Leitsatz (amtlich)

1. Ein Mietkaufvertrag ist auch ohne ausdrücklich vereinbarte Anrechnung der Mietzahlungen dann gegeben, wenn der bei Ausübung der Kaufoption zu entrichtende Übernahmepreis so niedrig bemessen ist, daß er ohne Hinzurechnung der bis dahin zu leistenden Mietzahlungen als Kaufpreis wirtschaftlich nicht verständlich wäre.

2. Das aufgrund des Mietkaufvertrags erlangte Wirtschaftsgut und die entstandene Kaufpreisschuld sind nach den für Kaufpreisrenten geltenden Grundsätzen zu bilanzieren.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 2-3, § 11 Nr. 4; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 7

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, ob als Mietzahlungen für ein Fabrikgrundstück behandelte Betriebsausgaben wegen Vorliegens eines Mietkaufvertrags zu aktivieren sind (§ 4 Abs. 1 und 4, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 7 EStG).

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hatte zu Anfang des Jahres 1960 aufgrund einer mit der Stadt D. getroffenen Vereinbarung auf städtischem Gelände in einem von der Stadt errichteten Fabrikgebäude einen Betrieb eingerichtet und die Fabrikation aufgenommen. Das Areal hatte die Größe von 1 ha. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Stadt wurden in einem privatschriftlichen Vertrag vom 7. Oktober 1960 geregelt. Danach hatten sich die Herstellungskosten des Gebäudes auf 345 770,93 DM belaufen. Davon übernahm die Stadt 328 000 DM. Der Restbetrag von 17 770,93 DM war vom Steuerpflichtigen zu tragen. Die Erschließungskosten gingen zu Lasten der Stadt. Es wurde vereinbart, daß der Steuerpflichtige bereits ab 1. Januar 1960 jährlich 32 800 DM als Miete an die Stadt zu zahlen habe. Außerdem trage er von diesem Zeitpunkt an die Aufwendungen für die Instandhaltung des Gebäudes sowie alle für Grundstück und Gebäude anfallenden Abgaben. Andererseits war der Steuerpflichtige berechtigt, bauliche Veränderungen nach seinem Ermessen vorzunehmen. Die Stadt verpflichtete sich, das Grundstück mit dem Gebäude zum 1. Januar 1966 zum Preise von 135 000 DM an den Steuerpflichtigen zu verkaufen. Dazu sollte es nur einer Erklärung des Steuerpflichtigen bedürfen. Der Steuerpflichtige erhielt außerdem das Recht, Gelände und Gebäude schon zu einem früheren, von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt zu erwerben. In diesem Fall sollte sich der Kaufpreis nach einem Zwischenwert bestimmen. Eine Anpassung des Kaufpreises war schließlich auch für den Fall vorgesehen, daß sich im Zeitpunkt des Erwerbs der zugrunde gelegte Baukostenindex - 380 v. H. auf der Basis von 1960 - um mehr als 50 v. H. verändert haben würde. Sollte der Steuerpflichtige die Kaufoption nicht ausüben, so war vorgesehen, daß der Miet(Pacht-)vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen bis 1. Januar 1970 weiterlaufen würde.

In der Einkommensteuererklärung 1960 zog der Steuerpflichtige die Mietzahlung von 32 800 DM als Betriebsausgabe ab. Das FA aktivierte den Betrag. Es sah den Vertrag als Mietkaufvertrag an und gewährte für das Streitjahr eine AfA in Höhe von 2 v. H. der Herstellungskosten des Fabrikgebäudes.

