Rz. 26

Die Veröffentlichung der Abschlussberichte stellte nicht das Ende des BEPS-Prozesses, sondern lediglich ein Etappenziel dar.[1] Mit der Veröffentlichung der Abschlussberichte hat die Implementierungsphase der Maßnahmen begonnen. Während die EU rechtlich verbindlich für ihre Mitgliedsstaaten auf Grundlage des Art. 288 AEUV Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse erlassen bzw. fassen kann, verfügt die OECD über keine derartige Rechtsetzungskompetenz.[2] Die Abschlussberichte des BEPS-Projekts stellen daher reine Empfehlungen (sog. "soft law") dar und lösen rechtlich keinen Befolgungszwang aus.[3] Die am BEPS-Projekt beteiligten Staaten sind somit grundsätzlich nicht verpflichtet, die Vorschläge der OECD umzusetzen. Dennoch wird von allen Staaten, die sich dem BEPS-Projekt angeschlossen und damit den BEPS-Aktionsplan akzeptiert haben, erwartet, dass sie die Empfehlungen in ihr nationales Recht umsetzen.[4] Dies wird u. a.darauf zurückgeführt, dass sich die Mitgliedstaaten gem. Art. 18 der Verfahrensordnung der OECD verpflichtet haben, die OECD-Regelungsempfehlungen auf ihre Angemessenheit zu prüfen und bei ihnen daher im Falle der Nichtumsetzung ein Rechtfertigungszwang entsteht.[5]

Der Rat der EU möchte jedoch eine wirksame, rasche und koordinierte Umsetzung der Anti-BEPS-Maßnahmen auf EU-Ebene erzielen. Dabei sind seiner Auffassung nach EU-Richtlinien das bevorzugte Mittel zur Umsetzung der BEPS-Regelungsempfehlungen.[6] Bereits drei Monate nach Veröffentlichung der BEPS-Abschlussberichte wurde daher der Entwurf einer RL präsentiert, durch die einige der OECD-Regelungsempfehlungen EU-weit umgesetzt werden sollen. Nach wenigen Anpassungen wurde der Vorschlag am 12.7.2016, entsprechend der Vorgaben des Art. 115 AEUV, verabschiedet und am 19.7.2016 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die als "Anti Tax Avoidance Directive "(ATAD) bezeichnete RL enthält neben Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (bezieht sich auf Aktionspunkt 3 des BEPS-Projekts) und zu Zinsabzugsbeschränkungen (bezieht sich auf Aktionspunkt 4 des BEPS-Projekts) auch Regelungen zur Abwehr von hybriden Gestaltungen. Die Verabschiedung der RL macht die Umsetzung der entsprechenden OECD-Regelungsempfehlungen für die EU-Mitgliedstaaten somit rechtsverbindlich, da es sich dabei um sog. "hard law" handelt.[7] Für die Mitgliedstaaten besteht eine Verpflichtung, von der EU verabschiedete RL in ihr nationales Recht umzusetzen.[8] Durch die Verabschiedung der ATAD wird steuerpolitisch ein Paradigmenwechsel der EU markiert, da sie sich erstmals nicht darauf beschränkt, steuerliche Hemmnisse des Binnenmarkts abzubauen, sondern die Mitgliedstaaten verpflichtet, Eingriffstatbestände zum Schutz gegen steuerlichen Missbrauch zu schaffen oder zumindest an einen bestimmten Mindeststandard anzupassen.[9]

 

Rz. 27

In Bezug auf hybride Gestaltungen enthielt die erste Fassung der ATAD (ATAD I) jedoch nur rudimentäre Vorgaben.[10] Nach Art. 9 Abs. 1 ATAD I soll hybriden Gestaltungen, soweit diese zu einem doppelten Abzug führen, der Abzug nur in dem Mitgliedstaat gewährt werden, aus dem die entsprechende Zahlung stammt. Art. 9 Abs. 2 ATAD I bestimmt, dass, soweit eine hybride Gestaltung zu einem steuerlichen Abzug bei gleichzeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung führt, der Mitgliedstaat des Zahlenden den Abzug der entsprechenden Zahlung verweigern soll. Diese Regelung bildet damit im Wesentlichen die im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 2 empfohlene vorrangige Gegenmaßnahme für sog. D/NI- bzw. DD-Konstellationen ab.

Problematisch war, dass die Bestimmungen der ATAD I zum Teil stark von den BEPS-Regelungsempfehlungen abweichen. Dies betrifft zum einen den Anwendungsbereich der Bestimmungen der ATAD I, der im Vergleich zu den BEPS-Regelungsempfehlungen deutlich enger gefasst wurde. Gem. Art. 2 Abs. 9 ATAD I werden ausschließlich Strukturen erfasst, die sich zwischen Mitgliedstaaten abspielen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass hybride Gestaltungen, bei denen zumindest eins der beteiligten Unternehmen in einem Drittstaat ansässig ist, nicht unter den Anwendungsbereich der ATAD I fallen. Zum anderen wird in Art. 9 ATAD I nicht auf hybride Gestaltungen bei Betriebsstätten, hybride Übertragungen, eingeführte Inkongruenzen sowie Inkongruenzen aufgrund doppelter Ansässigkeit Bezug genommen, obwohl diese auch Gegenstand des OECD-Abschlussberichts zu Aktionspunkt 2 sind. Schließlich wurde im Rahmen des Art. 9 ATAD I auf die im OECD-Abschlussbericht zu Aktionspunkt 2 vorgesehene, sekundäre Gegenmaßnahme, die nachrangige Abwehrregel (Defense Rule), verzichtet, die als Reaktion auf Staaten ohne primäre Gegenmaßnahmen bei hybriden Gestaltungen zur Anwendung kommen sollte. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass der Anwendungsbereich der RL gem.Art. 1 ATAD I auf KSt-Subjekte begrenzt ist. Hybride Gestaltungen treten hingegen, wie eingangs erläutert, u. a. aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Qualifikation von Rechtsträgern auf. Da Personengesellschaften allerdings ...

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