Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an Teileinspruchsentscheidung: Negative Abgrenzung des Umfangs der Bestandskraft – Übergehen eines abhilfefähigen Streitpunkts in der Begründung der Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Teileinspruchsentscheidung i.S.d. § 367 Abs. 2a AO legt nur vor, wenn die Finanzbehörde hierin im Sinne einer negativen Abgrenzung bestimmt hat, welche Teile des Einspruchs nicht bestandskräftig werden sollen und in welchem Umfang das Einspruchsverfahren daher fortgeführt wird.

2. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren ihre Abhilfebereitschaft hinsichtlich eines von zwei Streitpunkten signalisiert hatte und sodann in der Begründung der den Einspruch gegen den betroffenen Steuerbescheid zurückweisenden Einspruchsentscheidung lediglich auf den streitig gebliebenen Punkt eingeht.

 

Normenkette

AO § 367 Abs. 1, 2a

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.05.2022; Aktenzeichen V R 31/20)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2006 vom 31.03.2011 mit der Begründung, ein seinerzeit vor dem erkennenden Senat bereits wegen dieses Steuerbescheides anhängiges und durch beidseitige Erledigungserklärung abgeschlossenes Klageverfahren - 5 K 1176/13 U - habe sich lediglich auf eine Teil-Einspruchsentscheidung des Finanzamts gemäß § 367 Abs. 2a der Abgabenordnung - AO - bezogen, hinsichtlich der Steuerpflicht von Provisionsumsätzen sei hingegen das Einspruchsverfahren weiterhin anhängig.

Der Kläger hatte durch Schreiben vom 20.04.2011 u.a. gegen den - infolge einer bei ihm für die Jahre 2006-2008 durchgeführten Betriebsprüfung - geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2006 Einspruch eingelegt. Der Bescheid vom 31.03.2011 enthält den Hinweis, dass er nach § 164 Abs. 2 AO geändert worden sei. In dem Änderungsbescheid wird der bis dahin bestehende Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Einen Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO enthält der Bescheid nicht.

In seinem Einspruchsschreiben vom 20.04.2011 wendete sich der Kläger zum einen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus drei Rechnungen einer Firma F i.H.v. 13.403 € und zum anderen gegen die Erhöhung der steuerpflichtigen Provisionserlöse des Klägers (steuerliche Auswirkung: 20.906,39 €). Durch Verfügung vom 28.07.2011 bewilligte das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides für 2006 zunächst i.H.v. 20.306,39 € und durch weitere Verfügung vom 28.7.2011 i.H.v. 34.360,54 €.

Nach - vom Finanzamt unwidersprochen gebliebener - Einlassung des Klägers fand hinsichtlich der Frage der Steuerpflicht der Provisionseinnahmen während des laufenden Einspruchsverfahrens am 08.02.2012 in den Räumen des Finanzamts ein Erörterungsgespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten, Herrn B, statt, bei dem man sich dahingehend einigte, dass hinsichtlich der streitigen Provisionszahlungen keine Umsatzsteuerpflicht des Klägers bestehe und dass insoweit die Umsatzsteuer für 2006 um 20.906,39 € zu verringern sei. Trotz dieser Einigung erging in der Folgezeit kein Teilabhilfebescheid.

Circa ein Jahr später wies das beklagte Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 den Einspruch wegen des ”Streitgegenstandes Umsatzsteuer 2006“ mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aus den drei Rechnungen der Firma F seien nicht erfüllt. Mit den ebenfalls streitigen Provisionsumsätzen befasste sich das Finanzamt in den Ablehnungsgründen seiner Einspruchsentscheidung nicht. In der Einspruchsentscheidung befindet sich der Hinweis: ”Der Bescheid ergeht weiterhin vorläufig gemäß § 165 AO bezüglich der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte.“

Bezugnehmend auf diese Einspruchsentscheidung erhob der Kläger durch Schriftsatz vom 10.04.2013 Klage u.a. ”wegen Umsatzsteuer für 2006 festgesetzt durch Bescheid vom 31.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013“ und stellte den Antrag, ”den Bescheid für 2006 über Umsatzsteuer vom 31.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2013 insoweit zu ändern, dass unter Berücksichtigung von zusätzlichen Vorsteuerbeträgen für Renovierungsarbeiten für veräußerte Wohnungen i.H.v. 13.403 € die Umsatzsteuer herabgesetzt wird“. Die Klage war unter dem Aktenzeichen 5 K 1176/13 U anhängig.

Im Hinblick auf die anhängige Klage ordnete das Finanzamt durch Verfügung vom 22.4.2013 erneut die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2006 für die Dauer des Klageverfahrens i.H.v. 34.960,54 € und damit sowohl für die auf die streitigen Provisionsansprüche (i.H.v. 20.906,39 €) sowie auf die Versagung des Vorsteuerabzugs (i.H.v. 13.403 €) entfallende Umsatzsteuer an.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Zeugenvernehmung am 22.11.2017 erklärten die Beteiligten ausweislich des Sitzungsprotokolls u.a. ”den Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2006“ übereinstimmend für erledigt.

Das Klageverfahren wu...

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