Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, § 1827 Abs. 3 BGB. Sie kann also schriftlich oder mündlich, auch durch schlüssiges Verhalten, wie beispielsweise durch Kopfschütteln oder -nicken, jederzeit, auch noch in der akuten Behandlungssituation, widerrufen werden. Eine nach außen kundgegebene Willensänderung, die im Widerspruch zu den Vorgaben in der Patientenverfügung steht, ist somit ebenfalls als Widerruf derselben zu bewerten.

Für den Widerruf der Patientenverfügung muss der Betroffene einwilligungsfähig, nicht jedoch geschäftsfähig sein.[28] Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen Voraussetzungen für die Behandlung eines Patienten, nach welchen ein Patient nur (weiter) behandelt werden darf, wenn er in die Behandlung eingewilligt hat. Da die Patientenverfügung Vorgaben für die Behandlung im Zustand der Einwilligungsunfähigkeit macht, die der Patient im Zustand der Einwilligungsfähigkeit festgelegt hat, Ärzte einen Patienten, der einwilligungsunfähig ist, aber auch nach dessen Zustimmung nicht behandeln dürfen, kann der Widerruf einer Patientenverfügung nur im Zustand der Einwilligungsfähigkeit erklärt werden.

Wegen des fehlenden Formerfordernisses für den Widerruf muss, bevor dem schriftlich fixierten Willen des Patienten Ausdruck verliehen wird, regelmäßig geprüft werden, ob dieser nicht in irgendeiner Form die Patientenverfügung wieder widerrufen hat. Die Erforschung des mutmaßlichen Willens ist daher weiterhin – auch bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung – wegen der Möglichkeit des in der Zwischenzeit erfolgten formlosen (!) Widerrufs eine der zentralen Hauptaufgaben des Betreuers bzw. des Bevollmächtigten.

 
Praxis-Tipp

Es empfiehlt sich daher, die Patientenverfügung regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren und einen Widerruf möglichst schriftlich zu erklären. So lange keine Zweifel an der Wirksamkeit der Patientenverfügung bestehen, wird grundsätzlich zwar wohl weiter von einem Nichtwiderruf auszugehen sein. Jede vom Inhalt der Patientenverfügung abweichende Erklärung des Patienten, die er jedoch beispielsweise unüberlegt oder auch bewusst gegenüber anderen Personen geäußert hat, kann als Widerruf der Patientenverfügung auszulegen sein.

Die schriftliche Patientenverfügung verliert ihre Wirkung, wenn der Betreuer oder der Bevollmächtigte des Patienten zu dem Ergebnis kommt, dass in dessen (unüberlegten) Äußerungen ein Widerruf zu sehen ist. Hierneben birgt die Formfreiheit des Widerrufs auch die Gefahr in sich, dass eine erfolgte Willensänderung des Patienten unberücksichtigt bleibt, weil sie zwar mündlich erklärt, aber nicht publik geworden ist. Andererseits darf ein Kopfnicken des Patienten im Zustand der Einwilligungsunfähigkeit nicht einfach ignoriert werden. Es muss hier überlegt werden, ob die Patientenverfügung tatsächlich, trotz eindeutiger schriftlicher Formulierung, die konkrete Behandlungssituation trifft. Schließlich könnte dieses Kopfnicken ein (an sich unwirksamer) Widerruf sein, der formaljuristisch wegen der fehlenden Einwilligungsunfähigkeit des Patienten eigentlich nicht möglich ist. Der Betreuer oder Bevollmächtigte des Patienten muss sich in solchen Situationen die Frage stellen, was der Patient gewollt hätte, wenn man ihn im Zustand der Einwilligungsfähigkeit hierzu hätte befragen können. Hier wird bzw. muss der Anwendungsbereich für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten eröffnet sein, da sein Verhalten im Zustand der Einwilligungsunfähigkeit darauf hindeutet, dass die Vorgaben in seiner Patientenverfügung offensichtlich die konkrete Behandlungssituation nicht erfassen.

Der Widerruf richtet sich an Ärzte, Betreuer etc., muss aber nicht diesen gegenüber erklärt werden. Die Patientenverfügung ist keine empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern eine reine Willensäußerung. Nach der Kehrseitentheorie muss für den Widerruf der Patientenverfügung dasselbe gelten. Ein Widerruf der Patientenverfügung durch den Betreuer oder Bevollmächtigten des Verfassers ist nicht möglich. Der Betreuer bzw. der Bevollmächtigte muss bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Patientenverfügung den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ermitteln und aufgrunddessen eine Entscheidung treffen, die auch im Widerspruch zu der Patientenverfügung stehen kann.

[28] So auch Spickhoff, FamRZ 2009, 1949; MüKo/Schwab, § 1901a Rn. 38.

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