USt-Steuerfestsetzung in Bauträgerfällen

Die Rückabwicklung der Umsatzsteuerfestsetzung in sog. Bauträgerfällen beschäftigt weiterhin die Gerichte: Muss der leistende Bauunternehmer nachträglich die Umsatzsteuer als Steuerschuldner selbst übernehmen? Besteht die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Anspruch auf Umsatzsteuerrückerstattung gegenüber dem Leistungsempfänger an das Finanzamt abzutreten? Eigentlich muss das Finanzamt diese Abtretung annehmen. Wird die Abtretung aber erst nach Jahren erteilt, gilt dieser Grundsatz nicht.

Die Umsatzsteuerschuld wird dann zwar erhöht, es kommt aber nicht zu einer automatischen Aufrechnung mit dem Rückerstattungsanspruch des leistungsempfangenden Unternehmens. Der Anspruch muss dann zivilrechtlich durchgesetzt werden.

Rückblick: Bauträger keine Bauleistende nach § 13b UStG

Bereits mit Urteil v. 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) entschied der BFH, dass ein Bauträger kein Bauleister i.S.d. § 13b UStG sei und dieser auf empfangene Bauleistungen die Steuer nicht nach § 13b UStG schulde. Die Finanzverwaltung hatte dies zuvor mit BMF, Schreiben v. 16.10.2009 (BStBl I 2009, 1298: anzuwenden für Umsätze ab 2010) anders als zuvor beurteilt (siehe BMF, Schreiben v. 31.3.2004, BStBl I 2004, 453 Rz. 17 und R 182a Abs. 17 UStR 2005).

Als Reaktion auf diese unliebsame Rechtsprechung nahm der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl 2014, 1266) eine wichtige Übergangsregelung zur Rückverlagerung der Umsatzsteuerschuld bei Leistungen an Bauträgern auf.

§ 27 Abs. 19 UStG enthält Regelungen, wie zu verfahren ist, wenn der Leistungsempfänger in sog. Altfällen (Umsätze, die vor dem 15.2.2014 ausgeführt wurden) die entrichtete Umsatzsteuer zurückfordert.

Gegen den Leistungserbringer kann in diesem Fall die Steuerfestsetzung für noch nicht festsetzungsverjährte Besteuerungszeiträume (§ 169 Abs. 1 AO) geändert werden (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG).

Der Gesetzgeber will hiermit verhindern, dass sich der Leistungserbringer auf die Vertrauensschutztatbestände des § 176 AO wirksam berufen kann. Dies gilt jedoch einschränkend nur dann, wenn ihm gegen den Leistungsempfänger ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer zusteht. Nur in diesem Fall rechtfertigt der mit § 27 Abs. 19 UStG verfolgte Zweck die Einschränkung des abgabenrechtlich durch § 176 AO gewährleisteten Vertrauensschutzes (BFH, Urteil v. 23.2.2017, V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760).

Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG).

Sachverhalt: Rückabwicklung eines Bauträgerfalls

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Der Kläger B betreibt ein Einzelunternehmen mit dem Gegenstand Elektroinstallation.
  • Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Bauleistungen, die der Kläger im Jahr 2009 an die A-KG ausführte.
  • Den Bauleistungen liegen Werkverträge zugrunde, die u. a. vorsehen, dass der Kl. Forderungen aufgrund des Vertrags gegen die A-KG nur mit schriftlicher Zustimmung der A-KG an Dritte abtreten oder verpfänden darf.
  • Der Kläger rechnete diese Leistungen im Jahr 2009 vereinbarungsgemäß unter Anwendung von § 13b UStG (Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger) ab.
  • Die A-KG übernahm zunächst die Umsatzsteuer als Steuerschuldner.
  • Nach einer Rechtsprechungsänderung (BFH, Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128) forderte die A-KG das Finanzamt auf, ihr die abgeführte Umsatzsteuer zu erstatten. Da ihr kein Vorsteuerabzug hieraus zustand, musste die Höhe des Vorsteuerabzugs nicht korrigiert werden.
  • Das Finanzamt folgte diesem Antrag und informierte den Kläger darüber mit Schreiben v. 20.11.2014.
  • Das Finanzamt wies den Kläger darauf hin, dass er nunmehr als Steuerschuldner in Anspruch genommen werde (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG). Er sei auch verpflichtet, berichtigte Rechnungen auszustellen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) und die geschuldete USt nach Maßgabe von § 18 UStG anzumelden.
  • Außerdem wies das Finanzamt darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, den gesamten sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen die A-KG an das Finanzamt abzutreten. Mit der Abtretung könne der Kläger seine USt-Schuld erfüllen (§ 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG).
  • Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert und weder berichtigte Rechnungen erstellt noch eine berichtigte USt-Jahreserklärung eingereicht hatte, setzte das Finanzamt die USt 2009 mit einem nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten, endgültigen Bescheid unter Einschluss der Umsätze an die A-KG fest.
  • Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass der bestandskräftige – nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende - Bescheid nicht durch § 27 Abs. 19 UStG geändert werden könne. Zudem fehle es an einem abtretbaren Anspruch, da dieser durch die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungsempfänger ausgeschlossen sei.

