rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit der Rspr. des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. An der Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe von 0,5 % pro Monat bestehen auch in Anbetracht der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen (Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 - BVerfGE 158, 282) keine ernstlichen Zweifel.
  2. Die Ungleichbehandlung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO und Aussetzungszinsen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt (Anschluss an Urteil des FG München vom 07.09.2022 - 15 K 358/22 -, juris).
 

Normenkette

AO §§ 237, 238 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine GmbH, begehrt mit ihrem Antrag die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides über die Festsetzung von Aussetzungszinsen unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BverfG - vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 - (BVerfGE 158, 282-388) sowie auf im Nachgang hierzu ergangene Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH -.

Der Antragsgegner, das Finanzamt, setzte durch Bescheid vom 10.09.2021 Aussetzungszinsen unter Berücksichtigung der §§ 237, 238 und 239 der Abgabenordnung - AO - betreffend die von der Vollziehung ausgesetzte Umsatzsteuer für 2010 (Aussetzungsbetrag:…€) für den Zeitraum 01.12.2016 bis 9.12.2020 bzw. 28.12.2020 (= 48 Monate) in Höhe von insgesamt…€ gegen die Antragstellerin fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 13.09.2021 hat das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 25.02.2022 als unbegründet zurückgewiesen. Eine hiergegen erhobene Klage ist beim beschließenden Senat derzeit unter dem Aktenzeichen 12 K 595/22 AO anhängig. Einen beim Finanzamt gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides, soweit hierin Zinsen für einen Zeitraum nach dem 30.12.2018 erfasst worden seien, hat dieses durch Schreiben vom 25.10.2021 abgelehnt.

Daraufhin hat die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung - FGO - beantragt, soweit in dem Zinsbescheid Aussetzungszinsen für den Zeitraum ab dem 01.01.2019 erfasst worden sind (=23 Monate x 0,5 % von…€ =…€).

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 - (BVerfGE 158, 282-388) bilde der Zinssatz nach § 233a AO i.V.m, § 238 der AO von monatlich 0,5% ab dem Verzinsungszeitraum 2014 den durch eine späte Steuerfestsetzung entstehenden Zinsvorteil nicht mehr hinreichend ab. Weiter habe das BVerfG entschieden, dass für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO nicht mehr anwendbar sei als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.

Diese Rechtsprechung sei auch auf die Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO mit der Folge zu übertragen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zinsbescheides vom 10.09.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.02.2022 für die Berechnung der Zinsen ab dem Zeitraum 01.01.2019 bestünden.

Ein besonderes berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung sei vorliegend nicht erforderlich, da sich insoweit die aktuelle Entscheidung des 5. Senats des BFH (BFH-Beschluss vom 23. Mai 2022 - V B 4/22 (AdV) - (juris), die zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen im Sinne von § 240 AO ergangen sei, auf die Aussetzungszinsen übertragen lasse. Dies habe auch der 8. Senat des BFH in einem weiteren Beschluss vom 11. November 2022 - VIII B 64/22 (AdV) - (juris) bestätigt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 10.09.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.02.2022 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, soweit hierin Aussetzungszinsen für den Zeitraum ab dem 01.01.2019 erfasst werden;

hilfsweise, die Beschwerde zum BFH zuzulassen

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner, das Finanzamt - FA -, ist der Auffassung, dass sich der Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 - (BVerfGE 158, 282-388) nicht auf den Zinssatz von Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO beziehen lasse, da das Gericht selbst seine Entscheidung ausdrücklich nur auf Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO bezogen habe. Im Gegensatz zu Nachzahlungszinsen habe die Antragstellerin das Entstehen von Aussetzungszinsen selbst in der Hand gehabt, da sie das Entstehen dieser Zinsen durch Begleichung der ausgesetzten Beträge bei Fälligkeit hätte vermeiden oder verkürzen können.

Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des BFH bei der Frage des Vorliegens von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes ein besonderes berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung erforderlich, welches die Antragstellerin nicht dargelegt habe. Dies habe der 2. Sen...

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