Rn. 304
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Das lt I. Senat (s Rn 303) dogmatisch verselbstständigte "Rechtsinstitut" der Betriebsaufspaltung hat Auswirkungen insb hinsichtlich der GewStPfl der Pachteinnahmen (idR wegen § 35 GewStG weniger bedeutsam) und der Steuerverhaftung der stillen Reserven im verpachteten "Betriebs"-vermögen des Besitzunternehmens; diese Rechtsfortbildung ist aber lt BVerfG (s Rn 303) verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine weitere Rechtsfolge ist die Anwendung der Abfärberegelung bei Besitz-PersGes auf übrige Einkünfte, s Rn 301.
ME haben wir es bei den in der Praxis häufig auftretenden Fällen der unechten Betriebsaufspaltung – s Rn 302 zu (2) – mit einem steuerverschärfenden Analogieschluss zu tun, der der Rspr grundsätzlich verwehrt ist (auch s Bsp unter s Rn 305 zu (2)). Rose, DB 7/1995, I führt hierzu aus:
Zitat
"Wenn etwa das Fehlen der Möglichkeit einer Annahme von ‚Sonder-BV’ bei KapGes durch die Konstruktion einer (unechten und ungewollten) Betriebsaufspaltung ersetzt wird, mit deren Hilfe man privates Grundvermögen eines Gesellschafters zu gewerblichem BV macht, … dann ergeben sich Zweifel, ob ausschließlich der Wunsch nach Verwirklichung einer gerechten Besteuerung das Motiv für eine derartige Handhabung ist oder nicht vielmehr doch so etwas wie ein ‚Jagdeifer’ im Vordergrund steht."
Der Anwendungsbereich der Betriebsaufspaltung wurde zudem im Bereich der sachlichen Verflechtung im Hinblick auf die Einbeziehung von Bürogebäuden (s Rn 341) und Einzelhandelsfilialen (s BFH v 19.03.2009, BStBl II 2009, 803) immer weiter ausgedehnt.
Der Rechtssicherheit dient auch nicht die Feststellung des BFH, dass, ob eine Betriebsaufspaltung vorliegt, "nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden" ist (so BFH BFH/NV 2010, 208).
Die Betriebsaufspaltung ist auch aufgrund zT erratischer Rspr – s BFH IV BStBl II 2012, 136 zu einer Rückausnahme bei einem Spezialfall der personellen Verflechtung – ein erhebliches Risiko.
Das vormals auch zur Rechtfertigung der Betriebsaufspaltung herangezogene Argument, dass das "Rechtsinstitut" bei Begründung der Betriebsaufspaltung die Versteuerung der stillen Reserven der WG der Besitz-PersGes vermeide, ist nach Einführung von § 6 Abs 6 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 und dem vorhergehenden Erlass des BMF v 27.03.1998, DStR 1998, 766 (Teilentgeltlichkeit bei Übernahme von Verbindlichkeiten) hinfällig: s Rn 376.
Eine geplante (klarstellende) gesetzliche Regelung (BR-Drucks 165/85) ist mit der Begründung unterblieben, dass der BFH die Grundsätze über die ertragsteuerliche Beurteilung der Betriebsaufspaltung beibehalten werde: BT-Drucks 10/4513, 63. Das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung hat es inhaltlich oder wörtlich inzwischen auch in die Steuergesetze geschafft (s Rn 303).
Allerdings ist
- zum einen die Entstehung einer Betriebsaufspaltung ua durch Gestaltung der Stimmrechte in Besitz- und Betriebsgesellschaft vermeidbar (s Rn 320–320a),
- zum anderen wird das Risiko einer ungewollten Betriebsaufgabe, wenn die betriebliche Sachgesamtheit als solche beim verpachtenden StPfl verbleibt, wegen des Vorliegens einer bloßen Betriebsunterbrechung ieS oder subsidiären Betriebsverpachtung durch § 16 Abs 3b EStG (Verpächterwahlrecht) verringert: s Rn 421–422 iVm s Rn 144.
Probleme können sich bei Option zur KSt-Besteuerung gem § 1a KStG (auch s Rn 13f) ergeben, wenn sich die Besitz-PersGes oder, bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung ggf auch die Betriebs-PersGes, auf Antrag ertragsteuerlich zukünftig als KapGes behandeln lassen will/wollen (zur Problematik im Einzelnen s Rn 427), wenn die Betriebsaufspaltung jedoch (auch) auf der Beteiligung von funktional wesentlichen WG des Sonder-BV basiert (insb Grundbesitz und andere betriebsnotwendige WG, s Rn 363), weil die Option nach § 1a Abs 1 KStG nur das Gesamthandsvermögen der PersGes erfasst.
Rn. 305
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Neben den in s Rn 314 im Einzelnen aufgezeigten systemischen steuerlichen Nachteilen der Betriebsaufspaltung gegenüber einer Einheits-PersGes/Einheits-GmbH oder AG kann das Richterrechtsinstitut folgende unvorhergesehene gravierende Nachteile bewirken:
(1) |
Verheerende Steuerfolgen kann insb die unerkannte unechte Betriebsaufspaltung bei ihrer ungewollten Beendigung (dazu s Rn 351 – bei immateriellen WG durch Übertragung einer Marke auf einen Dritten – und s Rn 400 zu (3)(g)) bei getrennter Übertragung von Besitz- und Betriebsunternehmen auf Tochter und Sohn) dadurch auslösen, dass neben dem Grundbesitz bzw den zur Nutzung überlassenen immateriellen WG auch die Anteile an der Betriebs-KapGes notwendiges (Sonder-)BV sind und als zwangsentnommen gelten: s BFH v 22.10.2013, X R 14/11, BStBl II 2014, 158 Rz 25 ff und BFH v 29.11.2012, BFH/NV 2013, 910. |
(2) |
Auch die Beendigung der personellen Verflechtung durch einen von mehreren Gesellschaftern der Besitz-PersGes in Form einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung nur der in seinem Sonder-BV II befindlichen Anteile an der Betriebs-GmbH ohne ... |