Die Fußstapfentheorie des BFH und Konsequenzen für die Beratungspraxis

[Ohne Titel]

Harald Schwetlik, RA/StB[*]

Wird im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft die Beteiligung an der Organschaft übertragen, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erwerber in das bestehende ertragsteuerliche Organschaftsverhältnis eintritt bzw. ab welchem Zeitpunkt der Erwerber zur Organgesellschaft ein neues Organschaftsverhältnis begründen kann. Die vom BFH vertretene sog. "Fußstapfentheorie" spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Deren Anwendbarkeit auf diese Organschaftsproblematik hat der BFH 2023 in vier Entscheidungen v. 11.7.2023 konkretisiert und präzisiert (BFH v. 11.7.2023 – I R 21/20, GmbH-StB 2024, 35 [Schwetlik]; BFH v. 11.7.2023 – I R 36/20, GmbH-StB 2024, 37 [Schwetlik]; BFH v. 11.7.2023 – I R 40/20, GmbH-StB 2024, 38 [Schwetlik]; BFH v. 11.7.2023 – I R 45/20, GmbH-StB 2024, 39 [Schwetlik]).

Im folgenden Beitrag werden nach einem kurzen Problemaufriss (I.) diese BFH-Entscheidungen dargestellt und analysiert – und zwar unter Berücksichtigung der von der Finanzverwaltung derzeit vertretenen Auffassung zu dieser Problematik (II.). Zudem wird der Frage nachgegangen, inwieweit die vom BFH herausgearbeiteten Grundsätze auf Konstellationen übertragbar sind, die höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden wurden (III.). Unter IV. werden abschließende Beraterhinweise gegeben.

[*] Der Autor ist tätig bei RSM Ebner Stolz, Hamburg.

I. Darstellung der Grundproblematik

Besteht eine ertragsteuerliche Organschaft und geht die Organbeteiligung auf einen anderen Rechtsträger über, werden folgende Fragestellungen relevant:

  • Kommt es zu einem automatischen Übergang des Ergebnisabführungsvertrages (EAV) auf den Erwerber?
  • Unter welchen Voraussetzungen tritt der Erwerber als neuer Organträger (OT) in die ertragsteuerliche Organschaft ein?
  • In welchen Fällen muss der bestehende EAV beendet und durch einen neuen EAV ersetzt werden? Wie kann dabei eine Organschaftspause vermieden werden?

Zu diesen Fragestellungen im Einzelnen:

1. Zivilrechtliche Aspekte

a) Übertragung der Organbeteiligung durch Einzelrechtsnachfolge

Wird die Organbeteiligung an einer GmbH durch Anteilsabtretung im Wege der Einzelrechtsnachfolge abgetreten, geht der EAV nicht auf den Anteilserwerber über, sondern bleibt weiterhin mit dem Veräußerer (= OT) bestehen.[1]

Steuerlich ist die Organschaft aber nicht mehr anzuerkennen, da die Organgesellschaft (OG) mit der Anteilsveräußerung nicht mehr in das Unternehmen des bisherigen OT (= Anteilsveräußerers) finanziell eingegliedert ist (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG).

Zivilrechtlich gilt der EAV aber fort, d.h. der Veräußerer hat weiterhin

  • einen Anspruch auf Gewinnabführung und
  • die Verpflichtung zum Verlustausgleich.

Da eine solche zivilrechtliche Fortgeltung eines steuerlich nicht anzuerkennenden EAV in der Regel nicht gewollt sein dürfte, ist der EAV auf den Zeitpunkt der Anteilsveräußerung zu beenden, und zwar – sofern zivilrechtlich möglich – durch Kündigung oder Aufhebung.

Beraterhinweis Wird diese Problematik übersehen, können sich für die involvierten Berater erhebliche Haftungsrisiken ergeben.[2]

[1] Vgl. Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rz. 731 (März 2021); Wirth, DB 1990, 2105; Herrmann, BB 1999, 2270; Fenzel/Antoszkiewicz, FR 2003, 1061 ff. Sofern die Veräußerung an einen außenstehenden Gesellschafter erfolgt, könnte der EAV analog § 307 Abs. 1 AktG enden. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die GmbH ist aber höchstrichterlich noch ungeklärt und wird derzeit in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. zum Meinungsstand: Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Tz. 729, 730 [März 2021]).
[2] Vgl. dazu Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rz. 731 m.w.N.

b) Übertragung der Organbeteiligung durch Gesamtrechtsnachfolge

Wird der OT auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen, geht nach allgemeiner Auffassung der EAV zusammen mit der Organbeteiligung auf den übernehmenden Rechtsträger gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG über.[3] Entsprechendes gilt, wenn der OT eine Personengesellschaft ist und diese auf einen anderen Rechtsträger anwächst.[4] Beim übernehmenden Rechtsträger kann es sich auch um eine natürliche, als Alleingesellschafter beteiligte Person handeln, die bei einer Verschmelzung grundsätzlich im Handelsregister eingetragen sein muss (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 122 UmwG).[5] Beachten Sie: Die Anwachsung einer Personengesellschaft wird hingegen auch ohne Registereintragung zivilrechtlich wirksam.

[3] Winter in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 20 UmwG Rz. 55–59 m.w.N.; Marsch-Barner/Oppenhoff in Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rz. 18–22 m.w.N.
[4] Durch das seit 2024 geltende MoPeG wurde das Gesamthandsprinzip zwar im Personengesellschaftsrecht abgeschafft, nicht jedoch die Anwachsung einer Personengesellschaft auf ihren letzten verbleibenden Gesellschafter (vgl. dazu Bühler, NZG 2024, 51 ff. unter II.2 m.w.N.).
[5] Marsch-Barner/Oppenhoff in Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 3 Rz. 17 und Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 122 Rz. 9.

c) Übertragung der Organbeteiligung durch partielle Gesamtrechtsnachfolge

Bei der partiellen Gesamtrechtsnachfolge wird ein Teil des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers "als Gesamtheit" auf eine...

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