Rz. 221

[Autor/Stand] Ebenso wie bei der Abgrenzung einer zulässigen Verdachtsbegründung vom unzulässigen Pauschalverdacht (s. dazu Rz. 152 ff.) bedarf es auch bei der Schwelle für steuerrechtliche Ermittlungen zusätzlich zu der allgemeinen Erfahrung eines konkreten Moments, anhand dessen die Erfahrung in Bezug auf bestimmte Hinterziehungsfelder gewürdigt werden kann. Die Voraussetzung "allgemeine Erfahrung" verdeutlicht zunächst nur, dass der hinreichende Anlass gerade eine geringere Eingriffsschwelle darstellt als der strafrechtliche Anfangsverdacht. Sie allein reicht aber nicht aus.

 

Rz. 222

[Autor/Stand] Beispielsweise beziehen sich allgemeine Erfahrungen mit Schwarzumsätzen nicht auf bestimmte Geschäfte oder Produkte etc. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eben nicht alle Stpfl. steuerehrlich sind. Lediglich einzelne Fälle vermögen daher keinen spezifischen, hinreichend abgrenzbaren Kreis potentieller Stpfl. darzulegen, der Anlass für Vorfeldermittlungen der Steufa bietet[3] (zu branchenspezifischen Erkenntnissen sogleich s. Rz. 226 ff.). Sollen einzelne aufgedeckte Fälle von Steuerzuwiderhandlungen Anlass für eine Überprüfung anderer Stpfl. des gleichen Geschäftsbereichs bieten, darf nicht das konkrete Geschäft im Einzelfall nunmehr eine allgemeine Fahndungserfahrung begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob dieses Geschäft spezifische Merkmale für ein Hinterziehungsfeld aufweist, womit die Gruppe der zu überprüfenden Stpfl. über die grundsätzliche Gewissheit von Steuerhinterziehung hinreichend eingegrenzt wird[4].

 

Rz. 223

[Autor/Stand] Diese Anforderungen werden auch deutlich, wenn man sich die praktische Notwendigkeit der steuerrechtlichen Vorfeldermittlungen vor Augen führt. Zwar besteht auch ohne einen absolut sicheren empirischen Nachweis die Gewissheit, dass – bei einzelnen Gruppen oder Tätigkeitsfeldern mehr, bei anderen weniger – nicht alle Personen ihren Steuerpflichten ordnungsgemäß nachkommen. Können diese Fälle aber nicht genau spezifiziert werden, ist dies doch gerade der Grund dafür, dass die Steufa überhaupt Vorfeldermittlungen auch unterhalb der Schwelle eines Anfangsverdachts aufnehmen darf. Damit ist sie jedoch noch nicht zu konkreten Ermittlungsmaßnahmen befugt. Die allgemeinen Erfahrungssätze müssen vielmehr mit konkreten Ansatzpunkten untermauert und aktualisiert werden, woraus sich der Anlass ergibt, mit einer konkreten Maßnahme gegen bestimmte Personen vorzugehen.

 

Rz. 224

[Autor/Stand] Bedeutsam wurde der Begriff "hinreichenden Anlass" auch in der Auseinandersetzung über die Fertigung von Kontrollmitteilungen über die steuerlichen Verhältnisse anderer als des im Zuge der Außenprüfung geprüften Steuerpflichtigen nach § 194 Abs. 3 AO. Grundsätzlich benötigt § 194 Abs. 3 AO keinen besonderen Anlass für eine Kontrollmitteilung (s. Rz. 555 sowie § 397 Rz. 12.1). Aufgrund der Geltung des zum 25.6.2017 aufgehobenen § 30a AO[7] (Schutz von Bankkunden), verlangte die Rspr. des BFH für die Fertigung von Kontrollmitteilungen bei Außenprüfungen von Banken im Hinblick auf deren Kunden aber einen hinreichenden Anlass[8]. Damit sollte in diesen Fällen dem Schutzzweck des § 30a AO a.F. Geltung verschafft werden. Nach der Streichung des § 30a AO sind aber Kontrollmitteilungen auch bei Banken nach den allgemeinen Kriterien möglich[9].

 

Rz. 225

[Autor/Stand] Da Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO aber einen hinreichenden Anlass erfordern, verbliebe zur Auslegung dieses Begriffs grundsätzlich auch die angeführte Rspr. des BFH. Insoweit hatte der VII. Senat des BFH[11] gefordert, dass aufgrund des § 30a AO a.F. Kontrollmitteilungen i.S.v. § 194 Abs. 3 AO, für die eben kein besonderer Anlass erforderlich ist, anlässlich von Bankenprüfungen nur zulässig sind, wenn hierfür ein hinreichender Anlass besteht. Dem schien jedoch ein engeres Verständnis des hinreichenden Anlasses zugrunde zu liegen. Zwar lehnte sich der VII. Senat im Ausgangspunkt an die Definition eines solchen Anlasses im Rahmen der §§ 93, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an, doch konkretisierte er für Ermittlungen bei Banken diesen Begriff mit Blick auf die besondere Schutzrichtung des § 30a Abs. 3 a.F. AO und verlangte, dass die allgemeine Erfahrung, selbst wenn sie sich auf bestimmte Bereiche bezieht, "im Einzelnen" benannt wird und sich "in Bezug zu den aktuell gewonnenen Erkenntnissen" setzen lässt[12]. Mithin wurde der Begriff des hinreichenden Anlasses im Bereich des § 30a AO a.F. i.V.m. § 194 Abs. 3 AO abweichend betrachtet als bei den Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO.

 

Rz. 226

[Autor/Stand] Insgesamt werden in der Rspr. überwiegend geringe Anforderungen an derartige Umstände (Anlass für Vorfeldermittlungen) gestellt. Branchenspezifische Erkenntnisse, dass ein gewisser Anreiz für steuerunehrliches Verhalten besteht, und die Erfahrung, "bei welchen Betrieben steuerunehrliches Verhalten gehäuft in Erscheinung tritt"[14], sollen ausreichen[15]. Für Vorfeldermittlungen der Steufa (insb. durch Sammelauskunftse...

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