Erste Entscheidungen des BFH: Rückverweis wegen fehlender Tatsachenfeststellung

Die Steuerfestsetzung kann gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (BFH, Urteil v. 23.2.2017, V R 16/16 (V R 24/16).

Strittig war im ersten Rechtsgang, ob dem leistenden Unternehmer ein solcher Anspruch zustand. Das FG Berlin-Brandenburg ging hiervon aus (Urteil v. 28.6.2018, 5 K 5261/15). Der BFH hob diese Entscheidung auf und verwies den Fall wegen fehlender Tatsachenfeststellungen an das FG zurück (BFH, Beschluss v. 27.7.2020, V B 78/18).

Der BFH wies aber auf Folgendes hin: Im Falle eines vertraglichen Abtretungsverbots könne die Abtretung gleichwohl wirksam sein, weil das die Forderung begründende Geschäft für beide Parteien ein Handelsgeschäft darstelle (BFH, Beschl. v. 27.7.2020, V B 78/18; vgl. auch § 354a HGB).

Sachverhaltsergänzung nach der BFH-Entscheidung v. 27.7.2020 (a.a.O.)

Nach der BFH-Entscheidung erstellte der Kläger am 28.12.2020 Bruttorechnungen, wobei nunmehr der Anspruch gegenüber dem leistenden Unternehmen an die Finanzverwaltung abgetreten wurde. Das Finanzamt änderte zwar den Umsatzsteuerbescheid 2009, lehnte aber die angebotene Abtretung ab.

FG Berlin-Brandenburg: Umsatzsteuerbescheid änderbar – Ablehnung des Abtretungsangebotes wirksam

Im zweiten Rechtsgang ging das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 24.6.2021, 2 K 5261/15) von einem Zahlungsanspruch gegen die A-KG auf Zahlung der Umsatzsteuer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aus, wenn der Bauträger vom FA die Erstattung der Umsatzsteuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gem. § 27 Abs. 19 UStG die USt abführen zu müssen.

Allerdings musste das Finanzamt die Abtretung in diesem Fall ausnahmsweise nicht annehmen, weil der Kläger im Entscheidungsfall seine Mitwirkungspflichten verletzt hat. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt vor, wenn erst sechs Jahre nach der Mitteilung des Finanzamts Bruttorechnungen erstellt werden und ein Abtretungsangebot vorgelegt wird.

Entscheidung des BFH v. 31.1.2024: Revision des Klägers unbegründet

Auch der BFH hält die Revision des Klägers für unbegründet und weist diese aus folgenden Erwägungen zurück:

Die Umsatzsteuer konnte gegenüber dem leistenden Unternehmer geändert werden, da ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Der Nachforderungsanspruch in Höhe der für die Leistung gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer ergibt sich durch die ergänzenden Vertragsauslegungen (vgl. auch BFH, Urteil v. 24.5.2023, XI R 45/20, BStBl II 2023, 1082 Rz. 31).

Für die Frage, ob ein Anspruch verjährt ist, kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides an; dieser wurde im Entscheidungsfall während der Festsetzungsfrist erlassen.

Von der Frage der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist die Frage zu trennen, ob ein Abtretungsangebot von der Finanzverwaltung angenommen wird.

Selbst wenn die Finanzverwaltung ein Abtretungsangebot nicht annimmt, schließt dies die erhöhte Umsatzsteuerfestsetzung nicht aus. Die Regelungen in § 27 Abs. 19 Satz 1 und Satz 3 EStG sind unabhängig voneinander zu prüfen.

Praxisfolgen

Wer zu spät kommt, den bestraft nicht nur das Leben, sondern auch das Finanzamt. Gleichwohl sollte in dem Entscheidungsfall nicht verkannt werden, dass ein zivilrechtlicher Anspruch gegenüber dem leistungsempfangenden Unternehmer unter Berücksichtigung zivilrechtlicher Verjährungsregelungen geltend gemacht werden könnte.

BFH, Urteil v. 31.1.2024, V R 24/21; veröffentlicht am 25.4.2024

Alle am 25.4.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

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