Unsicherheit und Unklarheit bestand zunächst bezüglich der Frage, in welchem Umfang die Zahlung von weiteren Vergütungsbestandteilen wie z. B. Zulagen oder Gratifikationen oder Jahressonderzahlungen zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs berücksichtigt werden können.

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass alle Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit zahlt, auf die Erfüllung des Mindestlohns angerechnet werden können, sofern sie nicht gesetzlich vorgeschrieben sind wie die Nachtzuschläge.[1] Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 96/71/EG. Das BAG hat in einer weiteren Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Auslegung des Mindestlohngesetzes die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerentsenderecht zu beachten hat.[2] Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Bestandteile des Mindestlohns.[3]

Der Mindestlohn stellt, wie sich aus § 20 MiLoG und der Gesetzesbegründung ergibt, einen "Mindestentgeltsatz" i. S. v. § 2 Nr. 1 des AEntG dar. Europarechtlicher Hintergrund ist die sogenannte Entsenderichtlinie (RL 96/71/EG), nach der in einem Mitgliedstaat vorgesehene Mindestlohnregelungen zwingend sowohl für ausländische als auch für inländische Arbeitgeber gelten müssen und die Deutschland mit dem AEntG umgesetzt hat. Nach den Vorgaben des EuGH bestimmt sich daher auch, welche Vergütungsbestandteile in den Mindestlohn einzubeziehen sind.

In seiner neueren Rechtsprechung, der auch das Bundesarbeitsgericht folgt, geht der Europäische Gerichtshof davon aus, dass gezahlte Zulagen dann für die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs berücksichtigt werden können, wenn sie das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm hierfür erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite nicht verändern (funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen).[4] Das ist der Fall, wenn nationale Mindestlohnvorschriften zwingend und transparent sein müssten, um einen "Mindestlohn" i. S. d. Art. 3 IIc RL 96/71 darzustellen. Er betonte aber, dass er keine Aussage über die Definition nationaler Mindestlöhne treffe.[5]

Die Zollverwaltung folgt dieser Rechtsprechung.[6]

Grundsätzlich erfüllen somit alle vom Arbeitgeber für die Erbringung der Arbeitsleistung gezahlten Vergütungsbestandteile den Anspruch auf den Mindestlohn. Das gilt insbesondere für Zeitzuschläge und Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Mehrarbeit sowie Wechselschicht- und Schichtzulagen, Pflegezulagen, SuE-Zulage bzw. die Zulage gemäß § 14 TVöD/TV-L. Auch Leistungsprämien, Boni, 13. Gehalt oder Gratifikationen mit Mischcharakter, die jedenfalls auch geleistete Arbeit vergüten, erfüllen den Mindestlohn.

Bei Weihnachtsgeld bzw. Urlaubsgeld stellte sich die Fage, ob diese Zahlungen mindestlohnwirksam sein können; denn um Weihnachtsgeld

handelt es sich dann, wenn es dazu dient, den Arbeitnehmer anlässlich des Weihnachtsfestes zu unterstützen. Diese Leistung wird eigentlich nicht für die Arbeitsleistung erbracht. Dagegen wurde durch das BAG-Urteil[7] bestätigt, dass Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld [also Einmalzahlungen] als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden können, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer den anteiligen Betrag jeweils monatsbezogen zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält.

Für (zusätzliches) Urlaubsgeld (zusätzliches) – hier gilt hier sinngemäß dasselbe wie für ein Weihnachtsgeld. Es wird gerade für eine Zeit ohne Arbeitsleistung gezahlt.

Die Zollbehörden führen hierzu aus:

"Einmalzahlungen (z. B. Weihnachts-/Urlaubsgeld): Sie sind anrechnungsfähig nur für den Fälligkeitszeitraum (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG), in dem diese (ggf. auch anteilig) gezahlt werden und auch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sie tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält. Eine einmalige jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember eines Jahres kann also nur auf den Mindestlohn im November angerechnet werden, da die Fälligkeiten der Mindestlohnzahlungen von Januar bis Oktober bereits abgelaufen sind. Ein etwaiger Überschuss, d. h. ein Betrag der nicht benötigt wird, um den Mindestlohnanspruch zu erfüllen, kann jedoch in nachfolgenden Zeiträumen angerechnet werden"

 
Hinweis

Im TVöD/TV-L gibt es weder einen Anspruch auf Weihnachts- noch auf Urlaubsgeld.

Die Ausführungen der Zollbehörde können jedoch auch für die Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD/TV-L herangezogen werden. Auch das BAG hat entschieden, dass die Jahressonderzahlung grundsätzlich nur im Auszahlungsmonat auf den Mindestlohn anrechenbar ist[8].

Ob monatlich gewährte Sachleistungen im Rahmen von § 18a TVöD auf den Mindestlohn anrechenbar sind, ist durch die Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Dies gilt ebenso für die Frage, ob die gemäß § 3 TV Inflationsausgleich erfolgend...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge