Leitsatz

1. In den Vergleich, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, ist im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer einzubeziehen (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2015 ‐ VIII R 14/13, BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806).

2. In einen entsprechenden Vergleich sind auch anzurechnende Abzugsbeträge einzubeziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einbeziehung der nacherklärten Kapitalerträge in die Veranlagung und die damit verbundene erhöhte Steuerfestsetzung nicht das Ziel des Änderungsbegehrens, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Erstattung der inländischen Abzugsbeträge ist. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids kann in diesen Fällen nur nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen.

3. In einen entsprechenden Vergleich sind auch die mit den nacherklärten Kapitalerträgen in Zusammenhang stehenden, anrechenbaren ausländischen Steuerbeträge und EU-Quellensteuern einzubeziehen, deren Anrechnung und Erstattung erreicht werden soll. Auch in diesem Fall ist die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig.

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 AO, § 32d Abs. 1 und 6, § 36 Abs. 2 Satz 2, § 43 Abs. 5 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte in den Streitjahren neben geringen Einkünften aus gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit Einkünfte aus Kapitalvermögen. In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre 2010 bis 2012 beantragte er die Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG. Das FA setzte die ESt für die Streitjahre auf jeweils 0 EUR fest. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen unterwarf es der tariflichen ESt. Dies führte zur Erstattung der anrechenbaren KapESt und des Solidaritätszuschlags.

Nach Eintritt der Bestandskraft der ESt-Bescheide erklärte der Kläger bisher nicht erklärte Kapitalerträge nach, die nur teilweise dem inländischen Steuerabzug unterlegen hatten. Die beantragte Besteuerung der nacherklärten Kapitalerträge mit der tariflichen ESt hätte zur Folge gehabt, dass sich in den Streitjahren zwar höhere Steuerfestsetzungen ergeben hätten. Die Einbeziehung dieser Kapitalerträge in die Veranlagung hätte jedoch zugleich zu einer Erstattung von KapESt- und Solidaritätszuschlagsbeträgen sowie ausländischer Steuer bzw. EU-Quellensteuer geführt. Das FA lehnte die Änderung der bestandskräftigen ESt-Festsetzungen ab. Nach seiner Auffassung kam eine Änderung der bestandskräftigen ESt-Bescheide nicht in Betracht, da es an einer Änderungsnorm fehlte. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen nach seiner Ansicht nicht vor, da sich infolge der Anrechnung der Steuerabzugsbeträge insgesamt eine niedrigere Steuer ergeben hätte.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.5.2017, 3 K 268/15, Haufe-Index 11875000, EFG 2018, 1333). Das FG war der Auffassung, die begehrte Änderung der bestandskräftigen ESt-Bescheide sei gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig.

 

Entscheidung

Die hiergegen erhobene Revision des FA war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Die Klage war zulässig, obwohl der Kläger eine Erhöhung der auf 0 EUR festgesetzten ESt für die Streitjahre begehrte. Es fehlt nicht an der Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 FGO. Denn die von ihm begehrte Einbeziehung der nacherklärten Kapitalerträge in die Steuerfestsetzung ist nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Voraussetzung für die Erstattung der KapESt, der ausländischen Steuer und der EU-Quellensteuer. Somit ist der Kläger durch die Nichtberücksichtigung der nacherklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen in den Streitjahren und die Steuerfestsetzung i.H.v. 0 EUR beschwert.

2. Die Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids setzt jedoch auch bei einem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG voraus, dass die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift vorliegen. Vorliegend kam diesbezüglich allein § 173 AO in Betracht. Dem FA war die Tatsache, dass der Kläger weitere Kapitaleinkünfte erzielt hatte, erst nachträglich bekannt geworden.

3. Entscheidend ist dabei die Frage, ob sich die Korrektur der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO richtet. Ob die angestrebte Änderung zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führt, kann im Rahmen des § 173 Abs. 1 AO grundsätzlich nur aus einem Vergleich der ursprünglichen mit der beabsichtigten Steuerfestsetzung abgeleitet werden. Anzurechnende Abzugs- oder Vorauszahlungsbeträge sind grundsätzlich nicht mit in die Betrachtung einzubeziehen.

4. Dies gilt nach Auffassung des BFH jedoch aufgrund der Verklammerung von Festsetzungs‐ und Erhebungsverfahren nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ausnahmsweise dann nicht, wenn die Einbeziehung der nacherklärt...

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