Gründerinnenporträt Carina Heckmann

„Gerade Gründerinnen werden in der Regel nicht ernst genommen in unserer Branche", sagt Steuerberaterin Carina Heckmann, die sich mit der Gründung ihrer Kanzlei besonders auf Online-Unternehmerinnen spezialisiert hat – und damit erfolgreich ist.

Wer Carina Heckmann im Netz sucht, dem fällt sofort ihr erfrischend anderer Auftritt ins Auge. Es sei eben die ganz bestimmte Zielgruppe, Online-Unternehmerinnen und -Unternehmer, die einen anderen Blick drauf hätten, wie Steuerberatung sein sollte oder auch nicht, sagt Carina Heckmann. Das sei es vielleicht, was den Unterschied zwischen ihr und einem großen Rest der Branche ausmache. „Ich bin ja auch selbst in dem Business aktiv, da ist für viele die Hemmschwelle schon mal weg.“

Sie meint die Art, ihr zu begegnen, auf Augenhöhe, auf Du und Du, einfach ganz easy. Etwas, das ungewöhnlich wirkt, in einer Branche, die immer noch mehrheitlich auf Schlips und Kragen setzt, Förmlichkeit mit Kompetenz gleichsetzt. Dabei sei Professionalität doch überhaupt nichts Äußerliches, sagt die 34-jährige Steuerberaterin, die einem auf Zoom gestochen scharf, vor einem angenehmen hellen, realem Hintergrund so nahe kommt als säße sie einem gegenüber und würde einen nicht erst seit fünfzehn Minuten kennen.


„Professionalität hat in meinen Augen sehr viel mit Softskills zu tun"


Professionell, das ist für Carina Heckmann, die neben dem Aufbau ihrer Steuerberatungskanzlei, die inzwischen zwei Mitarbeiterinnen fest beschäftigt, zwei Kinder bekommen und noch eine Unternehmensberatung gegründet hat, irgendwie so, als wäre das alles ganz einfach oder jedenfalls das Natürlichste von der Welt. Wahrscheinlich ist es genau das, was sie unterscheidet, dass sie ihren Job genau in derselben Weise erledigt, mit der sie wahrscheinlich auch alle anderen Dinge im Leben tut. „Professionalität hat in meinen Augen sehr viel mit Softskills zu tun: Wie begegne ich dem Mandanten? Wie gut verstehe ich ihn, wie kann ich auf seine Fragen eingehen? Das sind doch die Punkte, die einen guten Berater ausmachen“, sagt Carina Heckmann.

Viele Mandantinnen der ersten Stunde waren typische „Mompreneure“ wie sie selbst

Ihre Selbstständigkeit in der Steuerberatungsbranche fiel nicht zufällig mit ihrer Mutterschaft zusammen: „Ich habe ganz klassisch nebenberuflich auf der grünen Wiese als One-Woman-Show angefangen und wurde dann sehr schnell ziemlich erfolgreich, ganz einfach dadurch, dass ich mich von Anfang an klar auf Online-Firmen spezialisiert und mich entsprechend positioniert habe“, sagt die Beraterin.

Viele Mandantinnen der ersten Stunde seien typische „Mompreneure“ wie sie selbst gewesen, eben Mütter, die sich selbstständig machen, weil sie flexibler sein wollen als dies Arbeitgeber zumeist vorsehen. Das habe auch für die Kanzlei gegolten, in der sie bis dahin angestellt gewesen sei. Zu Beginn habe sie ihren Mandantinnen und Mandanten das klassische Dienstleistungsspektrum angeboten, war dabei aber gleich von Anfang an in der Online-Blase – aus der sie im Übrigen auch nicht raus will.

Aus dem Wunsch, nicht immer wieder dieselben Fragen beantworten zu müssen, wurde die Hilfe zur Selbsthilfe

Was sie dagegen irgendwann nicht mehr wollte, war, immer wieder dieselben Fragen der Neuselbstständigen zu beantworten. Deshalb gründete sie 2020 parallel zu ihrer Steuerberatungskanzlei eine Unternehmensberatung, bietet darüber Online-Kurse und einen „Steuerclub" für Gründerinnen und solche, die es werden wollen, an. „Im Grunde geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, wenngleich manche sich auch eine längere Begleitung über ein oder anderthalb Jahre wünschen“, erklärt Carina Heckmann.

Aktuell sei sie zu 70 Prozent Steuerberaterin und zu 30 Prozent Unternehmensberaterin, die Tendenz gehe aber Richtung 50/50. Das erklärte Ziel: „Ich möchte der Steuerberatung keineswegs den Rücken kehren, ich möchte nur ganz klar differenzieren, zwischen fortgeschrittenem E-Business mit Ansprüchen an echte Steuergestaltungsberatung auf der einen und Gründungsberatung auf der anderen Seite.“

Drei virtuelle Assistenten unterstützen sie mittlerweile in der Unternehmensberatung, und dennoch sagt sie, sie sei „noch nicht da, wo wir sein könnten“. Doch schließlich sei sie auch Mama – die Kinder sind inzwischen vier und anderthalb Jahre alt – und die Kapazitäten, die sie habe, gelte es aufzuteilen. Trotz 40 oder 45 Stunden Arbeit liege die Priorität auf der Familie, und wenn die Kita zu habe, dann sei Mama eben zuhause.

Vom Traumberuf Lehrerin zur Steuerberatung

Ansonsten aber brennt sie dafür, anderen etwas beizubringen, wollte ursprünglich Lehrerin werden, ehe sie mit 16 Jahren über ein Praktikum in den Beruf rutschte. Warum sie dabei geblieben ist? „Entweder packt's einen oder es packt einen nicht“, überlegt sie, „ich bin, glaube ich, aus Freude geblieben. Wir haben damals noch händisch kontiert, und ich habe es als befriedigend empfunden, wenn der Stempel gerade war“, lacht sie, „ich war eine super Praktikantin, ich habe das Abarbeiten genossen, und dann haben die Zusammenhänge, die ich nach und nach gesehen habe, meine Faszination geweckt.“


„Gerade Gründerinnen werden in der Regel nicht ernst genommen in unserer Branche.“


Jetzt könne sie beides, Steuerrechtliches abarbeiten und anderen etwas beibringen, eine Anlaufstelle bieten, für Leute, die gar nicht so viele Angebote fänden. „Die, ich nenne sie mal kleinen Fische, finden oftmals keine Ansprechpartner. Gerade Gründerinnen werden in der Regel nicht ernst genommen in unserer Branche, wie oft ich das höre: 'Ja, ich war hier beim Steuerberater vor Ort, aber der hat nur mit meinem Mann gesprochen, obwohl ich doch die Gründerin bin...'“

Carina Heckmann ermutigt 20-Jährige, die gründen, als Influencer klein starten, dazu, ihr Vorhaben von Anfang an auf gesunde Beine zu stellen. „Gerade die brauchen jemanden, der sie ernst nimmt; meine jüngste Gründerin war 16. Die brauchen einen Ansprechpartner, der ihnen auf Augenhöhe begegnet, und das ist meine Mission.“ Von Kollegen werde sie öfter gefragt, wie das denn wäre, mit Gründern, den geringen Gegenstandswerten. „Die sind dann immer ganz erstaunt, wenn sie hören, dass ich feste Paketpreise habe, die deutlich über der Vergütungsverordnung liegen, und die trotzdem abgenommen werden wie warme Semmeln.“

Kooperationen sind ihre Strategie

Bleibt die Frage, ob sie nicht manchmal aneckt, in einem Beruf, der nicht nur von einer anders denkenden Mehrheit ausgeübt, sondern auch geprägt wird. „Keine Ahnung, ist mir so noch nicht begegnet“, sagt sie mit einem entspannten Schulterzucken, „wenn Leute etwas gegen meine Arbeit haben, reden die vielleicht hinter meinem Rücken, ins Gesicht hat's mir noch keiner gesagt.“

Dabei kann man als Steuerberater durchaus Stadtgespräch werden in ihrer Heimatstadt Kamen, einer nordrhein-westfälischen Hansestadt des östlichen Ruhrgebiets. So erinnert sich Carina Heckmann an einen Kollegen, dessen Riesenfoto auf einem Bus spazieren fuhr, der Werbung auf Einkaufswägen machte. „Da redeten die Leute damals drüber“, sagt sie, „ich habe mir gedacht: 'Der bleibt im Gedächtnis' und genau darum geht's doch.“

Der Berufsstand müsse weg vom Generalistentum, und das funktioniere letztlich nur mit Marketing. Branchenspezifischer, das sei die Zukunft. „Es ist doch klar, wenn ich nicht Experte in einem Bereich bin und eine Prüfung kommt, bin ich darauf nicht vorbereitet, und muss das – in unwirtschaftlicher Weise – nachholen, deshalb ergibt es immer weniger Sinn, Mandate aus allen Branchen querbeet anzunehmen.“

Ihre Strategie sind Kooperationen, lose, dezentral, unkompliziert und auf Zuruf organisiert: „Wir müssen als Kollegen ein Netzwerk bilden, damit wir gemeinsam so funktionieren wie eine Generalistenkanzlei“, erklärt sie. Sie habe gerade vor unserem Gespräch ein Versorgungsausgeleichsmandat an einen Kollegen gegeben, kein Problem sei das, schnell in die Gruppe geschrieben, genauso wie wenn jemand käme, der unzufrieden mit seinem Steuerberater sei – „Hey, wer macht Landwirtschaft?“, schreibt sie dann, „suche Betreuung für Mandanten - aber wir machen die Steuererklärung!“


Zur Person

StBin Carina Heckmann, Jahrgang 1988, ist seit 2016 in Kamen (NRW) selbstständig. Sie ist auf Online-Unternehmen spezialisiert und hat 2020 neben ihrer Kanzlei eine Unternehmensberatung für Gründerinnen und Gründer gestartet. Außerdem bietet sie mit dem „#steuerclub“  die Beantwortung von Buchhaltungsfragen im Abo an.

Schlagworte zum Thema:  Steuerberater, Steuerberatung, Kanzleigründung