sollte, Werbungskosten zu ersetzen (BFH- Beschluß vom 4.September 1990 IX B 10/90, BFH/NV 1991, 164), z.B. den in Form von AfaA berücksichtigten Wertverlust oder angefallene Abbruchkosten. Inwieweit dies bei dem Teilbetrag der Versicherungsentschädigung von 150 000 DM, den die Klägerin im Streitjahr erhalten hat, zutrifft, kann für die Entscheidung des Falles dahinstehen. Selbst wenn die Versicherungsentschädigung in Höhe von 150 000 DM dazu gedient haben sollte, der Klägerin den Wertverlust ihres Hauses zu ersetzen, ständen den AfaA von 500 000 DM nur Einnahmen von 150 000 DM gegenüber, mit der Folge, daß der Klage antragsgemäß stattzugeben ist. Die Einkommensteuer der Kläger ist für das Streitjahr aufgrund folgender Berechnung auf 0 DM herabzusetzen: ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 64378

BFH/NV 1993, 26

BStBl II 1994, 11

BFHE 170, 111

BFHE 1993, 111

BB 1993, 781 (L)

DB 1993, 862 (LT)

DStR 1993, 565 (KT)

DStZ 1993, 536 (K)

HFR 1993, 375 (KT)

StE 1993, 198 (K)

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