Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbestandsverwirklichung der Erschleichung von Beförderungsleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Eine Beförderungsleistung wird dann i.S. des § 265a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter sich unter Überwindung oder Umgehung physischer Schranken durch täuschungsähnliches oder durch anderweitig manipulatives Verhalten in den Genuss der Beförderungsleistung bringt. Daneben genügt es allerdings auch, dass er ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen.
b) Nicht notwendig ist, dass der Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen gerade gegenüber dem Beförderungsbetreiber oder seinen Bediensteten erregt wird. Es genügt vielmehr, dass der Täter lediglich allgemein einen entsprechenden Anschein erweckt
2. Der objektive Tatbestand der Leistungserschleichung ist deshalb nicht schon dann erfüllt, wenn jemand ein Verkehrsmittel unberechtigt nutzt. Er muss darüber hinaus für einen objektiven Beobachter den Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen erregt haben, weshalb im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob der Täter gemessen an den jeweils geltenden Geschäftsbedingungen ein äußerlich erkennbares Verhalten zeigte, das einem objektiven Beobachter erlaubte, durch Subsumtion unter die Voraussetzungen der Geschäftsbedingungen den Schluss zu ziehen, der Täter sei zur Benutzung des Verkehrsmittels berechtigt.
Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Entscheidung vom 06.06.2007; Aktenzeichen 310 Ds 885 Js 5348/07) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 6. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine Abteilung des Amtsgerichts Halle zurückverwiesen.
Gründe
Der Strafrichter des Amtsgerichts Halle-Saalkreis hat die Angeklagte am 6. Juni 2007 wegen Erschleichens von Leistungen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1, 344 f. StPO). Sie führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, weil das angefochtene Urteil auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruht (§§ 337, 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO).
Die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265 a Abs. 1 StGB) nicht. Danach benutzte die Angeklagte in vier Fällen Straßenbahnen der V. in H., ohne einen gültigen Fahrausweis zu besitzen.
Eine Beförderungsleistung wird dann i. S. des § 265 a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter sich unter Überwindung oder Umgehung physischer Schranken durch täuschungsähnliches oder durch anderweitig manipulatives Verhalten in den Genuss der Beförderungsleistung bringt. Daneben genügt es allerdings auch, dass er ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (BGH EBE/BGH 2009, 58). Nicht notwendig ist, dass der Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen gerade gegenüber dem Beförderungsbetreiber oder seinen Bediensteten erregt wird. Es genügt vielmehr, dass der Täter lediglich allgemein einen entsprechenden Anschein erweckt (BGH aaO.).
Nach diesen Grundsätzen ist der objektive Tatbestand der Leistungserschleichung nicht bereits dann erfüllt, wenn der Angeklagte das Verkehrsmittel unberechtigt nutzte. Er muss darüber hinaus für einen objektiven Beobachter den Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen erregt haben. Daher ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der Täter gemessen an den jeweils geltenden Geschäftsbedingungen ein äußerlich erkennbares Verhalten zeigte, das einem objektiven Beobachter erlaubte, durch Subsumtion unter die Voraussetzungen der Geschäftsbedingungen den Schluss zu ziehen, der Täter sei zur Benutzung des Verkehrsmittels berechtigt. Hierfür kann es schon genügen, wenn er das Verkehrsmittel betritt und mitfährt, ohne sich um die Erlangung eines Fahrausweises zu kümmern oder einen Fahrausweis vorzuzeigen oder zu entwerten. Dies gilt jedoch nur dann, wenn dieses Verhalten nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers keinen Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Benutzung des Verkehrsmittels bietet, etwa weil ein objektiver Beobachter davon ausgehen kann, dass der Täter im Besitz eines Dauerfahrscheines ist und er diesem Anschein auch nicht entgegen getreten ist. Letzteres ist etwa anzunehmen, wenn er bereits beim Betreten des Beförderungsmittels deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er wolle den geschuldeten Fahrpreis nicht entrichten. Ebenso ist der objektive Tatbestand zum Beispiel dann nicht erfüllt,...