Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für im Jahr 2016 wegen eines Lipödems im Stadium II durchgeführte Liposuktion (Fettabsaugung) ohne vorab eingeholtes amtsärztliches Gutachen bzw. MDK-Bescheinigung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine im Jahr 2016 durchgeführte Liposuktion (operative Fettabsaugung infolge eines Lipödems) wegen eines Lipödems im Stadium II war in dem für die steuerliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung (Operation) keine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode (Abgrenzung von dem zum Veranlagungszeitraum 2017 ergangenen Urteil des Sächsischen Finanzgerichts, Urteil v. 10.9.2020, 3 K 1498/18; Anschluss an BFH, Urteil v. 18.6.2015, VI R 68/16; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.9.2017, 7 K 1940/17, EFG 2017 S. 194; FG München, Urteil v. 26.10.2015, 7 K 596/13 sowie an das Gutachten Liposuktion bei Lipödemen der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes des Bund der Krankenkassen e. V. vom 6.10.2011); insoweit ist die im Jahre 2019 vorläufig vorgenommene Neubewertung für ein Lipödem im Stadium III, wonach die Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium III zur Erprobung bis zum 31.12.2024 befristet Kassenleistung wird, unerheblich.
2. Da es sich bei der Liposuktion im Streitjahr 2016 nicht um eine wissenschaftliche Behandlungsmethode gehandelt hat, setzt der Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung voraus, dass der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Maßnahmen und Aufwendungen nach § 33 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung – MDK – erbracht wird, die jeweils vor Beginn der Behandlung ausgestellt worden sein müssen.
Normenkette
EStG 2016 § 33 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. a, f., Abs. 2, § 84 Abs. 3 f.; SGB V §§ 2, 23, 31, 275
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob auf Aufwendungen … für eine „Liposuktion” als außergewöhnliche Belastung im Veranlagungszeitraum 2016 (Streitjahr) geltend gemacht werden können.
Die Klägerin – … – bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit …. In ihrer beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 machte die Klägerin Aufwendungen für eine „Liposuktion und Surgical Needling bei Lipödem Grad II, Typ 3” geltend. Auf die Rechnung … der Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie … wird Bezug genommen. Weiter legte die Klägerin zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit mehrere ärztliche Bescheinigungen vor:
- Ärztliches Attest der Ärzte …
- Ärztliches Attest der Ärzte …
- Verlaufskontrolle der Ärztin …
- Amtsärztliche Stellungnahme …
Aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigung geht unter anderem hervor, dass die Operation aus medizinischer Sicht sinnvoll und indiziert war.
Die amtsärztliche Stellungnahme … betrifft nicht die streitgegenständliche Liposuktion …, sondern eine später in 2018 durchgeführte Liposuktion ….
Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an …. In den Erläuterungen zur Festsetzung war ausgeführt, dass die Aufwendungen für eine Liposuktion und Surgical Needling nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, da kein vor der Behandlung ausgestelltes Amtsärztliches Gutachten über die medizinische Notwendigkeit vorliege ….
Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage trägt die Klägerin folgendes vor:
…
Zusammenfassend sei zu sagen, dass nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Vorlage der ärztlichen Behandlung diese vertretbar und auch notwendig gewesen sei. … Weiter erging am … ein Hinweis an beide Parteien, wonach aus der im Bundesanzeiger vom 06.12.2019 veröffentlichen Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit hervorgeht, dass zwischenzeitlich die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III eine anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist. … Weiter werde auf das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 10.09.2020 (Az.: 3 K 1498/18) hingewiesen das nunmehr die Kosten einer Liposuktion bei einem Lipödem im Veranlagungszeitraum 2017 als außergewöhnliche Belastu ng anerkannt habe. …
Die Klägerin beantragt,
…
Hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
…
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wurde zurecht versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest oder ein Zeugnis des medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen wurde.
1.) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrz...