Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. kein Eintritt einer Sperrzeit bei rechtswidriger Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB III und damit für eine Minderung der SGB II-Leistungen nach § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II aF liegen nicht vor, wenn ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Leistungsberechtigten keine grob fahrlässige Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit darstellt, weil die unmittelbar - ohne vorherige Abmahnung - ausgesprochene Kündigung durch den Arbeitgeber rechtswidrig war.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. August 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechts-züge zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Minderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 1.077 EUR.

Der am ... 1987 geborene alleinstehende Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB II von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend Beklagter). Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2011 in Höhe von monatlich 563 EUR. Die Leistung setzt sich zusammen aus der Regelleistung von 359 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung von 204 EUR. Diese Bewilligungsentscheidung wurde bestandskräftig.

Am 4. Juni 2010 erstellte die Beklagte einen Vermittlungsvorschlag für den Kläger und forderte diesen auf, sich bei der t. Personallogistik und -dienstleistungen GmbH (Arbeitgeberin) auf das Stellenangebot Helfer in der Solarbranche zu bewerben. Am 14. Juni 2010 nahm der Kläger eine unbefristete Beschäftigung als Hilfskraft bei der Arbeitgeberin auf. Vereinbart war eine Tätigkeit von 40 Stunden/Woche. Am dem 14. Juni 2010, einem Montag, arbeitete der Kläger nach seinen Aufzeichnungen zwei Stunden und am darauffolgenden Dienstag fast sechs Stunden. Nach Aktenlage verletzte sich der Kläger am dritten Tag, dem 16. Juni 2010 und war anschließend bis einschließlich Freitag, 18. Juni 2010, arbeitsunfähig. Am Montag, dem 21. Juni 2010 war der Kläger von 8:00 bis 15:30 Uhr und am Dienstag, 22. Juni 2010, von 8:00 bis 15:00 Uhr beschäftigt.

Die Arbeitgeberin erteilte dem Kläger nach Aktenlage mit Schreiben vom 21. Juni 2010 eine erste Abmahnung: Der Kunde, die ... AG, habe mitgeteilt, dass der Kläger die Baustelle am 21. Juni 2010 unerlaubt verlassen habe. Darüber hinaus habe der Baustellenleiter den Kläger mehrfach aufgefordert, das Rauchen einzustellen und zügiger zu arbeiten. Weiterhin halte der Kläger die Pausenzeiten nicht ein und drücke sich vor der Arbeit. Ob und wann dem Kläger die erste Abmahnung zugegangen ist, steht nicht fest. Mit Schreiben vom 22. Juni 2010 erteilte die Arbeitgeberin nach Aktenlage eine zweite Abmahnung: Der Kläger habe sich erneut am 22. Juni 2010 unerlaubt von der Baustelle entfernt. Nach wie vor halte sich der Kläger nicht an die vorgegebenen Pausenzeiten und rauche oder sitze während der Arbeitszeit. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit weiterem Schreiben vom 22. Juni 2010 fristlos, hilfsweise fristgemäß. Als Grund wurde angegeben, dass der Kläger wegen mangelnden Arbeitswillens bereits eine Abmahnung erhalten habe. Die Arbeitgeberin gab die Kündigung und die zweite Abmahnung mit Einwurfeinschreiben am 22. Juni 2010 um 16:27 Uhr zur Post auf. Die zweite Abmahnung ging dem Kläger zusammen mit der Kündigung zu.

Am 24. Juni 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass das seit 14. Juni 2010 bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt worden sei und legte das Kündigungsschreiben vor. Der Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 29. Juni 2010 zur beabsichtigten Absenkung der Leistungen an: Der Kläger habe die zumutbare Beschäftigung aufgegeben. Nach bisherigem Erkenntnisstand lägen rechtfertigende Gründe nicht vor. Im Anhörungsschreiben informierte der Beklagte darüber, dass das Verhalten eine Sanktion nach sich ziehen könne, wenn der Kläger für sein Verhalten keinen wichtigen Grund gehabt habe. Die Sanktion dauere drei Monate und führe voraussichtlich zu einer Minderung des Leistungsanspruchs in Höhe von 100% der Regelleistung. Werde die Regelleistung aufgrund der Sanktion um mehr als 30% gemindert, könnten in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden, sofern keine anderweitigen eigenen Mittel zur Verfügung stehen.

Der Kläger teilte auf das Anhörungsschreiben mit, dass er entlassen worden sei, weil er sich geweigert habe, auf dem Dach zu arbeiten. Er habe zu Beginn der Beschäftigung mitgeteilt, dass er nicht hö...

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