Das FG wies die Sprungberufung als unbegründet zurück, da das FA die bezahlte Miete zu Recht als Kaufpreisrate behandelt habe. Der Steuerpflichtige habe eine einem wirtschaftlichen Eigentümer nahekommende Stellung erlangt (§ 11 Nr. 4 StAnpG). Die getroffenen Vereinbarungen seien als Vertrag eigener Art zu werten. Es handle sich nicht um einen Leasingvertrag, da das Fabrikgebäude von gewöhnlicher Art und nicht auf bestimmte Einrichtungen und Produktionsabläufe zugeschnitten sei. Da der Mietvertrag ohne die damit verknüpften Kaufabreden nicht verständlich sei, könne das Vertragsverhältnis im ganzen nicht als Mietvertrag anerkannt werden (Hinweis auf Urteil des BFH I 221/56 U vom 5. November 1957, BFH 65, 550, BStBl III 1957, 445). Entscheidend sei die Bemessung des Kaufpreises bei der späteren Annahme des Kaufangebots in Verbindung mit den Regelungen über die Grundstückslasten, die Reparaturen und die baulichen Veränderungen. Zwischen dem am 1. Januar 1966 zu zahlenden Kaufpreis von 135 000 DM und dem wirklichen Wert des Kaufobjekts bestehe ein krasses Mißverhältnis. Allein die Herstellungskosten des Gebäudes hätten bereits 345 000 DM betragen. Erst bei Zusammenrechnung der Mieten und der Restzahlung von 135 000 DM ergebe sich ein wirtschaftlich sinnvoller Kaufpreis. Daß in dem Vertrag eine Anrechnung der Mieten nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, falle nicht ins Gewicht. Da der Steuerpflichtige außer der gezahlten Jahresmiete die laufenden Instandhaltungskosten und die öffentlichen Abgaben zu tragen habe, so daß der Stadt keine Aufwendungen für das Gebäude mehr entstünden, müsse die Miete, die 10 v. H. der von der Stadt getragenen Herstellungskosten des Gebäudes ausmache, als überhöht bezeichnet werden. Ob der Steuerpflichtige das Kaufangebot letztlich annehmen werde, sei unerheblich. Ohne Einfluß auf die Entscheidung sei auch, daß es an einer notariellen Beurkundung des Vertrages fehle. Es liege bürgerlichrechtlich ein verbindliches Kaufangebot vor. Unterbleibe eine notarielle Beurkundung im gegenseitigen Einvernehmen, so verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei die Unwirksamkeit des Vertrages unter Berufung auf den Formmangel geltend mache. Die Stadt D. habe sich nur deshalb bereitgefunden, die Herstellungskosten des Gebäudes zinslos vorzuschießen und die kostenlose Überlassung des Geländes anzubieten, weil sie den Steuerpflichtigen für einen fortschrittlichen Unternehmer gehalten habe, von dessen Leistungen sie sich auf die Dauer ein erhebliches Gewerbesteueraufkommen und für die Gemeinde einen gewerblichen Auftrieb habe versprechen können.

Mit seiner als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt der Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer anderweit festzusetzen, und zwar

1. nach Abzug von Mietzahlungen in Höhe von 32 800 DM,

2. hilfsweise - bei Annahme eines Mietkaufvertrages - aufgrund einer Passivierung des Barwerts der Kaufpreisraten und entsprechender Aktivierung dieses Kaufpreises.

Zur Begründung führt der Steuerpflichtige, zum Teil unter Wiederholung seines früheren Vorbringens, im wesentlichen das Folgende aus. Ein Grundstückskaufvertrag liege nicht vor, weil die bürgerlich-rechtlichen Formvorschriften nicht erfüllt seien. Die Stadt habe zunächst prüfen wollen, ob sich ihre Erwartungen wegen des Gewerbesteuerertrages des Unternehmens erfüllen würden. Nur so sei verständlich, daß die Stadt ihm nicht sogleich das Fabrikareal zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preise verkauft habe. Es sei denkbar, daß bei einer schlechten Konjunktursituation des Unternehmens das durchaus günstige Kaufangebot nicht wahrgenommen werde. An Grundstücken könne nur ausnahmsweise wirtschaftliches Eigentum bestehen. Das FG selbst habe ein solches nicht angenommen. Das hätte es jedoch tun müssen, um einen Mietkaufvertrag bejahen zu können. Das FG habe nur ausgeführt, daß er, der Steuerpflichtige, eine einem wirtschaftlichen Eigentümer "nahekommende" Stellung erlangt habe. Auch habe das FG den Vertrag nicht als Mietkaufvertrag, sondern als einen Vertrag eigener Art bezeichnet. Das Gebäude dürfe weder in der Handelsbilanz noch in der Steuerbilanz aktiviert werden. Die Mietzahlungen von jährlich 32 800 DM seien nicht überhöht, da für das Grundstück nicht von einem Wertansatz von 328 000 DM, sondern unstreitig von 478 000 DM ausgegangen werden müsse. Denn der Wert des Grund und Bodens betrage rd. 100 000 DM, der der Erschließungsanlagen 50 000 DM. Das für einen Mietkaufvertrag typische Merkmal, nämlich die Anrechnung bezahlter Mieten auf einen von vornherein bestimmten Lieferpreis, sei hier nicht gegeben (vgl. BFH-Urteil I 221/56 U, a. a. O.). Der im Vertrag genannte Kaufpreis von 135 000 DM zum 1. Januar 1966 sei wegen der vorgesehenen Anpassung an Veränderungen des Baukostenindexes nicht endgültig gewesen. Sollte indessen der Vertrag wirtschaftlich als Grundstückskaufvertrag gewertet werden, so müsse der bei Beginn des Vertragsverhältnisses maßgebende Wert des zu aktivierenden Grundstücks ermittelt werden. Der Wert des Grund und Bodens sei dabei gesondert auszuweisen. Die Kaufpreisraten - die Mietzahlungen und der angebotene Übernahmepreis von 135 000 DM auf den 1. Januar 1966 - müßten nach allgemeinen Grundsätzen abgezinst werden (vgl. Urteile des RFH VI A 806/34 vom 19. Februar 1936, RStBl 1936, 766; IV 48/38 vom 14. Juli 1938, RStBl 1938, 938). Der sich hiernach ergebende Wertansatz für das Fabrikgebäude führe auch zu einer anderweiten Bemessung der AfA.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

I. Der Steuerpflichtige hat das wirtschaftliche Eigentum an dem Fabrikgrundstück aufgrund eines Mietkaufvertrags erlangt (§§ 5 ff. EStG). Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Vertrag vom 7. Oktober 1960 einzelne Merkmale eines Leasing-Geschäfts (Finanzierungs-Leasing) aufweist. Entscheidend ist, daß das Vertragsverhältnis im ganzen geprägt war durch die Gestaltung als Anschaffungsgeschäft. Es handelte sich nicht um ein bloßes Nutzungsverhältnis mit angefügter Kaufoption. Vielmehr bildete diese Option das Kernstück des Vertrages Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zur Behandlung von Leasing-Geschäften Grundsätze über den Mietkaufvertrag und über den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums entwickelt wurden, sind diese deshalb auch für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts von Bedeutung (vgl. BFH-Urteile IV R 144/66 vom 26. Januar 1970, BFH 97, 466, BStBl II 1970, 264; V R 49/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 272).

II. Miete und Kauf sind bürgerlich-rechtlich streng voneinander abgegrenzt. Die Rechtsprechung muß deshalb die nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit getroffenen Vereinbarungen, die Elemente beider Typen enthalten, so auslegen, wie dies unter Berücksichtigung ihrer Unvereinbarkeit im Einzelfall der Sachlage entspricht (vgl. BFH-Urteil I R 119/66 vom 2. August 1966, BFH 87, 191, BStBl III 1967, 63). Dabei ist nicht das von den Beteiligten formal Erklärte, sondern das nach den gesamten Vereinbarungen von ihnen wirtschaftlich Gewollte und Bewirkte steuerlich maßgebend (§ 133 BGB, § 1 Abs. 3 StAnpG). Es muß deshalb das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses geprüft und gewürdigt werden.

1. Der bürgerlich-rechtlichen Unterscheidung von Kauf und Miete entspricht im wesentlichen die steuerliche Beurteilung eines Vorgangs entweder als Anschaffungsgeschäft oder als Begründung eines bloßen Nutzungsverhältnisses. Im Gegensatz zu den Anschaffungsgeschäften werden Nutzungsverhältnisse, wie Miete und Pacht, als schwebende Geschäfte grundsätzlich nicht bilanziert. Die für die Unterscheidung maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte wurden bereits in dem Urteil I 221/56 U, a. a. O., entwickelt. Danach muß, wenn der Vermieter im Zusammenhang mit einem als Mietvertrag bezeichneten Vertrag dem Mieter unwiderruflich eine Kaufoption einräumt, geprüft werden, ob der sachliche Gehalt des Vertrages die Annahme rechtfertigt, daß es den Parteien wirtschaftlich auf den Abschluß eines Kauf-, nicht eines Mietvertrages entscheidend ankam. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum üblich geworden, solche Kaufverträge als Mietkaufverträge zu bezeichnen. Allerdings kann ein Mietkaufvertrag auch dann gegeben sein, wenn keine Kaufoption eingeräumt ist (vgl. BFH-Urteile IV 429/62 U vom 25. Oktober 1963, BFH 78, 107, BStBl III 1964, 44; IV R 144/66, a. a. O., Abschn. C IV). Mit diesen Fragen hat sich der Senat indessen hier nicht auseinanderzusetzen, da der Streitfall gerade durch das Bestehen einer Kaufoption des Mieters gekennzeichnet ist.

Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Mietkaufvertrages kann - in Verbindung mit einem Kaufoptionsrecht - meist schon darin gesehen werden, daß die Mietzahlungen als solche unangemessen hoch sind. Doch ist dies nicht das entscheidende Merkmal. Schon in dem Urteil I 221/56 U (a. a. O.) wurde dargelegt, daß ausschlaggebend die Bemessung des Kaufpreises im Falle der späteren Annahme des Kaufangebots ist. Wird nämlich der Kaufpreis nach dem bei Abschluß des Mietvertrags vereinbarten künftigen Übernahmepreis bestimmt und werden die Mietzahlungen auf diesen Preis in voller Höhe angerechnet, so liegt in dieser engen Verbindung von Mietund Kaufvertrag eines der wichtigsten Kennzeichen dafür, daß es sich in Wahrheit insgesamt um einen Kaufvertrag mit gestundeten Kaufpreisraten handelt (vgl. auch BFH-Urteil I R 119/66, a. a. O.).

Indessen liegt ein Mietkaufvertrag nicht nur dann vor, wenn die Anrechnung der Mietzahlungen ausdrücklich vereinbart ist. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob in einem solchen Vertrage ein Gesamtkaufpreis festgelegt ist mit der Bestimmung, daß auf ihn die geleisteten Mietzahlungen anzurechnen seien, oder ob von vornherein der sich ergebende Restbetrag als Kaufpreis bezeichnet wird, wenn sich aus dem Gesamtbild der getroffenen Vereinbarungen ergibt, daß es der wesentliche Sinn des Vertrages war, eine bestimmte, von dem Nutzungsberechtigten in jedem Falle zu erbringende Gesamtleistung festzusetzen und die Beteiligten davon ausgingen, daß der Nutzungsberechtigte das Objekt erwerben würde. Es genügt deshalb, wenn der bei Ausübung der Kaufoption zu zahlende Übernahmepreis so niedrig bemessen ist, daß er ohne Hinzurechnung der bis dahin zu leistenden Mietzahlungen als Kaufpreis wirtschaftlich nicht verständlich wäre. Ist diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben, so kann gegen die Annahme eines Mietkaufvertrages nicht eingewendet werden, die vereinbarten Mietzahlungen seien für sich betrachtet nicht ungewöhnlich hoch, sondern normal bemessen.

2. Die vorstehend dargelegten Voraussetzungen eines Mietkaufvertrages sind im Streitfall erfüllt.

a) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann der vereinbarte, am 1. Januar 1966 zu zahlende Preis von 135 000 DM nur unter Hinzurechnung der bezahlten Mieten als sinnvoller Kaufpreis betrachtet werden. Der sich hiernach errechnende Gesamtbetrag (331 800 DM) aus der Summe der Mietzahlungen (6X32 800 DM=196 800 DM) samt dem restlichen Übernahmepreis (135 000 DM) stimmte im wesentlichen mit der Summe der von der Stadt D. getragenen Herstellungskosten des Fabrikgebäudes (328 000 DM) überein. Der Übernahmepreis lag weit unter dem tatsächlichen Wert, den das Fabrikgrundstück mit Gebäude im vorgesehenen - spätesten - Zeitpunkt des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergangs haben würde. Unerheblich für die Beurteilung ist, daß im Vertrage eine Neufestsetzung des Übernahmepreises für den Fall vorgesehen war, daß bis zur Ausübung der Kaufoption eine wesentliche Veränderung des Baukostenindexes einträte. Denn auch bei einer solchen Neufestsetzung ergäbe sich keine wesentliche Änderung des Vertragsverhältnisses. In jedem Falle stünde der Übernahmepreis zu dem tatsächlichen Wert des Gesamtobjekts in einem auffallenden Mißverhältnis. Dieses würde nur bei Hinzurechnung der Mietzahlungen als Kaufpreisraten verständlich werden.

b) Der Umstand, daß es sich im Streitfall um einen Vertrag über ein Grundstück handelte, ist auf die Entscheidung ohne Einfluß. Denn die in der angeführten Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Behandlung von Mietkaufverträgen über bewegliche Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz gelten auch für Miet- und Pachtverträge über Grundstücke (vgl. BFH-Urteil IV 328/61 U vom 10. Dezember 1964, BFH 81, 623, BStBl III 1965, 224). Unerheblich ist auch das Fehlen notarieller Beurkundung des Vertrages (vgl. §§ 125, 313 BGB), gleichgültig, ob diese Beurkundung ursprünglich vorgesehen war oder nicht. Denn für die steuerrechtliche Beurteilung ist allein maßgebend, ob die Vertragsparteien ungeachtet des Formmangels die getroffenen Abreden zwischen sich gelten und die beabsichtigten tatsächlichen Wirkungen eintreten lassen würden, vor allem ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, daß der Steuerpflichtige die Kaufoption ausüben werde. Diese Voraussetzung ist, wie sich aus den folgenden Darlegungen ergibt, im Streitfall erfüllt, mit der Folge, daß dem Steuerpflichtigen bereits von der Inbesitznahme des Vertragsobjekts an das wirtschaftliche Eigentum zuzurechnen ist.

III. Für die Beantwortung der Frage, ob der Steuerpflichtige bereits im Streitjahr wirtschaftlicher Eigentümer des Fabrikgrundstücks geworden ist, kann dahingestellt bleiben, ob einer der in § 11 StAnpG bezeichneten Zurechnungstatbestände erfüllt ist. Denn die Vorschrift enthält keine abschließende Regelung der Fälle wirtschaftlichen Eigentums. Vielmehr handelt es sich nur um Beispiele für den allgemeinen Gedanken, daß eine Sache, über die ein anderer als der Eigentümer objektiv diejenige wirtschaftliche Herrschaft ausübt, deren gewöhnlicher Ausdruck das Eigentum ist, für die Besteuerung nicht dem Eigentümer, sondern dem anderen zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteile III 77/57 S vom 19. September 1958, BFH 67, 434, BStBl III 1958, 440; IV R 144/66, a. a. O., Abschn. C III 1; V R 49/70, a. a. O.).

1. Wirtschaftlicher Eigentümer ist allgemein derjenige, der den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer im Regelfall, d. h. bei dem für die gewählte Gestaltung typischen Verlauf, für dauernd von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut tatsächlich auszuschließen vermag, so daß der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. BFH-Urteile I 51/61 S vom 2. November 1965, BFH 84, 171, BStBl III 1966, 61; IV R 144/66, a. a. O., Abschn. C III 1, mit weiteren Nachweisen; V R 49/70, a. a. O.). Auf die rechtliche Befugnis, über das Wirtschaftsgut zu verfügen, besonders es zu veräußern oder zu belasten, kommt es nicht an (vgl. Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, Anm. 2 Abs. 9 zu § 11 StAnpG). Erforderlich ist nach alledem nur, daß der Steuerpflichtige die durch den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer grundsätzlich nicht einschränkbare Sachherrschaft ausübt und daß ihm die Erträge aus dem Objekt zufließen. Unter diesen Voraussetzungen ist wirtschaftliches Eigentum auch an Grundstücken zu bejahen (vgl. BFH-Urteile IV 221/59 vom 31. Januar 1963, StRK, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 158; IV 328/61 U, a. a. O.). Darauf, ob bei dem Vorgang das Grundbuch beteiligt wurde, kann es deshalb nicht ankommen.

2. Im Streitfall war das ganze Vertragsverhältnis auf den Erwerb des Objekts durch den Steuerpflichtigen zugeschnitten. Der Erwerb war in hohem Grade wahrscheinlich. Dafür sprachen mehrere Umstände. Vor allem war der Kaufpreis ungewöhnlich niedrig bemessen. Auch fällt ins Gewicht, daß neben dem nach den Herstellungskosten des Gebäudes berechneten Kaufpreis der Wert des Fabrikgeländes nicht in das Entgelt einbezogen wurde und die Stadt D. sogar die Erschließungskosten getragen hat. Hinzu kommt, daß der Steuerpflichtige auch im Falle der Nichtausübung der Kaufoption ungefähr den gleichen Gesamtbetrag hätte zahlen müssen, da sich dann das Vertragsverhältnis bis zum 1. Januar 1970 zu den bisherigen Bedingungen unkündbar verlängert haben würde. Bei Abwägung all dieser Umstände konnte der Steuerpflichtige nur daran interessiert sein, das Gesamtobjekt zu erwerben. Wirtschaftlich gesehen hatte die Einräumung der fünfjährigen Bedenkzeit (bis 1. Januar 1966) nach alledem nicht die Bedeutung, daß der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an die aufschiebende Bedingung der Übernahmeerklärung des Steuerpflichtigen geknüpft gewesen wäre. Vielmehr stand der gesamte Vorgang unter der auflösenden Bedingung einer späteren Rückübertragung des wirtschaftlichen Eigentums an die Stadt D. und gleichzeitiger Überführung der Vertragsbeziehungen in ein reines Nutzungsverhältnis. Der Steuerpflichtige konnte von Anfang an auf dem Grundstück schalten und walten wie ein Eigentümer. Insbesondere war er, worauf das FG zutreffend hinwies, zu selbständigen baulichen Veränderungen berechtigt. Auch hatte er wie ein Eigentümer alle mit dem Grundstück zusammenhängenden Lasten zu tragen. Nach der gesamten Vertragsgestaltung lag es von Anfang an allein in der Willensmacht des Steuerpflichtigen, den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer, die Stadt D., von jeder Einwirkung auf das Vertragsobjekt auszuschließen.

Die Sache ist deshalb anders zu beurteilen als solche Fälle, in denen der Mieter sich bewußt nicht binden will oder kann und der Erwerb zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich ist, das Vertragsverhältnis also auf Überlassung zur Nutzung zugeschnitten ist (vgl. BFH-Urteil I R 119/66, a. a. O.). Der Senat kann deshalb dahingestellt lassen, in welcher Weise andernfalls das bis zum bürgerlich-rechtlichen Erwerb bestehende Kaufrecht und im Hinblick auf dieses die geleisteten Mietzahlungen bilanzmäßig zu behandeln gewesen wären.

IV. Das Fabrikgrundstück, an dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat sowie die mit diesem Vorgange entstandene Kaufpreisschuld sind in der Bilanz nach allgemeinen Grundsätzen auszuweisen, da das Grundstück mit dem Gebäude zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen rechnet.

1. Nach § 5 EStG (1960) ist für den Schluß des Wirtschaftsjahrs das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Die Vorschrift hat nicht den Sinn, daß steuerrechtlich nur solche Wirtschaftsgüter zu bilanzieren wären, deren Ansatz handelsrechtlich geboten ist. Vielmehr genügt es, daß der Ansatz handelsrechtlichen Grundsätzen nicht widerspricht (vgl. BFH-Beschluß Gr. S. 2/68 vom 3. Februar 1969, BFH 95, 31, BStBl II 1969, 291).

a) Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung richtet sich die Bilanzierung nicht nur nach den bürgerlich-rechtlichen Merkmalen, sondern auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, insbesondere danach, wer der wirtschaftliche Eigentümer eines Gegenstandes ist (vgl. BFH-Urteil IV R 144/66, a. a. O., Abschn. C III 1, mit weiteren Nachweisen). Das gilt nicht nur für die Fälle der Sicherungsübereignung, der treuhänderischen Übertragung und des Erwerbs unter Eigentumsvorbehalt des Veräußerers, sondern auch für teilzahlungsähnliche Geschäfte, zu denen die sogenannten Mietkaufverträge rechnen (vgl. Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., Anm. 8 zu § 39; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Rdnrn. 50, 56 und 58 zu § 149 AktG). Handelsrechtliche Bedenken gegen den Ansatz solcher Wirtschaftsgüter in der Bilanz können auch deshalb nicht erhoben werden, weil dem Aktivposten die Verpflichtung zur Bezahlung des Gegenwertes, als die sich beim Mietkaufvertrag die vereinbarten Mietzahlungen zuzüglich des Übernahmepreises darstellen, als Passivposten gegenüberzusetzen ist. Das Vermögen wird somit insgesamt nicht höher ausgewiesen, als es tatsächlich ist. Außerdem ist das Kaufobjekt durch einen Vermerk in der Bilanz als nichtfreies Vermögen zu kennzeichnen. Die Verpflichtung, einen solchen Vermerk anzubringen, ist für die Fälle der Sicherungsübereignung, der treuhänderischen Übertragung und des Erwerbs unter Eigentumsvorbehalt anerkannt (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, a. a. O., Rdnrn. 51, 56 ff. zu § 149 AktG). Entsprechendes muß für Mietkaufobjekte gelten, da es sich bei ihnen um gleichliegende Sachverhalte handelt. Damit ist den handelsrechtlichen Grundsätzen der vorsichtigen, wahren und klaren Bilanzierung Genüge getan.

b) Der Senat hat sich deshalb für die Entscheidung in der vorliegenden Sache nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bereits nach Handelsrecht eine Bilanzierungspflicht besteht. Denn jedenfalls ist der Steuerpflichtige berechtigt, das Fabrikgrundstück, dessen wirtschaftlicher Eigentümer er geworden ist, in der Handelsbilanz auszuweisen. Daraus folgt das steuerliche Aktivierungsgebot.

2. Die Verpflichtung zur Gegenleistung ist mit ihrem Teilwert zu passivieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG; vgl. BFH-Urteil IV 456/61 U vom 12. März 1964, BFH 80, 138, BStBl III 1964, 525). Teilwert ist der Barwert der Verbindlichkeit. Der Barwert ist nach den für Kaufpreisrenten maßgebenden Grundsätzen der auf den Bilanzstichtag abgezinste Gesamtkaufpreis (vgl. RFH-Urteil VI A 806/34, a. a. O.). Der Kaufpreis besteht aus den für die Zeit bis 1. Januar 1966 vereinbarten Mietzahlungen und dem im Vertrag vorgesehenen Übernahmepreis von 135 000 DM. Eine Korrektur dieses Betrages im Hinblick auf die vereinbarte Bauindexklausel kommt jedenfalls für das Streitjahr nicht in Betracht.

3. Der hiernach zu ermittelnde Barwert der Kaufpreisschuld bildete neben den vom Steuerpflichtigen nach dem Vertrag gesondert übernommenen Herstellungskosten des Fabrikgebäudes die Anschaffungskosten des Vertragsobjekts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG). Zwar hatte die Stadt D. den Kaufpreis nur nach den von ihr aufgebrachten Herstellungskosten des Gebäudes bemessen. Gleichwohl bezog sich der vom Steuerpflichtigen zu leistende Gesamtkaufpreis nicht nur auf das Gebäude, sondern auch auf das Grundstück. Der Gesamtbetrag ist deshalb entsprechend den Teilwerten des Grundstücks und des Fabrikgebäudes aufzuteilen und getrennt zu bilanzieren. Nach den sich so ergebenden Anschaffungskosten des Gebäudes sind die AfA zu bemessen (§ 7 Abs. 1 EStG).

V. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie muß an das FG zurückverwiesen werden, da die Höhe der Kaufpreisschuld und der Anschaffungskosten, das Wertverhältnis von Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits sowie die Höhe der AfA noch zu ermitteln sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69324

BStBl II 1971, 133

BFHE 1971, 516

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