Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wegen Umzugs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers keine Anspruchsvoraussetzung. Rückforderung nur in dem Umfang, in dem ohne Rechtsgrund geleistet wurde. Kosten der Unterkunft und Heizung für nicht bewohnte Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 36 SGB 2 regelt allein die Zuständigkeit der verschiedenen Grundsicherungsträger untereinander, er ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung.

2. § 2 Abs 3 SGB 10 enthält eine allgemeine Regelung für den Fall des Wechsels des zuständigen Sozialleistungsträgers. Die Vorschrift soll die bei einem Zuständigkeitswechsel typischerweise eintretende Unterbrechung der Leistungsgewährung verhindern. Die Bestimmung enthält eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage gegenüber dem nach § 36 S 2 SGB 2 örtlich nicht mehr zuständigen Leistungsträger.

3. Der Anspruch gegenüber dem neuen Leistungsträger beschränkt sich auf den Umfang, in dem die Leistungsgewährung rechtmäßig ist und die bisher zuständige Behörde mit Rechtsgrund leistet.

4. Kosten der Unterkunft und Heizung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung sind ohne Rechtsgrund gezahlt. Insoweit stellt der Wohnortwechsel eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 SGB 10 dar und berechtigt den Leistungsträger bei Vorliegen der weiteren in § 48 SGB 10 genannten Voraussetzungen zur Aufhebung der gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. März 2010 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit mit Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2007 der Bescheid vom 7. September 2005 in Höhe von 480,56 EUR für die Zeit 29. September 2005 bis 30. November 2005 aufgehoben worden und in dieser Höhe die Erstattung gefordert worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 29. September bis 30. November 2005 aufgehoben und vom Kläger die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 1.105,21 EUR gefordert hat.

Der am ... 1982 geborene Kläger hat den Beruf des Kochs erlernt und in diesem Beruf bis zum 5. April 2005 gearbeitet. Anschließend war er arbeitslos gemeldet mit Arbeitslosengeldbezug bis 21. August 2005 in Höhe von 248,10 EUR monatlich.

Am 7. Juli 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei dem Beklagten. Als Wohnanschrift teilte er die K...-Straße 4 in 1... B... mit. Mit Bescheid vom 7. September 2005 bewilligte ihm der Beklagte für den Zeitraum 7. Juli 2005 bis 31. Juli 2005 (ergänzende) Leistungen in Höhe von 321,02 EUR, für August 2005 wegen des auslaufenden Arbeitslosengeld I-Bezuges in Höhe von 432,72 EUR sowie für die Zeit von September 2005 bis Januar 2006 gleichbleibend in Höhe von 543,54 EUR monatlich (331,00 EUR Regelleistung, 212,54 EUR Kosten der Unterkunft).

Mit Veränderungsmitteilung vom 23. September 2005, eingegangen bei dem Beklagten am 26. September 2005, teilte der Kläger mit, dass er am 28. September 2005 in die L...straße 4 nach 2... R... umziehen werde.

Am 28. September 2005 beantragte der Kläger für sich und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende C. H. die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beim Jobcenter des Kreises R... (vormals ARGE des Kreises R...). Laut Verbis-Vermerk wurde er über die Zuständigkeit und über eine Trainingsmaßnahme ProBe aufgeklärt.

Am 7. und 11. Oktober 2005 gab er die Anträge für sich und C. H. ab. Laut Verbis-Vermerk erfolgten erneute Vorsprachen am 13. Oktober und 18. November 2005 anlässlich der Teilnahme an ProBe und einer Stellenvermittlung.

Mit Schreiben vom 21. November 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er wegen des Umzugs nicht mehr zuständig sei. Er möge sich spätestens bis zum 8. Dezember 2005 bei dem für ihn zuständigen Jobcenter des Kreises R... melden. Mit weiterem Schreiben vom 21. November 2005, adressiert an die vormalige Anschrift K...-Straße 4 in 18246 B..., hörte der Beklagte den Kläger zu einer Überzahlung von zu Unrecht bezogenen Leistungen für die Zeit vom 29. September bis 30. November 2005 und die Erstattung von 1.105,21 EUR an (zweimal 212,54 EUR, zweimal 331,00 EUR, einmal anteilig für einen Tag Regelleistung und KdU in Höhe von 18,13 EUR).

Mit Bescheiden vom 25. November 2005 und 16. März 2006 gewährte das Jobcenter des Kreises R... dem Kläger und C. H. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006 und mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 für die Zeit vom 28. September 2005 ...

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