Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungswirtschaftliche Verwendung. Tilgung eines als Gesamtrechtsnachfolger übernommenen Darlehens durch den Erben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Unter dem Begriff der Anschaffung im Sinne von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist ein entgeltlicher Erwerbsvorgang zu verstehen.

2. Die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten stellt, soweit sie auf den Erbteil entfallen, keine Anschaffungskosten dar.

3. Eine wohnungswirtschaftliche Verwendung kann auch vorliegen, wenn ein Erbe ein zur Anschaffung oder Herstellung begünstigten Wohnraums aufgenommenes Darlehen tilgt, das er im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen hat.

4. Erforderlich für die Entnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags ist eine ununterbrochene Kausalität zwischen der Tilgung des Darlehens und dem ursprünglich für die Anschaffung oder Herstellung aufgewandten Darlehens.

 

Normenkette

EStG § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 92b Abs. 1 S. 3; AO § 45

 

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, abweichend von dem Bescheid vom 4. Juli 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2023 im Sinne des § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG mitzuteilen, dass eine wohnungswirtschaftliche Verwendung bis zur Höhe von 29.584,18 EUR vorliegt.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger zur Tilgung eines Darlehens, welches dieser im Wege der Erbfolge als Alleinerbe übernommen hat, die Auszahlung von begünstigtem Altersvorsorgevermögen zu gewähren ist.

Der Kläger verfügt über ein gefördertes Altersvorsorgevermögen bei der B… GmbH (Anbieter), welches sich Ende 2021 auf 31.096,93 EUR belief.

Der Kläger lebt seit 2017 in einer 1998 errichteten Wohnung seiner vorverstorbenen Ehefrau C…, unter der Adresse D…-straße, E…, Flur …, Flurstück … (Wohnung). Diese war seinerzeit durch den Umbau eines Kuhstalls entstanden. Der Antrag auf Baugenehmigung und die Kommunikation zum Baufortschritt mit der Kreisverwaltung erfolgten durch die Schwiegereltern des Klägers, die auch Eigentümer des Grundstücks waren. In der Kommunikation zwischen zwei Ingenieuren wurde das Bauvorhaben als BV „C… in E…” bezeichnet. Der Schwiegervater des Klägers beantragte 1997 die Teilung der damaligen Flur … Flurstück … und …, um landwirtschaftliche Flächen von Wohnflächen abzugrenzen. Die Ehefrau des Klägers wurde durch Auflassung und Teilungserklärung vom 14. Mai 1998 Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich die Wohnung befindet. Zur Finanzierung der Herstellung der Wohnung nahm die Ehefrau des Klägers verschiedene Darlehen auf, für die Grundschulden eingetragen wurden. Jedenfalls eines der Darlehen wurde 2015 durch die Ehefrau des Klägers umgeschuldet (Darlehen F… Bank).

2021 verstarb die Ehefrau des Klägers. In der Folge wurde der Kläger Alleinerbe und als Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Zudem übernahm er die (umgeschuldeten) Darlehen als Nachlassverbindlichkeiten.

Am 25. Februar 2022 stellte der Kläger einen Antrag auf Entnahme des gesamten geförderten Kapitals aus seinem Altersvorsorgevermögen zur Tilgung des Darlehens F… Bank. Im Antragsverfahren trug er vor, auch wenn Unterlagen teilweise auf seine vormaligen Schwiegereltern verweisen würden, sei die Wohnung durch seine verstorbene Ehefrau errichtet worden. Das Darlehen F… Bank habe seine verstorbene Ehefrau zur Refinanzierung eines Darlehens aufgenommen, welches sie damals zur Finanzierung des Bauvorhabens verwendet habe.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf wohnungswirtschaftliche Verwendung gemäß § 92b Einkommensteuergesetz (EStG) ab, da die Wohnung im Wege der Erbfolge und mithin nicht entgeltlich erworben worden sei.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 19. August 2022. Er habe sich sechs Wochen stationär im Bundeswehrkrankenhaus in G… befunden und erst am Tag seiner Entlassung (dem 12. August 2022) von dem Bescheid Kenntnis erlangt. Ihm sei die Entnahme aus seinem Altersvorsorgevermögen zu gewähren. Voraussetzung sei nur der Erwerb von Wohnraum. Auch ein Erwerb im Wege der Erbfolge stelle einen Erwerb dar. Er habe durch die Erbfolge auch die Darlehen übernehmen müssen, so dass er zwangsweise mit Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks belastet sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2023 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zwar sei dem Kläger aufgrund seines schlüssigen Vortrages zu seinem Krankenhausaufenthalt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, so dass der Einspruch zulässig sei. Jedoch habe der Kläger die begünstigte Wohnung durch Erbfall unentgeltlich erworben. Hieran ändere auch die Übernahme der Darlehen nichts.

Der Kläger hat am 3. März 2023 K...

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