Wird ein privatschriftliches Testament in der Wohnung des Erblassers gefunden und kann ausgeschlossen werden, dass Dritte ungehinderten Zugriff darauf hatten, ist davon auszugehen, dass Veränderungen an der Urkunde vom Erblasser selbst vorgenommen wurden.

Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kann davon ausgegangen werden, dass großflächige Durchstreichungen, die sich über die gesamte Urkunde erstrecken, in Widerrufsabsicht angebracht worden sind.

OLG München v. 13.10.2023 – 33 Wx 73/23

BGB § 2255

Beraterhinweis Nach § 2255 Satz 1 BGB kann der Widerruf eines Testaments auch durch Vernichtung der Testamentsurkunde oder durch Vornahme von Veränderungen an ihr erfolgen, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Eine solche Veränderung kann insb. durch Zerrreißen, Zerschneiden, Durchstreichen, Unlesbarmachen oder Anbringen eines Ungültigkeitsvermerks erfolgen (OLG München v. 28.1.2020 – 31 Wx 229/19, NJW-RR 2020, 329; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2255 Rz. 1).

Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder verändert, so wird nach § 2255 Satz 2 BGB vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Dafür, dass die Vernichtung oder Veränderung vom Erblasser selbst vorgenommen wurde, gibt es hingegen keine gesetzliche Vermutung. Im Erbscheinsverfahren trägt die Feststellungslast derjenige, der sich auf die Widerrufshandlung beruft (BayObLG v. 22.7.1983 – BReg. 1 Z 49/83, BayObLGZ 1983, 204; OLG Köln v. 12.11.2003 – 2 Wx 25/03, NJW-RR 2004, 1015; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2255 Rz. 11). Erst wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Erblasser das Testament selbst vernichtet oder verändert hat, greift die gesetzliche Vermutung des § 2255 Satz 2 BGB ein.

Befand sich die veränderte Urkunde bis zuletzt im Gewahrsam des Erblassers und liegen keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür vor, dass die Veränderungen von Dritten vorgenommen wurden, dürfen die Anforderungen an den Beweis, dass die Veränderung der Urkunde auf eine Handlung des Erblassers zurückzuführen ist, aber nicht zu hoch angesetzt werden (BayObLG v. 22.7.1983 – BReg. 1 Z 49/83, BayObLGZ 1983, 204; OLG Stuttgart v. 25.3.2020 – 8 W 104/19, FamRZ 2021, 312; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2255 Rz. 11). In einem solchen Fall kann schon der erste Anschein dafür sprechen, dass die Veränderungen vom Erblasser selbst vorgenommen worden sind (BayObLG v. 22.7.1983 – BReg. 1 Z 49/83, BayObLGZ 1983, 204).

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