Gesetzestext

 

1Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. 2Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, so können sie nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Auch die Vorschrift des § 92 soll in stärkerem Maße als bisher dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) sowie der umfassenden Gläubigerbefriedigung zur Geltung verhelfen.[1] Obwohl eine entsprechende Regelung in den bisher geltenden insolvenzrechtlichen Vorschriften nicht ausdrücklich zu finden war, enthält doch das materielle Recht an verschiedenen Stellen Ausprägungen des Grundsatzes, dass im Insolvenzfall ein Wettrennen der Gläubiger zur Erlangung einer bevorzugten Befriedigung und die damit verbundene Ungleichbehandlung der übrigen Gläubiger vermieden werden soll. Bekanntestes Beispiel ist die Regelung in § 171 Abs. 2 HGB, nach der der Insolvenzverwalter während der Dauer eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft die Haftungsverpflichtungen der Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB geltend macht. Auch nach § 1978 Abs. 2 BGB werden die den Nachlassgläubigern gegenüber Erben im Falle einer Nachlassverwaltung oder einer Nachlassinsolvenz zustehenden Ansprüche dem Nachlass und damit der Verwertungsbefugnis eines Nachlassinsolvenzverwalters zugewiesen. Weiter ergibt sich aus der Verweisung in § 1985 Abs. 2 BGB, dass dies auch für Ansprüche der Nachlassgläubiger gegen den Nachlassverwalter gilt. Schließlich kommen diese Grundsätze auch für die Haftung des überlebenden Ehegatten in einer Insolvenz über eine fortgesetzte Gütergemeinschaft (§ 332) nach der Verweisung in § 1489 Abs. 2 BGB in Betracht.

Darüber hinaus war auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in der Rechtsprechung schon für das bisher geltende Insolvenzrecht anerkannt, dass Ansprüche sowohl gegen Organe einer juristischen Person wegen Konkursverschleppungshaftung als auch gegen einen Verwalter wegen schuldhafter Schmälerung der Masse nur von dieser, d.h. nicht vom einzelnen Gläubiger, sondern von dem (ggf. neu zu bestellenden) Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.[2] § 92 führt deshalb lediglich zu einer konsequenten und vor allem umfassenden Festschreibung dieser Ansätze.[3] Dagegen sind die hierzu in der Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf angeführten aktienrechtlichen Vorschriften gerade kein Beleg für den Grundgedanken, da sie sich nur auf Ansprüche beziehen, die ohnehin dem Schuldnerunternehmen zustehen und nur ausnahmsweise in den genannten Vorschriften außerhalb einer Insolvenz den Gläubigern zur Geltendmachung zugewiesen sind.[4] In der Folge beschränkt also die Vorschrift die Geltendmachung solcher einer Gesamtheit zustehenden Ansprüche durch einzelne Gläubiger, vermeidet somit ungerechtfertigte Sondervorteile und weist diese den einzelnen Gläubigern zustehenden Ansprüche – zumindest was die Durchsetzung und Verteilung angeht – über die Reichweite der §§ 3537 hinaus der vom Verwalter zu bildenden Haftungsmasse zu. Insofern ergänzt § 92 auch § 80, da ansonsten der Verwalter über diese den Gläubigern zustehenden Einzelansprüche nicht verfügungsbefugt wäre. Gleichzeitig bietet § 92 neben der damit verbundenen Masseanreicherung die Möglichkeit, quotale Ansprüche einzelner Gläubiger zu bündeln und durch den Insolvenzverwalter mit größeren Erfolgsaussichten geltend zu machen, was unter der KO durch die einzelnen Gläubiger meist unterblieben ist.[5] Dagegen ist mit dieser Regelung kein vollständiger Ausschluss der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einzelne Gläubiger verbunden, soweit es sich dabei nicht um einen dort definierten Gesamtschaden handelt. Die Regelung stellt lediglich die notwendige Schnittstelle zwischen Insolvenzrecht und deliktsrechtlicher Haftung her, indem sie gerade für die kritischen Fälle der Insolvenz eine größtmögliche Zentralisierung und damit Gesamtabwicklung der Haftungsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter anordnet, in die die einzelnen Gläubiger in ihrer Gesamtheit eingebunden sind.

Wegen des Regelungsziels bestehen also enge Zusammenhänge mit § 93 und § 203 Abs. 1 Nr. 3 für den Fall einer Nachtragsverteilung. § 92 gilt über die in § 280 enthaltene Verweisung entsprechend für den Sachwalter bei der Eigenverwaltung (§§ 270 ff.).

[1] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 272.
[3] K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (211).
[4] Bork, in: Kölner Schrift, 2. Aufl., S. 1333 ff. Rn. 8; K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (223).
[5] BGHZ 126, 181 (197f).

2. Liquidation des Gläubigergesamtschadens (Satz 1)

2.1 Betroffene Ansprüche

 

Rn 2

Nach der in § 92 Satz 1 enthaltenen Legaldefinition setzt die Vorschrift einen Schaden voraus, den die Insolvenzgläubi...

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