Rz. 333

Liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG vor, wird die Ausübung des Gestaltungsrechts zwingend steuerneutral behandelt. Ohne die Vorschrift des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG würde die Ausübung als Einlösung oder Rückzahlung einer Kapitalforderung zu einem stpfl. Veräußerungsgewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG führen. § 20 Abs. 4a S. 3 EStG schließt eine Besteuerung dagegen aus, indem er anordnet, dass im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG das Entgelt für den Erwerb der Forderung als Veräußerungspreis der Forderung und als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen ist. Damit werden die Anschaffungskosten der aufgrund der Ausübung des Gestaltungsrechts gelieferten Wertpapiere mit den Anschaffungskosten der Kapitalforderung gleichgesetzt, was im Ergebnis dazu führt, dass kein Veräußerungsgewinn entsteht.[1] Anders als § 20 Abs. 4a S. 1 EStG bestimmt § 20 Abs. 4a S. 3 EStG also nicht, dass ein steuerbarer Tatbestand nicht verwirklicht ist. Vielmehr fingiert die Vorschrift lediglich eine Bemessungsgrundlage von "Null" EUR und erreicht auf diese Weise eine steuerneutrale Behandlung des Vorgangs.[2] Eine Besteuerung erfolgt erst, wenn die gelieferten Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt weiterveräußert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Wertpapieren enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt. Da der Tatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG bei der Ausübung eines Gestaltungsrechts somit erfüllt ist, kann der Stpfl. eventuell anfallende Transaktionskosten steuermindernd geltend machen. Insofern liegen Aufwendungen i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 1 EStG vor, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit einem Veräußerungsgeschäft stehen und die von den Kreditinstituten in den Verlustverrechnungstopf i. S. d. § 43a Abs. 3 S. 2 EStG einzustellen sind.

 

Rz. 334

Anders als bei § 20 Abs. 4a S. 1 EStG kann es in den Konstellationen des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG zu einer Wiederverstrickung stiller Reserven kommen, die aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a. F. bereits steuerfrei waren.[3] Bis zur Einführung der Abgeltungsteuer konnte die Ausübung eines Gestaltungsrechts bei einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG eine Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. auslösen, sofern man ausgehend vom Wortlaut dieser Vorschrift vom Vorliegen einer Finanzinnovation ausging. Nach Auffassung des BFH war der Wortlaut des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. in Anbetracht von Sinn und Zweck der Vorschrift aber zu weit geraten. Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen Nutzungsentgelt und Wertsteigerung ohne größeren Aufwand voneinander getrennt werden konnten, waren aus dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. auszuscheiden.[4] Ausgehend hiervon wird man Wandelanleihen[5] und Optionsanleihen[6] nicht als Finanzinnovationen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. einordnen können, da bei diesen eine Trennung zwischen Nutzungsentgelt und Wertsteigerung möglich erscheint. Bei Aktienanleihen und Umtauschanleihen dürfte dies dagegen anders zu beurteilen sein.[7] Im Rahmen der Bestimmungen zum zeitlichen Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer hat die Trennbarkeit von Nutzungsentgelt und Wertsteigerung bei Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dagegen keine Bedeutung mehr. Alle Kapitalforderungen, die unter den Wortlaut des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. fallen, gelten nach § 52a Abs. 10 S. 7 Halbs. 3 EStG als Finanzinnovationen, für die im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer kein Bestandsschutz gewährt wird. Insofern findet § 52a Abs. 10 S. 6 EStG Anwendung, wonach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG für alle Erträge aus der Einlösung und Veräußerung von Kapitalforderungen gilt, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Damit kommt es zu einer Wiederverstrickung steuerfreier stiller Reserven, wenn die fragliche Kapitalforderung nach der Rspr. des BFH keiner Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG a. F. unterlegen hat und die Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a. F. bereits abgelaufen ist. Durch § 20 Abs. 4a S. 3 EStG wird dies nicht verhindert. Die Besteuerung der stillen Reserven wird lediglich bis zur Weiterveräußerung der im Rahmen der Ausübung des Gestaltungsrechts gelieferten Wertpapiere aufgeschoben. § 52a Abs. 10 S. 7 Halbs. 3 EStG führt daher dazu, dass einem in der Vergangenheit begonnen und bereits abgeschlossenen Vorgang im Nachhinein eine andere Rechtsfolge zugemessen wird. Eine solche echte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig.[8] Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, § 52a Abs. 10 S. 7 Halbs. 3 EStG ersatzlos zu streichen, sofern er sich nicht dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit aussetzen will.[9]

 

Rz. 335

Für den Fall, dass in Ergänzung zu den gelieferten Wertpapieren eine bare Zuzahlung geleistet wird, bestimmt § 20 Abs. 4a S. 3 Halbs. 2 EStG, dass § 20 Abs. 4a S. 2 EStG entsprechend anzuwenden ist. Zu einer bare...

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