Entscheidungsstichwort (Thema)
Wortlautgetreue Auslegung und Anwendung des sogenannten Bankenprivilegs für Finanzdienstleistungsinstitute. keine Anwendung des Bankenprivilegs auf Finanzierung der Gesellschaftereinlage eines atypisch still an dem Finanzdienstleistungsinstitut Beteiligten. rückwirkende Anwendung von § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV 2010 ab 2008 verfassungsrechtlich zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV (i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8.4.2010, BGBl 2010 I S. 386) ist wortlautgetreu auszulegen; eine Hinzurechnung von Entgelten für Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hat daher bei dem Finanzdienstleistungsinstitut nur zu unterbleiben, soweit die Entgelte unmittelbar auf Finanzdienstleistungen entfallen. Das sog. Bankenprivileg umfasst deswegen nicht die als Sonderbetriebsausgaben abgezogenen Aufwendungen eines atypisch an dem Finanzdienstleistungsinstitut beteiligten stillen Gesellschafters für die Fremdfinanzierung seiner Gesellschaftereinlage bei dem Finanzdienstleistungsinstitut.
2. Insoweit, als die Neufassung des Bankenprivilegs für Finanzdienstleistungsinstitute in § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV (i. d. F. v. 8.4.2010) gem. § 36 Abs. 3 S. 2, 1. HS GewStDV (i. d. F. v. 8.4.2010) rückwirkend ab dem Erhebungszeitraum 2008 anzuwenden ist, liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung vor.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a; GewStDV 2010 § 19 Abs. 4 S. 1, § 36 Abs. 3 S. 2; GG Art. 20 Abs. 3; KWG § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 10
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu Recht die Anwendung des § 19 Abs. 4 Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (sog. Bankenprivileg) versagt hat.
Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Jahren 2009 bis 2013 Kommanditistin der A. Grundstückgesellschaft mbH & Co. KG (nachfolgend: A-KG) war. Mit Wirkung zum … 2013 schied die Komplementärin A. Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH aus der A-KG aus. Damit wurde die einzige verbliebene Kommanditistin, die Klägerin, durch Anwachsung gemäß §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) i.V.m. § 738 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Gesamtrechtsnachfolgerin der KG. Die A-KG wurde ohne Liquidation vollbeendet.
Gegenstand des Unternehmens der A-KG war der Erwerb, die Vermietung und die Verwaltung von Grundstücken und beweglichen Sachen und die Errichtung und Verwaltung von Baulichkeiten aller Art sowie das Eingehen von Beteiligungen zu diesem Zweck, ausgenommen waren Tätigkeiten oder Geschäfte, die in § 34c Gewerbeordnung (GewO) aufgeführt sind. Im Zeitraum 2009 bis 2013 führte die A-KG unstreitig ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 Kreditwesengesetz (KWG) durch. Sie hatte eine aus mehreren Grundstücken bestehende Immobilie an einen Vertragspartner verleast. In den Streitjahren war die B.. Grundstücksgesellschaft mbH & Co KG (B-KG) an der A-KG atypisch still beteiligt. Die B-KG hatte ihre Einlage teilweise fremdfinanziert (Darlehensvertrag vom 20. September/1. Oktober 2002). Das Darlehen betrug anfänglich 25.100.000 EUR und erhöhte sich jährlich um die geschuldeten Zinsen (Zinssatz: 5,2 %). Die Klägerin machte die Zinsaufwendungen der B-KG als Sonderbetriebsausgaben geltend. Die entsprechenden Refinanzierungsaufwendungen aus dem Darlehensverhältnis zwischen der B-KG und der Bank wurden im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen von der Finanzverwaltung als Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt. Für Zwecke der Gewerbesteuer machte die A-KG geltend, als Finanzdienstleistungsinstitut gemäß § 1 Abs. 1a KGW sei sie berechtigt, das Gewerbesteuerprivileg nach § 19 Abs. 4 GewStDV in Anspruch zu nehmen. Die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Gewerbesteuergesetz (GewStG) unterbleibe deshalb. Dies gelte auch für die Refinanzierungsaufwendungen der B-KG. Dem folgte das Finanzamt bei der Erstveranlagung der Streitjahre.
Mit Schreiben vom 30. April 2014 ordnete der Beklagte (nachfolgend: Finanzamt) eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 2009 bis 2012 an. Im abschließenden Bericht vom 7. Januar 2015 vertrat der Prüfer die Auffassung, die von der atypisch still Beteiligten B-KG getragenen Zinsen zur Finanzierung ihrer Gesellschaftereinlagen seien dem Gewinn aus Gewerbebetrieb als Entgelte für Schulden gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu einem Viertel wieder hinzuzurechnen. Ein Ausnahmetatbestand gemäß § 19 GewStDV (Begünstigung nach dem Bankenprivileg) liege nicht vor, da die Entgelte nicht unmittelbar auf Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG entfallen seien. Dem schloss sich das Finanzamt an. Es änderte unter dem 18. März...