rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für die Liposuktion im Jahr 2007 keine außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i. d. F. des StVereinfG 2011zum Zwecke des Nachweises der Zwangsläufigkeit der Behandlung ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist – aufgrund der in § 84 Abs. 3 f EStDV angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i. d. F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (vgl. BFH, Urteil v. 19.4.2012, VI R 74/10) – auch in noch verfahrensrechtlich „offenen” Streitjahren vor 2011 bei krankheitsbedingten Aufwendungen für „wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden” erforderlich.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung i. S. d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. f EStDV ist der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung.

3. Bei einer zur Behandlung des bei der Steuerpflichtigen diagnostizierten Lipödems durchgeführten Liposuktion handelte es sich im Streitjahr 2007 um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode i. S. d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. f EStDV (Anschluss an BFH, Urteil v. 18.6.2015, VI R 68/14 sowie Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 1.10.2014, 2 K 272/12). Ein Abzug als außergewöhnliche Belastung ist daher unzulässig, wenn vor der Behandlung kein amtsärztliches Gutachten eingeholt wurde und eine zwischen den Behandlungsterminen eingeholte Bescheinigung des Gesundheitsamtes sogar ausdrücklich bestätigt, dass im vorliegenden Fall die Liposuktion keine anerkannte Behandlungsmethode sei.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1-2; EStDV 2011 § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. f, § 84 Abs. 3f

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Behandlung eines Lipödems (Liposuktion) als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) absetzbar sind.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2007 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte als Kauffrau Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte sie Aufwendungen in Höhe von insgesamt 12.228 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Hiervon entfiel ein Betrag i.H.v. 11.520 EUR auf im Streitjahr geleistete Vorauszahlungen von Operationskosten und sonstigen Kosten an die Firma O GmbH im Therapiezentrum X sowie Arztrechnungen des dort tätigen Dr. A für eine am 27. November 2007, am 15. Januar 2008 und am 7. April 2008 durchgeführte Liposuktion. Daneben waren in den geltend gemachten Aufwendungen Beträge für Rezeptgebühren (2 × 30,34 EUR sowie 18,64 EUR), eine Kompressionsstrumpfhose (10 EUR), ein amtsärztliches Zeugnis (71,30 EUR), Fahrtkosten zum Therapiezentrum (337,20 EUR) sowie Aufwendungen für einen „Schnuppertag medizinische Leistung” (99 EUR) enthalten. Die Operation am 27. November 2007 erfolgte an den Beinen außen, die Operation am 15. Januar 2008 an den Beinen innen und die Operation der Arme folgte am 7. April 2008.

Nach einem privatärztlichen Attest der Praxis B vom 26. Juli 2007 sei im Sommer 2006 ein Lipödem diagnostiziert, zwischenzeitlich eine Gewichtsreduktion von 15 Kilo erreicht und die Patientin mit Kompressionsstrümpfen versorgt worden. Bei der klinischen Untersuchung finde sich das deutliche Lipödem nicht nur an den Beinen, sondern auch an den Oberarmen. Als Empfehlung wurde eine Fortführung der bisherigen entstauenden Maßnahmen vorgeschlagen, eventuell die Durchführung einer Liposuktion.

Die Krankenkasse der Klägerin lehnte die Kostenübernahme für die Liposuktion durch Bescheid vom 8. November 2007 ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Aussage des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen handle es sich bei der beantragten Liposuktion um eine unkonventionelle Behandlungsmethode. Diese sei so lange von der vertraglichen Kassenleistung ausgeschlossen, bis der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Eine solche Empfehlung liege für diese Methode bislang nicht vor. Es stünden aus schulmedizinischer Sicht Behandlungsmöglichkeiten, nämlich die konservative Behandlung mittels komplexer physikalischer Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Krankengymnastik) zur Verfügung. Vor dem Hintergrund könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen; die daraufhin eingelegte Klage vor dem Sozialgericht blieb erfolglos.

Die Klägerin legte Atteste des behandelnden Arztes Dr. A vor. Dieser vertrat im Att...

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